Wien - Psychologisch die größten negativen Auswirkungen habe die
Jugendarbeitslosigkeit. Jugendliche, die nach ihrer Berufsausbildung
länger keinen Arbeitsplatz bekämen, könnten einen Schock bis ans Ende
ihres Erwerbslebens erleiden. Betroffen seien traditionelle
Ausbildungsberufe mit einem überproportionalen Anteil an Lehrlingen,
für die nach der Gesellenprüfung in ihrem Betrieb keine Verwendung
mehr sei und die erfolglos auf den Arbeitsmarkt drängen,
beispielsweise in der notleidenden Baubranche, aber auch in anderen
Berufen.
Zur Überbrückung schlägt Biffl vor, in den Höheren Technischen
Lehranstalten (HTL) Ausbildungsmodule anzubieten, in denen sich
Gesellen höher qualifizieren können, gegebenenfalls bis zur
Maturareife. Praktiziert werde dies bereits ansatzweise in der
Tourismusausbildung, wo Fremdenverkehrslehrlinge sich in
Berufsbildenden Höheren Schulen weiterbilden können. Wenn nur ein
Teil jener 36 Prozent aller männlichen Jugendlichen, die eine
praktische Berufsausbildung absolvieren, auf diese Weise höher
qualifiziert würden, wäre die Zeit gut angelegt, meinte Biffl.
Die stark gestiegene Zahl ausländischer Arbeitsloser (um 4.712
Personen bzw. 21,9 Prozent) sei hauptsächlich ein Problem der
Unterqualifizierung, sagt Biffl. Ausländische Jugendliche hätten oft
gar keinen Schulabschluss, da man sie mit dem Versprechen höherer
Förderung in die Sonderschulen "gedrängt" habe. "Man hat total
vergessen, dass diese Leute ja hier bleiben", so Biffl.
Verdeckte Quote über zehn Prozent
Für heuer erwartet Biffl einen weiteren Anstieg der
Arbeitslosigkeit. Wenn alle Versorgungssysteme durch veränderte
Arbeitsmarktmechanismen "ausgehöhlt" seien, schlage sich dies in
höherer Arbeitslosigkeit nieder. Wenn man die Nichterwerbsquote zu
den in der Arbeitslosenstatistik aufscheinenden "sofort verfügbaren"
Kräften dazu zähle, komme man mit der "verdeckten Arbeitslosigkeit"
in Österreich auf eine "Rate von deutlich über 10 Prozent
einschließlich den "entmutigten Arbeitssuchenden". In dieser
Situation sollte die Neuzulassung befristeter Beschäftigter aus dem
Ausland besonders zurückhaltend gehandhabt werden, sagt Biffl. Diese
Arbeitskräfte dürfen sechs Monate (mit der Option auf weitere sechs
Monate) in Österreich arbeiten, dürfen hier aber nicht sesshaft
werden.
Lehrstellenmarkt angespannt
Weiter angespannt blieb im August der Lehrstellenmarkt: Während
die Zahl der Lehrstellensuchenden zum Monatsende mit 8.489 um 4,8
Prozent über dem Wert des Vorjahres lag, sank die Zahl der beim
Arbeitsmarktservice (AMS) gemeldeten offenen Lehrstellen um 17,1
Prozent auf 3.252. Damit klafft am Lehrstellenmarkt derzeit eine
"Lücke" von mehr als 5.000 Stellen, geht aus den aktuellen
Arbeitsmarktdaten hervor.
Laut den aktuellen Arbeitsmarktdaten stieg im August nach
Altersgruppen die Arbeitslosigkeit überall: Während die
Arbeitslosigkeit der 15- bis 18-jährigen Jugendlichen mit 4.430
gegenüber dem Vorjahr nur um 6,1 Prozent oder 253 gestiegen ist,
entfällt der überwiegende Teil der Zunahme weiterhin auf die 19- bis
24-Jährigen (+5.339 bzw. +23,1 Prozent auf 28.409). Im
internationalen Vergleich der Jugendarbeitslosigkeit nehme Österreich
mit einer Quote von 7 Prozent (Wert für Juli) weiterhin eine überaus
gute Position ein, im EU-Durchschnitt betrage die
Jugendarbeitslosenquote 15,5 Prozent (Juni), betont das Ministerium.
Quote der über 60-Jährigen steigt immens
Die Arbeitslosigkeit der über 50-Jährigen ist um 5.418 (+14,3
Prozent) auf 43.213 angestiegen. Dabei nimmt vor allem die Zahl der
50- bis 54-Jährigen mit +1.081 (+5,4 Prozent) deutlich
unterdurchschnittlich zu. Die Arbeitslosigkeit der 55- bis
59-Jährigen steigt mit +3.157 (+21,1 Prozent) an. Dem steht jedoch
nach wie vor ein kräftiger Anstieg bei den über 60-Jährigen gegenüber
(+1.180 oder +41 Prozent auf 4.060), welcher neben demographischen
Faktoren auf die geänderten Zugangsbestimmungen in die vorzeitige
Alterspension und den entsprechenden Begleitmaßnahmen im
Arbeitslosenversicherungsgesetz zurückzuführen ist, so das
Ministerium.
Die durchschnittliche Dauer einer Arbeitslosigkeitsepisode ist im
August mit 112 Tagen gegenüber dem Vorjahreswert gesunken (116 Tage).
Gegenüber dem Juli 2000 ist sie sogar um 26 Tage gesunken. (APA)