Foto: Toronto Film Festival
Große Filme werfen lange Schatten, und so sind die US-Studios erwartungsgemäß zwar bereits mit der filmischen Verarbeitung der Anschläge vom 11. September 2001 in den USA beschäftigt - bis das Ergebnis dieser Anstrengungen in die Kinos kommt, wird aber wohl noch einige Zeit vergehen. Andere können schneller handeln: Der französische Produzent Alain Brigand hat elf internationale Filmemacher und -macherinnen gebeten, mit je einer elfminütigen Episode auf diesen Tag und seine Folgen zu reagieren. Das Ergebnis, 11'09''01 September 11 , wurde in Venedig vorgestellt. Und die im Vorfeld im US-Branchenmagazin Variety vor allem gegen den ägyptischen Altmeister Youssef Chahine aufgebrachten "Antiamerikanismus"-Vorwürfe entpuppten sich angesichts des Films als hinfällig. Die internationale Besetzung vervielfältigt allerdings konsequenterweise die Standpunkte, verschiebt den Fokus - und entsprechend unterschiedlich (aber auch: unterschiedlich überzeugend) sind die Beiträge beziehungsweise ihr Bezug zum Ereignis gehalten. Es geht etwa um Gleichzeitigkeiten oder verdrängte historische (Vor-) Bilder: Ken Loach beispielsweise lässt einen Exilchilenen den 11. September 1973, den Anschlag auf den Präsidentenpalast in Santiago und die Ermordung Salvador Allendes, in Erinnerung rufen. Daneben gibt es hintergründig Sarkastisches von Sean Penn, Sentimentalitäten von Claude Lelouch, einen Miniatur-Tearjerker von Mira Nair oder fragwürdiges Überwältigungspathos im Film von Alejandro González Inárritu, der die Leinwand zunächst schwarz lässt, um darauf dann ausgerechnet jene Aufnahmen aufblitzen zu lassen, die von den Türmen stürzende Körper zeigen. Der Einsatz der bereits bis zum Überdruss ausgestrahlten Bilder der explodierenden Flugzeuge und des einstürzenden World Trade Centers wurde zum Glück weitgehend vermieden. Auf dem Marktplatz von Ouagadougo zum Beispiel sieht man keine Fernseher, dafür Leute, die an ihren Radios Berichte verfolgen. Tage später träumen im angenehm heiter gelassenen Beitrag des afrikanischen Regisseurs Idrissa Ouedraogo dann fünf Schuljungen von den 25 Millionen Dollar Kopfgeld für Osama Bin Laden, mit denen viele Probleme ihres Kontinents zu lindern wären. Verglichen mit ähnlichen Projekten wirkt der Gesamtfilm zumindest relativ stringent. Die Frage, ob er sein Thema adäquat (und nicht nur quasi anekdotisch) behandelt hat, muss er sich trotzdem gefallen lassen. (DER STANDARD, Printausgabe, 7./8.9.2002)