Auf der Straße wird man dieses Schuhungetüm eher selten sehen. In der Frühjahrskollektion von Prada ist es aber ein Blickfang - und Teil eines breiten Japonismus-Trends.

Foto: Prada

Es mag ein Zufall sein: Noch bis Mitte März ist in der Pinakothek Paris neben Vincent van Gogh der japanische Künstler Utagawa Hiroshige ausgestellt. Das natürlich nicht ohne Grund. Wie einige andere europäische Künstler hat sich der Niederländer van Gogh in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von den Farbholzschnitten des Japaners beeinflussen lassen.

Aktuell scheint dem Reiz der japanischen Kultur auch wieder einmal die Modewelt verfallen zu sein. Im September letzten Jahres, zwei Wochen vor der Ausstellungseröffnung in der Pariser Pinakothek, hatte Miuccia Prada in Mailand ihre neueste Modeidee für diesen Frühling vorgeführt. Und weil in der Branche sehr ernst genommen wird, was sich das italienische Modeunternehmen ausdenkt, wird Saison für Saison genau hingeschaut. Sogar dann, wenn wieder einmal ein Recycling des im Westen populären Geisha-Motivs ansteht. In Mailand schritt die Geisha-Version für 2013 über den Laufsteg - auf Plateau, versteht sich. Den Models wurden beschleifte Geta-Sandalen angelegt - und zwar stilecht in silbernen Tabi-Söckchen mit separatem großen Zeh. Dafür, dass die Kollektion nicht den Mief eines Kostümfundus, sondern zeitgemäße Coolness ausstrahlte, sorgten Details wie roter Nagellack auf den Fußnägeln und knallrot bepinselte Münder.

Das Phänomen "Japonisme"

Keine Frage, der Japonismus, 1872 erstmals von dem französischen Kunstkritiker und -sammler Philippe Burty mit dem Begriff "Japonisme" erfasst, erfährt aktuell einen munteren Wiederaufguss. Das Phänomen ist allerdings alles andere als neu: Das Fremde wie Exotische vom anderen Ende der Welt galt in den westlichen Großstädten Paris oder London ab den 1850er-Jahren als der letzte Schrei. Nach der gewaltsamen Öffnung Japans für den internationalen Handel sorgten vor allem die Weltausstellungen für die Verbreitung von japanischem Kunsthandwerk und Holzschnitten. Mit als Erste entdeckten dabei in Europa Intellektuelle und Künstler das Unbekannte für sich. Traditionelle modische Motive hielten als begehrenswert exotische Objekte Einzug auf die Leinwände. Die Maler Monet, Renoir und Whistler setzten in ihren Bildern die Blumenmuster japanischer Kimonos detailverliebt in Szene.

Kein Wunder, dass die Modemagazine Schritt halten wollten. Die zeigen sich fasziniert vom "japanischen Stil", um die Jahrhundertwende wurden "le kimono" und "à la japonaise" zu geflügelten Beschreibungen in Modejournalen. Die Japan-Begeisterung kannte insbesondere in Paris keine Grenzen: Im Cabaret Le Divan Japonais in Montmartre bedienten Kellnerinnen im Kimono, Émile Zola notierte, dass in den 1860er-Jahren Pariser Kaufhäuser sogar japanische Schirme verkauften. Das Geschäft mit der Exotik brummte, das Modehaus Babani importierte Kimonos aus dem fernen Inselstaat und schaltete in einem französischen Magazin von 1904 bis 1906 ganze Anzeigenkampagnen mit Schauspielerinnen und Sängerinnen im Kimono.

Welchen Einfluss die "Kimono-Manie" auf die europäische Damenmode hatte? Das mag der Modemacher Paul Poiret illustrieren, der ab 1903 seine körperfern geschnittenen Kimono-Mäntel produzierte. Er verzichtete immerhin auf das einengende Korsett, nur ein Hüftgürtel sollte unter seinen taillenlosen Kleidern getragen werden. Vergleichsweise kurze Zeit später galt das gummielastische Korsett aber erstaunlicherweise wieder als das adäquate Untendrunter für figurbetonte Kleidung. Gleichzeitig erlahmte das Interesse an traditionellen japanischen Bekleidungsstücken in Europa spätestens in den 1930er-Jahren.

"Three Big Japanese"

Dafür stellte in den 1970ern eine Reihe japanischer Designer die etablierte westliche Modewelt von Paris aus auf den Kopf: erst Kenzo Takada, später dann Issey Miyake, Yohji Yamamoto und Rei Kawakubo. Sie erfuhren in der französischen Hauptstadt einerseits stürmische Begeisterung, andererseits Ablehnung für ihre Mode, die sich dem Aufputz verweigerte. Und während hinsichtlich der Rezeption europäischer oder amerikanischer Designer meist die individuelle Designleistung im Vordergrund stand, wurden Miyake, Yamamoto und Kawakubo in den westlichen Medien gemäß ihrer Herkunft als "Three Big Japanese" kategorisiert.

Und heute? Arbeiten sich europäische Designer immer wieder an Kimono und Co ab - häufig allerdings auf recht stereotype Weise. Gareth Pugh steckte seinen Models Stäbchen in die straff zurückgezogenen Haare, die halsfernen Schnitte seiner schwarzen Lederjacken erinnern an Kimono und Judo-Jacke. Bei Etro halten Stoffgürtel lockere Blusen mit weiten halblangen Ärmeln im Kimono-Stil im Zaum. Das französische Modehaus Lanvin bevorzugt hingegen den subtilen Einsatz von Kimono und Origami-Falttechnik Seite an Seite mit Smokingelementen: Es muss ja nicht immer eine Geisha den Laufsteg unsicher machen. (Anne Feldkamp, Rondo, DER STANDARD, 01.03.2013)