"Ich esse schon lange nichts mehr von dem, was hier wächst"
Bevölkerung in Umgebung des tschechischen "Spolana"-Werks über Dioxin-Werte entsetzt
Redaktion
,
Prag - In der Nähe des tschechischen Chemiewerks
"Spolana" in Neratovice an der Elbe haben Chemiker eine hohe
Konzentration Dioxin festgestellt. Der in einer Bodenprobe gefundene
Stoff stamme auf Grund seiner Zusammensetzung mit großer
Wahrscheinlichkeit aus dem Werk und übersteige einige europäische
Limits, sagte Libor Jech vom Forschungsinstitut "Axys Varilab" am
Montag. "Spolana"-Sprecher Jan Martinek sagte,
das Werk besitze keine Informationen über das Austreten einer hohen
Konzentration Dioxin. Ob der Giftstoff möglicherweise während des
Hochwassers vor drei Wochen aus dem Unternehmen gespült wurde, war
zunächst unklar.
50 Mal über Durchschnittswert
Die Untersuchung war von Tschechiens öffentlich-rechtlichen Medien
in Auftrag gegeben worden. Dabei hatten die aus Vrane (Mittelböhmen)
stammenden Chemiker vier Proben genommen. Während drei davon normale
Werte enthalten hätten, sei im nördlichen Stadtteil Neratovice-Libis
in einem Graben eine Dioxin-Konzentration festgestellt worden, die 50
Mal über dem tschechischen Durchschnitt liege, sagte Jech.
Der Leiter der staatlichen Umweltinspektion in Prag, Petr Soukup,
kündigte für die nächsten Tage die Ergebnisse neuer Messungen an. Die
während der Flut bei "Spolana" von tschechischen und deutschen
Behörden entnommenen Proben hätten keine hohe Konzentration von
Dioxin enthalten, betonte Soukup am Montag im Tschechischen Rundfunk.
Martinek sagte, die von "Axys Varilab" beanstandete Probe sei
seines Wissens aus einem Abwassergraben des Chemiewerks entnommen
worden. Ohne das Problem zu verharmlosen, seien hier andere Maßstäbe
anzulegen als bei landwirtschaftlicher Nutzfläche, unterstrich der
"Spolana"-Sprecher. Nach Angaben des Rundfunks übersteigen die
Dioxin-Werte das tschechische Limit für Agrarfläche um das Dreifache.
3.500 Tonnen Chemikalien während Hochwassers freigesetzt
Bewohner von Neratovice waren von den Werten der Probe entsetzt.
"Ich esse schon lange nichts mehr von dem, was hier wächst", sagte
eine Frau dem Rundfunk. "Spolana hat nie die volle Wahrheit gesagt",
schimpfte ein Mann. In den vergangenen Wochen war aus dem Werk zwei
Mal gefährliches Chlorgas entwichen. Unter anderem deswegen war die
Leitung des Unternehmens vom "Unipetrol"-Konzern ausgetauscht worden.
Nach Angaben von "Spolana" waren während des Hochwassers etwa 3500
Tonnen Chemikalien freigesetzt worden.
Das Chemiewerk steht 120 Kilometer elbaufwärts von Dresden. Bei
dem Hochwasser war das Firmenareal überschwemmt worden.
Umweltschützer befürchten, dass hierbei Gifte in die Elbe gespült
wurden. Verlässliche Angaben über die in "Spolana" vorhandenen Stoffe
gibt es nicht. Bekannt ist nur, dass in den Depots mehr als 90 Tonnen
Chlor lagern. Außerdem soll das Areal mit bis zu 250.000 Kilogramm
Quecksilber kontaminiert sein. (APA/dpa)
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