Wien
Der letzte Wiener Fährmann übersiedelt
Ein Fußgängersteg soll die bunte Rollfähre am Donaukanal ersetzen - In Zukunft Schiffs- verbindung zwischen Alsergrund und Brigittenau
Wien - Dort, wo jetzt der letzte Wiener Fährmann den
Donaukanal quert, soll schon bald eine moderne Fußgängerbrücke die
beiden Ufer verbinden. Der 47-jährige Josef Kerschbaumer muss mit
seiner Rollfähre - zumindest von diesem Standort - weichen. Sein
neuer Anlegeplatz befindet sich auf Höhe der Glasergasse am
Alsergrund. Von dort wird er in Zukunft in Richtung Brigittenau
ablegen. Seit zwölf Jahren betreibt Kerschbaumer die Stromfähre über den
Donaukanal. Das bunt angemalte Boot ist derzeit die einzige
Möglichkeit, im Bereich der Haidingergasse in Erdberg den Donaukanal
zu überqueren. Die Fahrt dauert etwa eine Minute und ist äußerst
preiswert: Der Fährmann lässt seinen Kunden die Wahl, wie viel ihnen
das Service Wert ist. Als Richtpreis ist am Boot der Gegenwert für
ein Kilo Brot angegeben - für Kinder veranschlagt Kerschbaumer sogar
nur ein Gebäck. Von den Fahrten allein kann er seinen Lebensunterhalt
allerdings nicht bestreiten, daher veranstaltet der Schiffer
regelmäßig Feste auf dem Boot.
"Traurig"
Dass er jetzt einer Brücke weichen soll, findet der 47-Jährige
nach so langer Zeit "schon traurig". Schließlich transportiere die
Fähre bei der Haidingergasse schon seit über 100 Jahren Passagiere
von Erdberg in die Leopoldstadt. Seine Route sei zwar per Wasserrecht
vor Konkurrenz - dazu zählen auch Brücken - gesichert. Er könnte mit
seinem Widerstand den Brückenbau also ohne weiteres verhindern. Nach
"langem Drängen" von Seiten der Stadt will er sich der Neuerung aber
beugen: "Ich verzichte beinhart."
Als Gegenleistung durfte er sich eine alternative Anlegestelle
aussuchen. Kerschbaumer entschied sich für den Abschnitt im Bereich
der Glasergasse am Alsergrund. Perfekt sei es dort zwar nicht,
schließlich befinden sich innerhalb von 200 Metern flussauf- und
-abwärts gleich zwei Brücken, sagte der Fährmann. "Da werde ich
wahrscheinlich ein Wirtshaus aus der Fähre machen müssen, um
überleben zu können." Den schönen Ausblick auf den grünbewachsenen
Flussarm in Erdberg werde er auf jeden Fall vermissen.
Tür zu - Fenster auf
Ab Herbst wird mit den Bauarbeiten für den Steg begonnen, sagte
Brückenbaukoordinator Walter Hufnagel. Die
Verlegung der Fähre müsse daher "bald sein, weil wir sonst den Bau
nicht vorbereiten können." Insgesamt werde das Bauwerk, laut Hufnagel
"eine moderne Holz-Leimbauweise", rund 1,6 Millionen Euro kosten. Die
Umsiedlung des Fährmanns, die die Stadt zahlt, ist dabei inbegriffen.
Man warte nur noch die Unterzeichnung der Verträge ab.
Wie lange Kerschbaumer sein buntes Gefährt noch durchs vertraute
Wasser schiffen wird, weiß er selbst auch nicht genau. Er habe zwar
bereits der Umsiedlung zugestimmt, unterschrieben sei aber noch
nichts. Obwohl die Zukunft seines Geschäfts eher ungewiss ist, bleibt
er trotzdem optimistisch: "Wo eine Tür zugeht, geht oft ein Fenster
auf." (APA)