Inland
Soll und Haben nach zweieinhalb Jahren
Viele Reformen, vieles noch offen - Nulldefizit weggespült - Regierung an Verschiebung der Steuerreform gescheitert Wien - 31 Monate schwarz-blaue Regierung haben dem Land
zahlreiche Reformen gebracht. Manche Vorhaben sind bisher aber
unerledigt geblieben, manche sind mangels politischer Einigung
überhaupt ad acta gelegt. Das im Vorjahr schon erreichte Nulldefizit
ist wieder dahin. Nicht nur das Hochwasser sondern vor allem auch die
schlechte Konjunktur haben es wieder weggespült. Die APA bringt eine
Bilanz der wichtigsten Vorhaben auf der Soll- und der Habenseite von
Schwarz-Blau:
Hilfe für Hochwasser-Opfer
Die Hilfe für die Hochwasser-Opfer steht wegen der Katastrophe im
August ganz oben auf der Agenda der Bundesregierung. Zwischen Bund
und Ländern vereinbart ist ein Paket aus Direktzahlungen und
steuerlichen Maßnahmen, das Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V)
zuletzt mit rund zwei Milliarden Euro beziffert hat. Als Datum für
den Beschluss im Nationalrat ist der 19. September in Aussicht
genommen. Als Begründung für das Verschieben der Steuerreform hat die
Hilfe für die Hochwasser-Opfer freilich auch entscheidend zum
Auseinanderbrechen der freiheitlichen Regierungsmannschaft
beigetragen.
Nulldefizit und Budgetkonsolidierung
Nulldefizit und Budgetkonsolidierung waren das zentrale Thema der
ÖVP-FPÖ-Regierung. Ursprünglich für 2002 vorgesehen, hat
Finanzminister Karl-Heinz Grasser (F) überraschend bereits im Vorjahr
das gesamtstaatliche Nulldefizit erreicht. Im heurigen Jahr ist der
Staatssäckel von einer ausgeglichenen Bilanz allerdings wieder um bis
zu 1,5 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt entfernt. Verantwortlich
dafür werden die schlechte Konjunktur und die Hochwasser-Katastrophe
gemacht.
Keine Steuerreform und Lohnnebenkostensenkung
Die zunächst der Budgetkonsolidierung hintangestellte Steuerreform
hat die Regierung ursprünglich für 2003 versprochen. An der
Verschiebung dieses Vorhabens auf 2004 nach dem Hochwasser ist
letztendlich nicht nur die Steuersenkung, sondern die gesamte
bisherige FPÖ-Führungsriege gescheitert, weil Jörg Haider das nicht
hinnehmen wollte. Die Steuer- und Abgabenquote hat mit rund 45
Prozent einen Rekordwert erreicht. Ziel der Regierung wäre es
gewesen, diesen Wert bis 2010 auf unter 40 Prozent zu drücken. Die
zugesagte und von der Wirtschaft vehement geforderte Senkung der
Lohnnebenkosten ist vermutlich ebenfalls den leeren Staatskassen zum
Opfer gefallen.
Kindergeld
Das Kindergeld für alle haben 1999 in verschiedenen Formen sowohl
ÖVP als auch FPÖ in ihren Wahlprogrammen gehabt. Die mit 1. Jänner
2002 in Kraft getretene Fassung sieht nun vor, dass alle Mütter
anspruchsberechtigt sind. Statt zuvor für maximal 18 Monate - sowie
zusätzlich sechs Monate, wenn beide Eltern in Karenz gehen - wird die
Leistung für 30 plus sechs Monate gewährt. Statt 410 Euro monatlich
für das frühere Karenzgeld werden 436 Euro bezahlt. Nicht mit der
Anspruchsdauer im Gleichklang ist allerdings der Kündigungsschutz von
lediglich 24 Monaten.
Pensionsreform
Die mit Oktober 2000 in Kraft getretene Pensionsreform hat eine
schrittweise Anhebung des faktischen Pensions-Antrittsalters zum
Ziel. Dazu wird pro Quartal das Pensionsalter um zwei Monate
angehoben, im Oktober 2002 erfolgt der letzte Schritt mit einer
Anhebung auf 56,5 Jahre für Frauen und 61,5 Jahre für Männer.
