Wien - Die Terroranschläge vom 11. September 2001 haben die
Luftfahrtindustrie weltweit in die größte Krise ihrer Geschichte
gestürzt. AUA-Chef Vagn Sörensen sprach von einem "verlorenen Jahr
für die Luftfahrt", manche zogen Vergleiche mit der Situation beim
Golfkrieg 1991. Nach den Anschlägen blieb der US-Luftraum tagelang
gesperrt, wegen eines massiven Nachfrageeinbruchs fuhren die Airlines
ihre Kapazitäten speziell im Nordatlantikverkehr massiv um 20 Prozent
oder mehr zurück. Die erstmalige Verwendung von Passagierflugzeugen
als Geschosse verlieh dem Terror eine neue Dimension. An Bord der
Maschinen kamen 265 Passagiere - darunter 19 Terroristen - ums Leben,
insgesamt starben mehr als 6.000 Personen.
Kampf ums Überleben
Ein Jahr später kämpfen viele Airlines weiter ums Überleben.
Während sich bei manchen erste zarte Anzeichen einer Erholung zeigen,
haben andere - darunter Swissair, Sabena, Midway Airlines oder Ansett
- die Krise nicht überstanden. Vielfach war die Überschuldung bereits
so hoch, dass "9/11" nur noch der Tropfen war, der das Fass zum
Überlaufen brachte. Weitere Airline-Pleiten könnten folgen.
Deutlich höhere Versicherungskosten
Zu den direkten Kosten durch Flugausfälle kamen deutlich höhere
Versicherungskosten, weil die Assekuranzen ihre Verträge aufkündigten
und die Deckungssummen für Schäden durch Terror und Krieg von einer
Mrd. Dollar drastisch auf 50 Mill. Dollar (51,2 Mill. Euro)
herabsetzten. Zugleich verlangten sie höhere Prämien. Die Staaten
mussten mit Haftungsübernahmen einspringen, die sie sich aber
abgelten lassen. Die Austrian Airlines-Gruppe etwa musste 15 Mill.
Euro zusätzlich für die Haftungsübernahmen bezahlen. Nach Schätzungen
des internationalen Branchenverbands IATA haben sich die
Versicherungskosten für Airlines verzehnfacht, auf 10 Prozent der
Betriebskosten. Die weltweiten Versicherungskosten sollen sich 2002
auf knapp 10 Mrd. Dollar (10,24 Mrd. Euro) erhöhen.
Ebenfalls deutlich gestiegen sind die Kosten für die Sicherheit in
Maschinen und an Flughäfen. Seit August werden etwa alle
Airbus-Maschinen mit neuen kugelsicheren Hochsicherheits-Cockpittüren
ausgestattet, die allein 29.000 Dollar zusätzlich kosten.
Die Anschläge verschärften die auf Grund der Konjunkturschwäche
ohnehin schwierige Situation der internationalen Luftfahrt neuerlich.
Die US-Regierung schnürte ein 15 Mrd. Dollar schweres Hilfspaket für
die Luftfahrt, per Gesetz wurden Airlines von der Verpflichtung zum
Schadenersatz befreit. Für manche kam die Hilfe zu spät: Am Tag nach
den Anschlägen stellte Midway Airlines den Betrieb ein, es folgten
Ansett Australia, Swissair oder die belgische Sabena. Im Sommer 2002 erklärte sich auch die sechstgrößte
US-Fluggesellschaft US Airways für zahlungsunfähig und stellte einen
Antrag auf Gläubigerschutz nach Kapitel 11 des US-Konkursrechts, der
einen Weiterbetrieb ermöglicht.
Weitere Insolvenzen nicht ausgeschlossen
Analysten schließen weitere Konkurse bei US-Fluggesellschaften
nicht aus, vor allem, wenn die konjunkturelle Lage sich weiter
verschlechtert und die Flugangst andauert. Unter großem Druck steht
auch die zweitgrößte US-Fluggesellschaft United Airlines, der
US-Partner im Luftfahrtbündnis Star Alliance Partner, dem die
AUA-Gruppe und die Lufthansa angehören. Selbst US-Branchenführer
American Airlines kämpft mit massiven Problemen. Für
branchenbereinigende Fusionen fehlt den Airlines das Geld. Auch
europäische Airlines wie British Airways oder die Alitalia müssen ums
Überleben kämpfen. Hier sei die Konkursgefahr aber nicht akut.
Die Vorzeichen für die Luftfahrtindustrie bleiben wegen der
globalen Wirtschaftsschwäche ungünstig. In den USA überstiegen im
Vorjahr die Kosten der Airlines die Einnahmen bei weitem. Die acht
größten Fluglinien verbuchten 2001 einen Verlust von insgesamt mehr
als sieben Mrd. Dollar. Im ersten Halbjahr 2002 verloren sie bereits
mehr als die Hälfte dieser Summe. Versuchte Preiserhöhungen sind am
Markt kaum durchsetzbar, Continental Airlines musste bereits drei
Versuche wieder zurücknehmen.
Dünne Buchungslage
Für den kommenden 11. September 2002 ist die Buchungslage dünner
als normal. Die Reaktion darauf ist unterschiedlich: Während
Gesellschaften wie British Airways, Air France oder SAS bereits die
Streichung von Flügen angekündigt haben, wollen kleine
US-Gesellschaften mit symbolischen Dumpingpreisen von einem Dollar
die Nachfrage ankurbeln. An der Gesamtmisere der Luftfahrtbranche
kann dies aber wohl nichts ändern. (APA)