Bild nicht mehr verfügbar.

Mick Jagger und Keith Richards, ein globales Wirtschaftsunternehmen namens "Rolling Stones", startet Dienstag wieder einmal eine Welttournee.

Foto: REUTERS/Peter Morgan
Boston/Wien -Wenn heute im Fleet Center von Boston, Massachusetts, die Rolling Stones wieder einmal eine möglicherweise letzte Welttournee durch Football- und Fußballstadien starten, bedeutet das nicht nur, dass mit der dienstältesten Rockband der Welt 40 Jahre Musikgeschichte in den USA und im nächsten Jahr auch in Europa auf große Gastspielreise gehen.

Anhand dieser Überlebenden einer längst untergegangenen "klassischen" Ära des Rock'n'Roll lässt sich auch festmachen, dass Subkultur entgegen vielfachen Wunschdenkens selbstverständlich auch lange schon Teil des Establishments geworden ist. Fragen sie Mick Jaggers Vermögensberater.

Mit dem Durchhaltevermögen nicht nur der Rolling Stones, sondern vor allem auch mit der Begeisterung, mit der sich heute deren Enkel, zum Beispiel gerade bei den MTV-Awards in New York umjubelte, durchaus traditionell agierende Bands wie The Hives oder The Vines noch immer auf der Suche nach Satisfaction in dieses zum Themenpark gewordene Abenteuerland zwischen Ekstase und fest geregelten Arbeitszeiten aufmachen, wird auch eines klar.

Anfang von früher

Rock'n'Roll ist nicht nur Geschichte. Geschichte wird gemacht: "What can a poor boy do, except play in a rock'n'roll band?!" Man bedenke: Laut einer statistischen Erhebung aus 1999 war der durchschnittliche Leser des STANDARD noch gar nicht auf der Welt, als die Stones am 12. Juli 1962 ihr erstes Konzert im Londoner Marquee Club gaben.

Zwischen diesem mythisch verklärten Datum vor 40 Jahren und dem heutigen Tourstart liegt eine optisch oft äußerst drastisch gestaltete Bilderbuchkarriere, die diese wichtigste kulturelle Äußerung des vergangenen Jahrhunderts vom Rotlicht-Image der kleinen Clubs befreite und in die Sportstadien trug. Zwischen der im Rock propagierten Befreiung von gesellschaftlichen Zwängen, der Hochzeit der freien Liebe und der freien Marktwirtschaft, wurden auch bald finanziell gewinnbringende Zusammenhänge hergestellt.

Mit der von Elvis Presley bewirkten Initialzündung und der von den Beatles und den Rolling Stones bald perfektionierten Aufmerksamkeitsökonomie ist das ganze Unternehmen längst Milliarden Euro schwer geworden.

Die Band ließ sich für ihre gigantomanischen Gastspielreisen zuletzt bevorzugt von Autokonzernen sponsern - und zwar nicht imagegerecht von Cadillac, sondern bezeichnenderweise von Volkswagen. Und auch Getränkefirmen von der Bierbrauerei bis zum Softdrinkhersteller stehen Schlange, um den Blues des reichen Mannes gewinnbringend für sich nutzen zu können.

Auf die Frage, was sich denn nach all den Jahren im Geschäft geändert habe, meinte Stones-Faktotum Keith Richards einmal süffisant, dass sich die Qualität der Hotelzimmer stark verbessert habe. Der Rest sei gleich geblieben.

Eine mutige Ansage, wenn man bedenkt, dass die Teilnahme des zweiten Gitarristen Ron Wood an der aktuellen Tour bis heute nicht gesichert ist. Während der Proben wurde Wood von Geschäftsmann Jagger wegen Alkoholproblemen zu einem Entzug verdonnert. "Global players" wie die Stones, die zwar vom wilden Drogenimage jahrzehntelang gewinnbringend lebten, aber heute nur mehr vom Image und nicht dem Stoff selber zehren wollen, vertragen keine Unsicherheiten.

Als Ersatz soll Exgitarrist Mick Taylor bereit stehen. Ein ausgezeichneter Musiker, der nach dem Drogentod von Brian Jones 1969 bei den Stones bis Mitte der 70er-Jahre diente, aber wegen seines braven, ja, unspektakulären Auftretens dann von Saufbold Ron Wood abgelöst wurde.

Rock'n'Roll in Zeiten der Globalisierung ist Geschichte. Und diese kann zur Farce werden. Ob die Rolling Stones künstlerisch noch immer relevant sind, mögen ganze vier, Ende September erscheinende neue Songs klären. (DER STANDARD, Printausgabe, 3.9.2002)