Trilogy of Monotypologies
Tape Make up

Foto: MAK/Steve Seleska

Trilogy of Monotypologies

Foto: MAK/Steve Seleska
In Mailand, einem langsam von einer globalen Absatzökonomie verkrusteten Umfeld, hebt Carol Christian Poell, gebürtiger Linzer, das Kreativpotenzial der Modemetropole gehörig. Poell (geboren 1966) bewarb sich (nach technisch fundierten Ausbildungen an der Mode- und Designschule in Graz und der Modefachschule Michelbeuern in Wien) nach seiner Übersiedelung nach Mailand 1989 mit Erfolg um die Aufnahme in die Modeklasse der renommierten Design-Ausbildungsstätte "Domus Academy". Gianfranco Ferré und andere Großmeister lehren dort. Einige Kurse wie jener zur Anthropologie der Mode bleiben Poell in guter Erinnerung, doch er beruft sich lieber auf seinen eigenen Instinkt und verlässt vorzeitig die Akademie. 1994 erarbeitet Poell eine kleine Kollektion. Eigentlich sind es Prototypen: Hemd, Hose, Sakko; erste eigene Arbeiten, die überzeugen und unerwartet Kunden bringen, die Firma C.C.P. srl, Milano wird gegründet. Heute beliefert das kleine Unternehmen Käufer in Tokio, London, Paris, New York oder Los Angeles. Traditionelles Schneiderhandwerk, avantgardistische Schnitte, Präzision und Materialrecherche und -entwicklung sind Ausgangspunkt für Carol Christian Poells Arbeiten, wobei ihn die dem Material innewohnenden Möglichkeiten - das Materialverhalten zur Form in Bezug auf Körper und Bewegung - herausfordern und zu unglaublichen Verfahrenstechniken und Materialinnovationen anstiften. Schweinsdärme werden zu Pullovern verstrickt, Leder wird (Känguru-, Wasserbüffel-, Schweins-, Kalbs-, Kuh-, Pferde- oder Lammleder) gewebt oder so bearbeitet, dass das Material transparent und elastisch ist, Fellstiefel werden mit Pferdehuf-Absätzen beschlagen, selbst menschliches Haar wird durch ein aufwändiges Verfahren zu einem Material gemacht, das einer textilen Verarbeitung zugeführt werden kann. Dieser radikale Materialeinsatz irritierte naturgemäß und führte nicht nur bei Käufern zu Missverständnissen. Wie ein Industriedesigner erarbeitet Poell mit Laboratorien und Produktionsstätten neue Möglichkeiten, vor allem natürliche Materialien wie Haar, Fell oder Haut in erweiterte Formen und Funktionen zu bringen. So entwickelt er bereits 1995 ein Lederstretch aus hauchdünnem Känguru-Leder, das für ein T-Shirt verarbeitet wird. In der neuen Herbst / Winterkollektion 2002 / 03 wurde geflockt: eine neue Technik, die Lederstaub, (Lederspäne, Reste aus der Lederverarbeitung) und elektrostatische Fasern, auf Textilien gesprüht, verbindet. Ein samtiger, rauledriger Eindruck entsteht. Poell hat sich nie um die Patentierung seiner Innovationen bemüht. Dies würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen in einer Branche, die mehr als jede andere Zeitlimits fordert und teilweise auch zum Thema macht. Im Rahmen der Veranstaltung "Artlife" (Turin, Oktober 2000) setzte Carol Christian Poell mit der Aktion "Best Before" ein kritisches Statement zum Modekonsum. Auf Rotkreuz-Bahren werden Models in "Morgue Trousers" in einen von "Leichengeruch" erfüllten Raum getragen. Mode wird, so Carol Christian Poell, über Modejournale visuell konsumiert und eigentlich nicht getragen, mit der Erstpräsentation haftet das Ablaufdatum bereits an ihr. Selbstkritische, subversive Arbeiten und Gesten durchziehen das junge Werk des provokativen Designers. Eingeladen zu dem extensiven Ausstellungsreigen rund um das Modeprojekt "Landed" 2001 in Antwerpen, zeigte Carol Christian Poell unter anderem "my best friend", ein niedliches, kunstvoll präpariertes Ferkel mit Handgriff, unverkennbar in eine Damenhandtasche transferiert. Darin manifestiert sich die Beobachtung von "Hundeträgerinnen", die ihre Tiere im Grunde nur für dekorative Zwecke verwenden. Man kann mit Spannung einer kleinen Werkauswahl des internationalen Österreichers im MAK im Rahmen von S.O.S. "Zur Rettung der Sammlung", entgegensehen. Die präsentierte Auswahl bildet den Beginn eines C.C.P.-Spezialarchives im MAK, das sich Designpionieren, Innovatoren, die eigenständige Designstrategien entwickeln, widmet. Das Gesamtwerk Poells wird katalogisiert, und die Sammlung fortlaufend mit Schlüsselwerken ergänzt. (derStandard/rondo/13/9/02)