Bild nicht mehr verfügbar.

Nehmen wir einmal an,

dass - zumindest bis vor kurzem - niemand daran dachte, ein süßes Auto auf den Markt zu bringen. Süß nannten wir ein Auto immer erst, wenn es vom Ballast temporärer Nützlichkeit durch fortgeschrittene Reife befreit war (Citroen 2CV).

foto: archiv

Bild nicht mehr verfügbar.

Manche Autos

kommen überhaupt erst in ihrem zweiten Leben zur Ehre, als süß bezeichnet zu werden (VW New Beetle). Doch davon später. Wir sind also bereits mittendrin im Thema. Süße Autos sind Luxus, der aber den Vorteil hat, dass er sich nicht über den Reichtum seines Besitzers definiert, sondern eher über dessen noble Bescheidenheit, oftmals sogar über Verzicht.

foto: archiv

Bild nicht mehr verfügbar.

Bevor wir auf das Design zugehen,

noch einige Aspekte, die das süße Auto beschreiben. Süße Autos sind "billige" Autos: Niemandem würde einfallen, ein sehr teures Auto als süß zu bezeichnen. Sobald eine gewisse Dimension der Ernsthaftigkeit auftaucht, ist es aus mit süß. Und ein hoher Preis ist immer eine sehr ernste Sache. Doch wie bei jedem anderen Denkansatz gilt, dass der Umkehrschluss nicht gilt. Denn billig ist noch lange keine Garantie für süß. Im Grunde ist es mit den süßen Autos so wie mit gutem Konfekt: sauteuer, kostet aber weniger als ein Haus und ist somit für die meisten bezahlbar.

foto: archiv

Bild nicht mehr verfügbar.

Apropos Ernsthaftigkeit:

Sobald ein Auto mehr als vier Zylinder hat, ist es auch nicht mehr süß. Dann ist es zu konzentriert auf seine Leistungsfähigkeit, vulgo Männlichkeit. Sobald Muskeln statt Fettpölsterchen hervortreten, ist all das Niedliche, das Herzige verpufft.

foto: archiv

Bild nicht mehr verfügbar.

Als die fünfköpfige Familie Huber 1966

mit dem Puch 500 zum ersten Mal nach Italien auf Campingurlaub fuhr, fand den Puch 500 niemand süß. Heute ist er ein regelrechtes Zuckerl unter den Veteranen.

foto: archiv

Bild nicht mehr verfügbar.

Als der Autor dieser Zeilen 1978

den VW Käfer seiner Mutter waghalsig durch das Mühlviertel prügelte, wäre ihm niemals der Gedanke gekommen, er hätte ein süßes Auto unter dem Hintern. Heute, da der Käfer keinen Alltag mehr bestreiten muss, wird er gerne als süß betrachtet. Auch die 2CV-Käufer von damals hatten weiß der Teufel welche Assoziationen, nur nicht die mit süß. Er war das Symbol für den Anarchismus langhaariger pragmatisierter Nebenberufskünstler, etwas, das nun wirklich mit süß nicht in Verbindung gebracht werden kann.

foto: archiv

Eines darf freilich nicht übersehen werden:

Gar so romantisch war es in Wirklichkeit ja nicht, einen 2CV, Käfer oder Puch 500 zu fahren, eigentlich war es die reinste Plag' gegenüber heute: schlechte Heizung, lauter Motor, wenig Power. Die heutige Sicht ist romantisch vernebelt. Woran kann es also liegen, dass Autos süß sind, oder - wie in den meisten Fällen - wenigstens im Laufe ihres Lebens süß werden?

foto: werk

Bild nicht mehr verfügbar.

Ein süßes Auto ist immer weiblich oder sächlich,

aber niemals männlich. Damit scheiden alle Autos aus, die eine überlange Motorhaube oder viel zu viel PS zeigen. Süße Autos sind immer auch irgendwie rundlich, man denke an den alten Mazda 121 mit dem runden Popsch. Süße Autos sehen fast immer aus, als hätte sie der Wind gelutscht.

foto: archiv

Bild nicht mehr verfügbar.

Was aber nicht heißt,

dass nun jedes Auto, das rundlich ist und einen dicken Hintern hat, irgendwann im Leben einmal die Chance bekommt, süß zu werden, man denke nur an den Ford Sierra.

foto: archiv

Bild nicht mehr verfügbar.

Süß hat also durchaus mit Formensprache zu tun,

denn kantige Autos werden nie süß. Ein bisschen Kindchenschema, ein bisschen Weibchenschema muss schon mitschwingen. Ohne eine Portion Pausbäckigkeit, ohne kleine Höcker und ohne knackigen Hintern scheint es nicht zu funktionieren. Nach diesem Bogen über die Geschichte der süßen Autos kommen wir nun zur Gegenwart.

foto: archiv

Süß als zentrales Argument,

um beim Publikum Begeisterung hervorzurufen, ist erst aufgekommen, als die Autoindustrie begann, jede Nische auszufüllen. Süß als vorsätzlich definierte Marktnische ist eigentlich erst mit der Retrowelle aufgetaucht. Erst mit dem New Beetle, ...

foto: werk
foto: werk

... des Chrysler PT Cruiser

kamen Autos auf die Welt, deren hervorragende Eigenschaft keine technische, sondern lediglich eine emotionale, also geschmackliche Dimension hat: süß.

foto: werk

Der Beetle (weiblich) ist nicht nur süß, weil er rund ist,

er besitzt diese Sündhaftigkeit von guter, fein verpackter Schokolade. Aufs Autofahrerische übersetzt: Zum Preis von einem Golf bekommst du die Fahrleistungen und die Sicherheit von einem Golf, doch der ganze Rest ist reinste Verschwendung. Er ist in böser Absicht schrecklich unpraktisch. Der Rest wurde - l'art pour l'art - einfach mit dem Kurvenlineal rund um Insignien eines längst vergangenen Wirtschaftswunders herumgezeichnet wie Wackeldackel und Plastikblumenvase.

foto: werk

Der Mini (sächlich) ist auch süß,

aber eigentlich ein schwerer Betrüger. Schaut drein, als könnte er niemandem etwas zuleide tun und ist jetzt in einer 163-PS-Version auf den Markt gekommen und damit der wohl am besten getarnte, echte Sportwagen aller Zeiten. Das Rezept dahinter ist einfach:

foto: werk

Seit Jahrzehnten hochgelobte,

rational unsinnige Details (Tacho in der Mitte, affenartige Sitzposition) werden neu kombiniert - ohne Optimierung, ohne Rücksicht auf heutiges ergonomisches Basiswissen.

foto: werk

Die süßen Autos

sind also zu einem Marktsegment geworden wie Minivans und Geländewagen, doch während die einen sich dadurch auszeichnen, dass sie irgendwas ganz besonders gut können - etwa kraxeln oder einen Schulbus ersetzen - zeichnen sich die süßen Autos dadurch aus, dass sie eher ein bisserl patscherter sind als der große Rest. (Rudolf Skarics, RONDO, 19.7.2002)

montage: derstandard.at