Wien - Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl (S) führte am
Dienstag Nachmittag ein rund einstündiges Gespräch mit
Bundespräsident Thomas Klestil. Es habe sich um einen sehr offenen,
herzlichen Austausch gehandelt, Thema sei die derzeitige politische
Lage gewesen, sagte Häupl danach vor der Präsidentschaftskanzlei. Die
bevorstehenden Neuwahlen bezeichnete er als "Riesenchance" für einen
Neubeginn in Österreich, er sei für die Neuwahlentscheidung sehr
dankbar. Auch seine eigene Rolle dabei legte er fest: "Erster Diener
meines Parteivorsitzenden und Freundes Gusenbauer."
Der ÖVP unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel unterstellte er,
auch nach der Wahl auf eine Erneuerung der Koalition mit den
Freiheitlichen abzuzielen. "Es sind viele Entscheidungsträger
innerhalb der ÖVP, die der Auffassung sind, dass dieses Experiment
allzu früh abgebrochen wurde. Aber ich glaube, dass das mit der
Meinung der österreichischen Bevölkerung nicht übereinstimmt. Die ist
ganz anderer Ansicht, nämlich: Dieses Experiment ist gescheitert, das
war's wohl, jetzt brauchen wir eine neue österreichische
Bundesregierung."
Die SPÖ sei für den Wahlkampf bereit, die Stimmung gut, man gebe
sich kampfbereit. Ziel sei es, die Wahlauseinandersetzung siegreich
zu beenden. Dann könnte die SPÖ mit Gusenbauer den Bundeskanzler
stellen und hätte mit der ÖVP und den Grünen zwei Koalitionsoptionen.
Allerdings gab er sich gegenüber einem Rot-Grünen Experiment eher
distanziert. Ein solches hätte sich zwar anderswo durchaus als stabil
erwiesen, "wie sehr es einen freut, ist eine andere Frage". Häupl
stellte sich erneut demonstrativ hinter den Bundesparteichef. "Es
gibt einen Spitzenkandidaten. Der heißt Alfred Gusenbauer." Er nehme
aber an, dass der SP-Bundesparteivorsitzende mit Personen, die
einzelnen Spezialthemen zugeordnet würden, in den Wahlkampf gehen
werde.
Zur Zukunft des Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider und zur
Frage, ob dieser nun wieder die Führung in der FPÖ übernehmen werde,
meinte Häupl, dies sei unerheblich. Haider habe seine Strahlkraft
verloren. Sollte aber jemand anderer die FP-Führung übernehmen, werde
es in Kürze zu einer ähnlichen Auseinandersetzung bei den
Freiheitlichen kommen, wie sie jetzt zum Zerbrechen der
Regierungskoalition geführt habe. (APA)