Tausende Lichter beleuchten jede Nacht ein gigantisches, christlich-orthodoxes Kreuz in den Bergen über Skopje. Es scheint, als ob das glühende Kruzifix in der Luft schweben würde. Mitten im Wahlkampf enthüllte Mazedoniens Premier Ljubco Georgijevski das kolossale Kreuz: Dieses Land gehört den slawisch-orthodoxen Mazedoniern, soll es zeigen, und wer der Herr in dem ethnisch geteilten Land ist.Unter dem Slogan "Glavata gore" (Kopf hoch) setzten die rechts-konservative Partei des Premiers und die mit ihr verbündeten Liberalen auf die nationalistische Karte. Im Wahlkampf werden Ausdrücke wie "Verrat" oder "Knechte des Westens" benutzt. Regimenahe Zeitungen wie Vecer und Nova Makedonija beschuldigen Nato und Osze, sich in innenpolitische Angelegenheiten einzumischen, albanische Interessen zu protegieren und eine aktive Politik gegen die Regierung zu führen. Die oppositionelle mazedonische Koalition von Linksparteien "Gemeinsam für Mazedonien" führen die Sozialdemokraten unter Expremier, Branko Crvenkovski, an. Der Regierung werden "Korruption" und "Zusammenarbeit mit dem organisierten Verbrechen" vorgeworfen. Sie würde "auch die schmutzigsten Mittel nicht scheuen, um an der Macht zu bleiben", hört man in den Kreisen der Sozialdemokraten, denn viele würden Strafprozesse wegen "krimineller Tätigkeit" befürchten. Ebenso wie mazedonische, sind auch albanische Parteien unter sich zerstritten. Doch sowohl die "Albanische Demokratische Partei", als auch die "Demokratische Volkspartei" sprechen von Mazedonien als einem "föderalen Staat, in dem die Exekutive strikt zwischen Albanern und Mazedoniern" geteilt werden sollte; die Verfassung sei "zu eng für albanische Interessen". Und ausgerechnet Ali Ahmeti, Chef der immer stärkeren "Demokratischen Union für die Integration" und Ex-kommandant der "Albanischen Befreiungsarmee", der vom mazedonischen Innenministerium als Terrorist steckbrieflich gesucht wird, gibt die europäischsten Töne von sich. Er spricht darüber, dass Mazedonier und Albaner zusammenleben müssen. Sicher ist, dass eine ethnisch reine Regierung in Mazedonien nicht gebildet werden kann. Die nationalistisch geprägte Wahlkampagnen steigern jedoch sichtlich die Feindseligkeit zwischen den Völkern. Im ebenso wie Mazedonien ethnisch geteilten Skopje ist es zwar ruhig; doch Schießereien, Entführungen und Tote gehören zum mazedonischen Alltagsleben. Eine stabile Regierung in Mazedonien ist nicht in Aussicht. Die meisten Analytiker befürchten, dass nach den Wahlen die Spannung erst recht steigt. (DER STANDARD, Printausgabe, 13.9.2002)