Für Michael Maier endete das Match unentschieden. Resümee des Chefredakteurs der "Netzeitung": Auf das Wahlverhalten wird sich dieses Duell nicht entscheidend auswirken, es war eher langweilig, weil beide versuchten, staatstragend zu agieren und es natürlich allen recht machen wollten. Was jedoch überraschte: Schröder schien durch die neuesten Umfragen etwas überheblich geworden zu sein. Er hat Stoiber unterschätzt. Dieser hatte seine in den vergangenen Wochen wiederholt gezeigten Unzulänglichkeiten (Stottern, Versprecher, Äh-Orgien, zusammenhangloses Zeug) weitgehend abgelegt und agierte kämpferisch, ohne allzu sehr zu eifern.

Dies bedeutet: Für die nächste Runde können sich beide steigern. Schröder dürfte gewarnt sein. Stoiber kann noch zulegen, was die Lockerheit anbelangt.

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Auch Jürgen Leinemann ist im "Spiegel Online" aufgefallen, dass der Herausforderer nicht gestottert hat, aber auch das:

Edmund Stoiber funktionierte exakt nach den Anweisungen seiner Berater, nur ja nicht mit dem Zeigefinger in die Kamera zu pieken, dafür etwas mehr zu lächeln. Das tat Stoiber so ausführlich, dass er nicht einmal an delikaten Stellen sein Lächeln abschaltete. Allerdings: An diesem Abend hatte auch Schröder seinen Charme gedrosselt und sich voll hinter seiner staatstragenden Rolle als Bundeskanzler versteckt. Die Folge war, dass beide Kandidaten bis zur Unkenntlichkeit verstellt wirkten. Selbst wenn sie einander "die Unwahrheit" oder "Unsinn" vorwarfen, taten sie das mit dem Tonfall von Nachrichtensprechern, die Börsenkurse verlesen.

Letzte Eintragung: Stoiber, der in der Sache dieselben Schwerpunkte setzte, verläpperte sich in seinem Schlusswort in zu viele Einzelheiten. Seine Aussage "Deutschland ist ein großartiges Land" kam nach den vielen geschilderten Düsternissen ein wenig überraschend. Sein Lächeln nicht.

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Apropos "locker": Der Onlinechronist der SZ bemüht sich um authentische Nachzeichnung der Spannungsbögen: Eine fade Geschichte ist das. Duell? Da hat die ganze Nation wochenlang auf einen deftigen Schlagabtausch gewartet, und nun laufen die beiden endlich los, mit den Pistolen in der Hand, und keiner sagt ihnen, dass sie sich mal umdrehen und aufeinander schießen müssen . . . Hoppla, jetzt geht's ja vielleicht doch los: Schröder sagt, er muss jetzt mal was zu Stoibers Wortschwall sagen, durchbricht die Choreografie und wirft Stoiber vor, die Staatsverschuldung hochtreiben zu wollen . . .

Letzte Frage: Das Wichtigste: Schröder: Friedliche Rolle in der Welt. Arbeitslosigkeit. Solidarität, durch Flutkatastrophe bewiesen. Stoiber: Deutschland großartig. Bevölkerung großartig. Wachstum . . . Schluss: Schröder geht auf Stoiber zu, handshaking. Stoiber, griffelinswamssetzend, ab.

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Zu diesem Zeitpunkt hat sich der Beobachter der FAZ.Net aber offensichtlich bereits Bettruhe verordnet:

Nach dem Ende gehen Stoiber und Schröder ohne Blick, ohne Händedruck und ohne Wort auseinander. (DER STANDARD, Printausgabe, 27. 8. 2002)