Bühne
"Kulturpolitische Entgleisung"
Schweizer Theaterdirektoren stellen sich hinter Marthaler
Zürich - Der entlassene Zürcher Schauspielhaus-Intendant
Christoph Marthaler bekommt Rückendeckung von seinen Schweizer
Kollegen. Sechs Theaterdirektorinnen und -direktoren protestieren in
einem offen Brief gegen den Rauswurf. Sie seien entsetzt über die Richtung, welche die Kulturpolitik
Zürichs nehme, schreiben die Theaterschaffenden aus Bern, Biel,
Luzern, Basel und St. Gallen im am Donnerstag publizierten Brief.
Adressaten sind Zürichs Stadtpräsident Elmar Ledergerber und Peter
Nobel, Präsident des Schauspielhaus-Verwaltungsrats.
"Kurzschluss"
Die Theaterleute fordern die Verantwortlichen auf, ihre
Entscheidung zu überdenken. Marthaler habe der Schweizer Theaterszene
wesentliche Impulse gegeben und erreicht, dass sie auch international
beobachtet wurde. Künstlerische wertvolle Theaterarbeit brauche aber
Zeit und Geld, um sich durchzusetzen und wirtschaftlich erfolgreich
zu sein.
Die Entlassung Marthalers sei ein "Kurzschluss", eine
"kulturpolitische Entgleisung" des Verwaltungsrats und zeuge von
einer "zuftiefst undemokratischen Haltung", heißt es im Brief. Für
Michael Schindhelm, Direktor des Theaters Basel, kommt die
Entscheidung einem Affront gegen jede Theaterkunst gleich, die sich
nicht auf die Erfüllung des Budgets beschränkt.
"Die besten Künstler sind die am wenigsten umgänglichen"
Die Reaktion eines Aufsichtsgremiums auf wirtschaftliche Probleme
müsse souveräner sein, kritisiert Hans J. Ammann, Direktor des
Theaters Biel Solothurn. Nach Meinung von Eike Grass und Nicola May,
dem Chef und der Schauspieldirektorin des Berner Stadttheaters, hat
das Gremium ohne Konzept, Weitsicht und Weisheit gehandelt.
Die besten Künstler seien die am wenigsten umgänglichen, hier
brauche es vom Aufsichtsgremium mehr Sensibilität, schreiben sie.
Probleme, mit denen alle Theater zu kämpfen hätten, ließen sich nicht
lösen, indem man Intendanten austausche wie Sicherungen. (APA/sda)