Wirtschaft
Kühler Kopf beim Umstellen
Unternehmen lassen sich von neuer Abfertigungsregel nicht drängen
Wien - Die neue Abfertigungsregelung versetzt offenbar
nicht alle heimischen Unternehmen in Stress: Laut einer
Gallup-Umfrage im Auftrag
der Raiffeisenlandesbank
Niederösterreich-Wien hat bis
jetzt nur die Hälfte der Firmen
den arbeitsreichen Weg zur
Umstellung beschritten. Zum
Jahreswechsel gilt die neue
Regelung schon.Gleichzeitig erwägt aber
mehr als die Hälfte der befragten 500 Unternehmens- und
Finanzchefs, den Mitarbeitern
einen Umstieg ins neue System anzuraten. Das ist nicht
verwunderlich, denn es bringt
den Unternehmen Vorteile:
Einerseits können die Rückstellungen für die Abfertigungen ausgeräumt werden, was
die Bilanzen schönt und einer
Forderung internationaler
Analysten entspricht. Kleinere Betriebe entgehen damit
außerdem einer möglichen
Liquiditätsfalle, wenn im Zuge von Rationalisierungen
oder vielen Pensionierungen
Zahlungen in großem Umfang
plötzlich fällig werden.
Ob die Arbeitnehmer allerdings umsteigen wollen,
bleibt fraglich. Wirklich lohnend ist das nur bei voraussichtlich hoher künftiger Berufsmobilität. Verbleib im alten System oder Einfrieren der
Ansprüche mit späterem
Übertritt sind für die meisten
am lukrativsten.
"Nachdenkjahr 2003"
Insgesamt rechnen Wirtschaftsprüfer mit einem
"Nachdenkjahr" 2003. Dass Unternehmen in Massen ihre
zu 25 Prozent wertpapiergedeckten Rückstellungen - das
sind zusammen sechs Mrd.
Euro - gleich auflösen, erwartet im niedrigen Zinsumfeld
niemand. Davor warnt auch
der Vizegeneraldirektor der
Raiffeisenlandesbank, Robert
Gruber, vor allem bei Firmen
mit jungem Mitarbeiterstand.
Aus Steuergründen empfiehlt
er, erst 2004 den Umstieg - dafür sind schriftliche Vereinbarungen nötig - anzubieten.
Überwiegend haben sich
die Unternehmen bis jetzt gegen einen Verkauf der Abfertigungs-Wertpapiere ausgesprochen. Rund 1,5 Mrd. Euro
könnten auf den heimischen
Anleihenmarkt zurückfließen, was rund 0,5 Prozent
Kursverluste bedeuten würde.
Andererseits müssen sich aber
auch die neuen Mitarbeitervorsorgekassen (MVK) veranlagen, was einen Ausgleich
schaffen könnte.
Konzessionen
Zehn MVK haben sich bei
der Finanzmarktaufsicht
(FMA) um Konzessionen beworben. Nach der Aufregung
der vorigen Wochen, wonach
Unternehmen wegen noch
fehlender Konzessionen keine Verträge verhandeln können,
kommt nun offenbar Tempo in
die Sache: Beteiligten zufolge
dürfte die FMA Mitte September gleichzeitig die Berechtigungen aussprechen. (Karin Bauer, DER STANDARD, Printausgabe 5.9.2002)