Wien/Neu Delhi/Genf - Indien startet nach Angaben der in der Schweiz ansässigen Nachrichtenagentur NucNet mit dem Bau eines kommerziellen 500-Megawatt-Prototypen eines Schnellen Brüter. Der Reaktor, der auf der Basis von Thorium arbeitet, soll Ende 2008 fertig gestellt und Anfang 2009 von den Sicherheitsbehörden genehmigt werden. Falls das Projekt verwirklicht wird, wäre Indien die erst zweite Nation der Welt mit einem in Betrieb befindlichen kommerziellen Schnellen Brüter. Bisher war die Entwicklungsgeschichte dieses AKW-Typs nicht eben von Erfolg gekrönt: Das Vorzeigeprojekt, der französische Superphenix, wurde 1998 nicht nur aus politischen, sondern vor allem auch aus wirtschaftlichen Gründen außer Betrieb genommen. Ein kommerzieller Prototyp im japanischen Monju ist zwar 1995 ans Netz gegangen, wegen eines Lochs im Soda-Kühlkreislauf aber bereits kurze Zeit später wieder abgeschaltet worden. Einzig im russischen Belojarsk ist derzeit ein Schneller Brüter in Betrieb: Der BN-600 wurde bereits 1981 gestartet und arbeitet - nach offiziellen Angaben - seither erfolgreich. Klein geübt ... Der indische Schnelle Brüter wird laut NucNet im Indira Ghandi-Centre for Atomic Research in Kalpakkam gebaut. Dort steht auch der wesentlich kleinere Prototyp mit 40 Megawatt Nennleistung, der 1985 kritisch gemacht und erst 1997 erstmals ans Netz geschaltet wurde. Die Erfahrungen mit dieser Anlage sollen nun für den kommerziellen Prototyp genutzt werden. Insbesondere haben die indischen Atomfachleute den Angaben zufolge bisher sehr viel Wissen im Bereich der Kühlung des Reaktors mittels Soda gewonnen. Der neue Schnelle Brüter wird als Brennstoff eine Mischung aus Plutonium und Uran-Oxiden verwenden und repräsentiert damit Stufe zwei der insgesamt drei Schritte auf dem indischen Weg vom Uran-abhängigen zum Thorium-basierten nuklearen Brennstoffkreislauf: In Stufe eins werden Schwerwasser-Druckreaktoren verwendet, die aus natürlich vorkommendem Uranbrennstoff Plutonium "erzeugen". In Stufe zwei verwandeln Schnelle Brüter wie jener in Kalpakkam unter Verwendung von Plutonium als Brennstoff das Element Thorium 223 in Uran 233. Das Während Thorium nicht spaltbar ist, kann das erzeugte Uran 233 wiederum als Nuklearbrennstoff eingesetzt werden, was die dritte Stufe des Nuklearkreislaufs darstellt. Thorium versus Uran Thorium gibt es in der Natur wesentlich häufiger als Uran, ein Brennstoffzyklus auf der Basis dieses Elements produziert auch weniger Plutonium als beim Einsatz von Uran. Dem Bericht zufolge müssen die indischen Atomtechniker freilich noch ziemlich viel Entwicklungsarbeit leisten, bevor der Thorium-Brennstoffkreislauf kommerzialisiert werden kann. Die meisten Staaten haben bisher entschieden, sich solange nicht näher mit der Thorium-Variante zu befassen, als es genug Uran-"Nachschub" und damit auch eine relativ kostengünstige Versorgung mit Nuklearbrennstoffen gibt. (APA)