Außerdem wurden die Abschläge von der Pension pro Frühpensionsjahr
von zwei auf drei Prozent angehoben. Noch nicht erledigt ist die
angestrebte eigenständige Alterssicherung für Frauen.
Entschädigung von NS-Opfern und Kriegsgefangenen
Bereits in der Regierungserklärung hat sich Bundeskanzler Wolfgang
Schüssel zur Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter bekannt. In der
Zwischenzeit haben schon mehr als 70.000 Opfer bis zu 7.630 Euro
erhalten. Fertig ausverhandelt ist auch eine Entschädigung für
"Arisierungs"-Opfer. In diesem Bereich werden bereits eine
Pauschalentschädigung sowie erhöhte Sozialleistungen für im Ausland
lebende Betroffene ausbezahlt. In den USA noch anhängige Sammelklagen
verhindern bisher aber ein In-Kraft-Treten des gesamten Pakets.
Entschädigt werden aber nicht nur Verfolgte des NS-Regimes: Ehemalige
Kriegsgefangene erhalten nun eine in der Höhe von der Dauer der
Gefangenschaft abhängige Entschädigung in Form eines Zuschlags zur
Pension.
Familienhospizkarenz
Die Familienhospizkarenz ist ein bedingter Rechtsanspruch auf
Freistellung von der Arbeitsleistung für die Sterbegleitung von nahen
Verwandten und für die Betreuung von schwerstkranken Kindern.
Ermöglicht wird seit 1. Juli 2002 für bis zu sechs Monate eine
völlige Freistellung oder eine Herabsetzung der Normalarbeitszeit,
wobei eine kranken- und pensionsversicherungsrechtliche Absicherung
sowie ein besonderer Kündigungs- und Entlassungsschutz vorgesehen
sind.
ORF-Gesetz, Privatrundfunkgesetz umgesetzt, Presseförderung nicht
Mit einem umfangreichen Medienpaket war die ÖVP-FPÖ-Koalition
angetreten, um die heimische Medienpolitik in Schwung zu bringen und
die meisten Vorhaben wurden auch realisiert. Verabschiedet wurden ein
neues Privatradiogesetz sowie ein Privat-TV-Gesetz, das erstmals
terrestrisches privates Fernsehen in Österreich zulässt. Die
Errichtung einer unabhängigen Medienbehörde scheiterte zwar mangels
Zweidrittelmehrheit im Parlament, mit der KommAustria wurde aber ein
neuer Medienregulator geschaffen. Für hitzige Diskussionen sorgten
das neue ORF-Gesetz und die Wahl Monika Lindners zur neuen
ORF-Generaldirektorin. Auf keinen grünen Zweig kam die Koalition auch
bei der Reform der Presseförderung. Ein entsprechender
Gesetzesentwurf war ursprünglich bereits für Herbst 2001 angekündigt
worden, im August 2002 wurde schließlich dann lediglich eine
allgemein gehaltene Punktation präsentiert.
Fremdengesetz und Integrationsvertrag
Das Anfang Juli beschlossene Integrationspaket sieht eine
Verpflichtung zu Deutschkursen für Immigranten, eine erweiterte
Saisonarbeiter-Regelung sowie eine exaktere Definition des Begriffs
Schlüsselkraft vor. Die Deutschkurse sind verpflichtend für
Ausländer, die noch nicht aufenthaltsverfestigt sind (also nach dem
1.1. 1998 nach Österreich gekommen sind) sowie für Neuzuwanderer. Die
Sanktionen im Falle der Nichteinhaltung reichen bis zur Abschiebung.
Schlüsselkräfte müssen als Qualifikationsnachweis mindestens 60
Prozent der Höchstbeitragsgrundlage verdienen.
Liberalisierung der Gewerbeordnung
Seit 1. Juli 2002 ist die neu, vereinfachte Gewerbeordnung in
Kraft. Statt dreier Gewerbelisten gibt es nur mehr eine mit den so
genannten reglementierten Gewerben. Das einzige Gewerbe, das
weiterhin einer echten Bewilligung bedarf, ist der Handel mit
militärischen Waffen und Munition. Bei den übrigen zuvor
bewilligungspflichtigen Gewerben ist nur noch die Zuverlässigkeit des
Gewerbeinhabers zu prüfen. Für das Aufsperren eines Geschäftes ist
kein Befähigungsnachweis mehr notwendig, ausgeweitet wurden auch die
so genannten "Nebenrechte" der Gewerbetreibenden.
