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Die Europäische Zentralbank müsste auf eine Unterminierung des Stabilitätspaktes entsprechend reagieren.

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Brüssel - Angreifer und Verteidiger des Euro-Stabilitätspakts gehen wieder in Stellung. Angesichts der drohenden Überschreitung der Drei-Prozent- Defizitgrenze durch Deutschland meldeten sich am Mittwoch Politiker, Zentralbanker und Wissenschafter zu Wort. Finnlands Finanzminister Sauli Niinistö warnte eindringlich: "In dieser Situation ist es ganz essenziell, den Stabilitätspakt zu schützen." Der finnische Politiker sagte der Financial Times, der Pakt sei nicht zu streng; vielmehr scheine es, als sei er zu locker gewesen. Niinistö begründete das mit dem Hinweis auf Portugal, das die Grenze seines Budgetdefizits von maximal drei Prozent des BIP im vergangenen Jahr massiv überschritten hatte. Anders als vor Einführung des Euro hätten dort als Reaktion auf die Verschlechterung der Staatsfinanzen eben nicht die Zinsen steigen oder die Währung abgewertet werden können. Der Vizepräsident der Deutschen Bundesbank, Jürgen Stark, prophezeite am Mittwoch in derselben Zeitung, dass jede Unterminierung des Stabilitätspakts dazu führen würde, dass dann die Europäische Zentralbank mit schärferen Zinsschritten als bisher gegen drohende Preissteigerungen vorgehen könnte. "Tot" Für "tot" erklärte am Mittwoch der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle, Rüdiger Pohl, den Stabilitätspakt. Da derzeit vier Euroländer - Deutschland, Frankreich, Italien und Portugal - zu hohe Defizite hätten, seien nämlich die Sanktionen, die der Pakt vorsieht, politisch nicht durchsetzbar. Die Möglichkeit einer straffreien, kurzfristigen Überschreitung der Defizitgrenze aus konjunkturellen Gründen forderte am Mittwoch in Berlin der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Klaus Zimmermann. Die EU-Kommission erwartet unterdessen die seit Montag überfällige halbjährliche Schätzung der nationalen Defizitquote aus Deutschland. Da nach den letzten Zahlen die Bundesrepublik im ersten Halbjahr 2002 mit 3,5 Prozent die Grenze des Stabilitätspakts überschritten hatte, wird nun befürchtet, dass dies auch für das Gesamtjahr der Fall sei. Berlin begründet den Verzug bei der Datenübermittlung mit der Einberechnung der Hochwasserschäden. (Jörg Wojahn, DER STANDARD, Printausgabe 5.9.2002)