Kosovo
Ex-Polizeichef sagt im Milosevic-Prozess aus
Golubovic: Innenminister Stojilkovic ordnete Vertuschung des Kühlwagen-Leichenfundes an
Belgrad/Den Haag - Im Prozess gegen den früheren
jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic vor dem
UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag hat am Dienstag wieder ein
"Insider" ausgesagt. Der frühere Polizeichef in der ostserbischen
Kleinstadt Bor, Caslav Golubovic, berichtete über einen 1999 in der
Donau versenkten Kühlwagen mit über 80 Leichen, die vermutlich von
Kosovo-Albanern stammten. Die Anordnung zur Vertuschung des Fundes
kam laut Golubovic vom damaligen Innenminister Vlajko Stojilkovic
selbst. Golubovic war als Polizeichef in Bor vom Leiter der
Innenministeriumsabteilung für öffentliche Sicherheit, Vlastimir
Djordjevic, nach eigenen Worten damit beauftragt worden, den
Kühlwagen unter strengster Geheimhaltung zu räumen. Der Kühlwagen war
Anfang April 1999 bei Tekija unweit von Kladovo in Ostserbien in der
Donau entdeckt worden. Die Entdeckung während der NATO-Luftangriffe
wurde von der Polizeiführung zum Staatsgeheimnis erklärt.
Golubovic sagte vor dem UNO-Tribunal aus, dass er zuerst von
Djordjevic aufgefordert worden sei, "zu sehen, ob die Toten irgendwo
in der Region beerdigt werden könnten". Er habe Djordjevic schon in
der ersten Nacht der Bergung von Leichen telefonisch mitgeteilt, dass
es im Gebiet von Kladovo keine Möglichkeit für die Autopsie und
Identifizierung von Toten gebe. Danach soll vereinbart werden, die
Leichen nach Belgrad abzutransportieren.
Laut Golubovic wurden zwei LKW-Ladungen mit Leichen aus dem
Kühlwagen bis 7. April 1999 nach Belgrad befördert. Der Kühlwagen
wurde nach seinen Worten einige Tage später auf dem
Spezialpolizei-Übungsplatz unweit von Kladovo vernichtet.
Die Kühlwagenaffäre war im Mai des Vorjahres aufgedeckt worden.
Die Leichen von Opfern sollen in einem von mehreren Massengräbern
entdeckt sein, die sich auf dem Spezialpolizei-Übungsplatz in Belgrad
befanden. Ihre Identifizierung ist, soweit bekannt, noch nicht
abgeschlossen. Angeblich handelt es sich um albanische Opfer eines
Massakers aus Suvareka, unweit von Prizren.
In Serbien waren im Vorjahr mehrere Massengräber mit über 400
Leichen entdeckt worden. Der einstige serbische Innenminister
Stojiljkovic hatte im April dieses Jahres Selbstmord begangen, um der
Überstellung an das UNO-Tribunal in Den Haag entgehen. Der
Ex-Spitzenbeamte Djordjevic hatte sich im April des Vorjahres aus dem
Staub gemacht und vermutlich ins Ausland abgesetzt. Es wird gemeinhin
angenommen, dass die Führung des Innenministeriums gerade von ihm
kurz zuvor die Informationen über die Massengräber bekommen hatte.
Nach Angaben des serbischen Innenministeriums stammte die
Anordnung zur Verwischung von Kriegsverbrechenspuren im Kosovo und
zur Verbringung der Leichen der Kosovo-Albaner aus der Provinz nach
Zentralserbien von Milosevic persönlich. Der Ex-Präsident hat bisher
solche Beschuldigungen wiederholt und energisch zurückgewiesen. (APA)