"Aktion Fairness"
Mit der "Aktion Fairness" wurde für Arbeiter und Angestellte die
gleiche Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall eingeführt. Damit
entfällt die 14-tägige Wartefrist und die Fortzahlungsdauer wird
verlängert. Die vollständige arbeitsrechtliche Gleichstellung ist
aber nicht erreicht. Im Gegenzug gilt für Arbeiter und Angestellte
künftig eine Urlaubsaliquotierung bei Beendigung eines
Arbeitsverhältnisses.
Verwaltungsreform, aber keine Bundesstaatsreform
Das von Bund und Ländern geschnürte Verwaltungsreform-Paket bringt
unter anderem die Verkürzung von Instanzenzügen und die Aufwertung
der Unabhängigen Verwaltungssenate. Für die Genehmigung von
gewerblichen Betriebsanlagen gilt nunmehr das
"One-Stop-Shop"-Prinzip. Zahlreiche Verwaltungsverfahren werden bei
den Bezirkshauptmannschaften konzentriert. Die im Regierungsprogramm
vorgesehene Abschaffung der mittelbaren Bundesverwaltung gelingt
nicht. Ebenfalls im Zuge der Verwaltungsreform geht die Zuständigkeit
für die bisherigen Bundesstraßen an die Bundesländer über. Eine
Bundesstaatsreform musste hingegen ad acta gelegt werden. Die
notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit war nicht in Sicht.
Abfertigung neu
An die Stelle der bisherigen Abfertigung, von der nur ein Teil der
Arbeitnehmer profitieren konnte, tritt mit 1. Jänner 2003 einen
Neuregelung, die einen Anspruch auch bei kürzeren Dienstverhältnissen
und bei Selbstkündigung durch den Arbeitnehmer vorsieht. Die
Unternehmen sollen exakt 1,53 Prozent des monatlichen Entgelts an
Mitarbeitervorsorgekassen abführen. Die Arbeitnehmer haben - außer
bei Selbstkündigung - die Wahl zwischen der Auszahlung als
Einmalzahlung oder der Verwendung der angesparten Gelder als
Zusatzpension. Bei Selbstkündigung und bei Dienstverhältnissen, die
kürzer als drei Jahre dauern, bleibt das Geld auf alle Fälle bis zur
Pension in der Kasse. Bei Sofortauszahlung beträgt der Steuersatz
sechs Prozent.
Uni-Reform
Gegen den Widerstand der meisten Betroffenen hat die Regierung
auch die Uni-Reform beschlossen. Ab 1. Jänner 2004 werden damit alle
Universitäten aus der Bundesverwaltung ausgegliedert und zu
juristischen Personen des öffentlichen Rechts umgewandelt. Sie
erhalten dreijährige Globalbudgets, schließen mit dem
Bildungsministerium Leistungsvereinbarungen ab und werden Arbeitgeber
ihres Personals. Im Schulbereich wurde die versprochene
Computermilliarde verwirklicht.
Eurofighter
Für das Bundesheer hat die Regierung die Draken-Nachfolge
eingeleitet. Nach dem Hochwasser würde die Stückzahl der Eurofighter
auf 18 reduziert, der Vertrag ist aber noch nicht unterschrieben.
Angeschafft wurden auch neun Hubschrauber des Typs Black Hawk.
Keine Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten
Die Konsumenten müssen auf die Gelegenheit, länger einkaufen zu
können, weiter warten. Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (V)
konnte sich mit seinen Plänen zur Liberalisierung der
Ladenöffnungszeiten gegen die FPÖ nicht durchsetzen.
Kein Demokratiepaket
Keine Einigung brachten auch die Bemühungen um das
Demokratiepaket. Dieses hätte die Briefwahl, den Ausbau der direkten
Demokratie und die Objektivierung bei der Bestellung von
Verfassungsrichtern bringen sollen. (APA)