Inland
FPÖ-Rücktritte führen voraussichtlich zu Neuwahlen
Urnengang im November erwartet
Wien - Das Regierungsprojekt Schwarz-Blau kann als
gescheitert gelten: Nach zweieinhalb Jahren führte ein Bruch
innerhalb der freiheitlichen Partei am Sonntag zum Rücktritt von
Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer, Finanzminister Karl-Heinz Grasser
und Klubchef Peter Westenthaler. Durchgesetzt im FP-internen
Machtkampf hat sich damit eindrucksvoll das "einfache
Parteimitglied", Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider. Er zeichnet
für die jüngste Krise in der Partei verantwortlich, in dem er die
Regierungslinie in Sachen Hochwasser-Hilfe sofort, dafür Verschiebung
der Steuerreform nicht nur kritisierte, sondern versuchte, in seinem
Sinn zurecht zu rücken. Eine neue Führung der FPÖ soll bei einem Parteitag am 20. Oktober
gewählt werden, so Riess-Passer. Bis dahin werde ihr Stellvertreter,
Verteidigungsminister Herbert Scheibner, die Geschäfte führen. Die
Ämter in der Bundesregierung wollen Riess-Passer und Grasser
wahrnehmen, bis von der Partei Nachfolger bestellt werden.
Riess-Passer sprach von einem "Misstrauensantrag von wesentlichen
Teilen der Partei", den sie habe ernst nehmen müssen.
Parlamentsauflösung am 19. September
Wie aus hohen FPÖ-Kreisen verlautete, wird allerdings damit
gerechnet, dass der Koalitionspartner ÖVP eine umfassende
Regierungsumbildung nicht akzeptieren wird. Es wird erwartet, dass
sich der Nationalrat am 19. September vorzeitig auflösen wird und im
November Neuwahlen durchgeführt werden. Der Wahltermin hieße damit
aller Voraussicht nach 17. oder 24. November. Zwischen der
politischen Entscheidung für vorgezogene Wahlen und dem Wahltag
liegen in der Regel rund zehn Wochen. Vom Bundespräsidenten war aus
der Präsidentschaftskanzlei Sonntagabend nur ein Satz zu erfahren:
"Bundespräsident Klestil erwartet morgen einen Bericht des
Bundeskanzlers."
Riess-Passer erklärte bei der Bekanntgabe ihres Rücktritts, dass
dieser Schritt "sehr schwer" falle. Er sei aber die "logische
Konsequenz aus den Ereignissen der vergangenen Tage und Wochen". Sie
begründete ihre Entscheidung mit der entstandenen "Kluft zwischen uns
und Teilen der Partei". Alle Versuche, diese Kluft zu kitten, seien
fehlgeschlagen. "Diese innerparteilichen Auseinandersetzungen haben
die Partei gelähmt und dem Wählervertrauen sehr geschadet", so die
Vizekanzlerin.
Der Rücktritt sei notwendig gewesen, weil es nicht möglich sei,
die Verantwortung als Regierungsmitglied ohne Rückendeckung durch die
Partei wahrzunehmen: "Ich bin der Meinung, dass dies der einzig
ehrliche Weg ist." Ausdrücklich betonte Riess-Passer, dass die FPÖ
die wahre "Reformkraft" in Österreich sei. Deshalb dürfe die
Parteikrise nicht verlängert werden, "die Partei muss zur Ruhe
kommen".
Indessen versammelte sich um 19 Uhr die ÖVP-Spitze im
Bundeskanzleramt, um über die aktuelle Situation zu beraten. An der
laufenden Sitzung nehmen neben den ÖVP-Regierungsmitglieder und
-Landeschefs auch die Wirtschaftskammer- und Bauernbundspitze teil.
Kommentar gab es vor Sitzungsbeginn nur vom oberösterreichischen
Landeshauptmann Josef Pühringer. Auf die Frage, worauf sich die
wartenden Journalisten einzustellen hätten, meinte er: "Das werden
wir sehen, zuerst stellen wir uns auf etwas ein." Auch Fragen nach
dem formalen Charakter des Zusammentreffens - ob es z.B. ein
Parteivorstand sei - blieben unbeantwortet. (APA)