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Während Silvio Berlusconi im Wahlkampf eine solide Performance ablieferte, muss sich Mario Monti (re.) überlegen, ob er sich mit dem Abstieg in die Niederungen der Parteipolitik nicht einen Bärendienst erwiesen hat.

Foto: Reuters /Alessandro Bianchi
Graphik: Standard

Am Wochenende wird in Italien gewählt. Die Aufmerksamkeit gilt vor allem zwei Populisten: Beppe Grillo und Silvio Berlusconi. Der Erfolg des Komikers steht bereits fest, das Comeback des Ex-Premiers ist hingegen ungewiss.

Avviso importante" steht auf dem Kuvert, das neun Millionen Italienern diese Woche ins Haus flatterte. Worum es bei der "wichtigen Mitteilung" geht, ist auf dem Umschlag deutlich zu lesen: "Rückerstattung der Immobiliensteuer 2012." Absender: Silvio Berlusconi.

Mit einem unverfrorenen Schachzug geht der große Populist wenige Tage vor der Wahl auf Stimmenfang, denn die Rückzahlung dieser ungeliebtesten aller Abgaben, für die jede finanzielle Deckung fehlt, ist nichts weiter als ein Köder für unbedarfte Wähler. Dass der Bluff aber funktionieren könnte, bewiesen die vielen Pensionisten, die in den Postämtern und bei Steuerberatern Schlange standen, um ihre Antragsformulare abzugeben. Ein begnadeter Verkäufer war Berlusconi schon immer, das Kleingedruckte hat ihn noch nie interessiert.

Doch der Cavaliere war nicht der einzige Populist in diesem öden Wahlkampf der Monologe, der am Freitagabend offiziell zu Ende ging. Auch Beppe Grillo, der eine jahrzehntelange Karriere als Komiker vorzuweisen hat, beherrscht sein Metier bravourös. Mit seiner Fünfsterne-Bewegung kann er eine Hundertschaft römischer Parlamentarier mit deren lauer Disziplin und byzantinischem Regelwerk ganz mühelos lahmlegen.

"Ergebt euch, ihr seid vom italienischen Volk umzingelt", brüllt Grillo, der seine Kampagne unter den Titel "Tsunami" geführt hat, auf dem riesigen und dennoch restlos überfüllten Mailänder Domplatz. Mit auf dem Podium sind zwei Kultfiguren der italienischen Kulturszene: Dario Fo, seines Zeichens Theaterautor, Regisseur, Satiriker und Literaturnobelpreisträger 1997, und Adriano Celentano, raubeiniger Charmeur, Musikstar, Schauspieler und Showmaster.

Berlusconi und Grillo: Der eine verkörpert die hinlänglich bekannte Seite der italienischen Politik mit ihrer Vernetzung von Parteienwirtschaft, Postenschacher und Stimmenkauf. Der andere träumt lautstark von der Macht der Bürger und von einer Radikalkur für das kränkelnde politische System. Zwei Populisten, die die politische Szene aufmischen und alle potenziellen Gegner vor sich hertreiben.

Pier Luigi Bersani, Spitzenkandidat des linken Partito Demo cratico und wahrscheinlich der nächste Premier, hat im lautstarken und oft inhaltsleeren Getümmel Mühe, der Stimme der Vernunft Gehör zu schaffen.

Und Mario Monti weist trotz Dauerpräsenz in den Medien nur dürftige Umfragewerte auf. Mit professoraler Rhetorik drückt sich der amtierende Premier vor Koalitionsaussagen, das spröde Charisma des katholischen Einzelkämpfers stößt auf wachsende Skepsis. Noch dazu erteilten Berlusconi und Bersani Montis Forderung nach einem TV-Duell eine kühle Absage.

Der aggressive Wahl kampf mit Gehässigkeiten und zahlreichen Schlägen unter die Gürtellinie ödet schon längst einen Großteil der politikverdrossenen Italiener an. Die Einschaltquoten bei den Talkshows und ihren Monologen sind drastisch gesunken. Die Bevölkerung sehnt sich nach Normalität – und diese lieferte ihnen das öffentlich-rechtliche Fernsehen vergangene Woche ins Haus: Bis zu 15 Millionen verfolgten an fünf endlosen Abenden das schmalztriefende Schlagerfestival von San Remo – eine melodische Aufwallung der nationalen Seele, die Alt und Jung einträchtig vor dem Bildschirm vereinte. Und zwar politikfrei. Folgerichtig wurde der Komiker Maurizio Crozza bei seiner Berlusconi-Imitation ausgepfiffen.

Dass am Schluss unter den Siegern zwölf Männer, aber keine einzige Frau am Podium standen, konnte die Jubelstimmung nicht trüben. Und doch war das ein unbeabsichtigtes Spiegelbild der Politik: Auch im Wahlkampf buhlt eine reine Männerriege um die Gunst der Italiener. Daniel Harding dirigierte dazu das glitzernde Festival-Orchester zum 200. Geburtstag von Giuseppe Verdi.

In Parma, der Geburtsstadt des Komponisten, bot sich unterdessen ein weniger glanzvolles Schauspiel, das aber symptomatisch für die Misere des Landes ist: Vor dem Sportpalast drängten sich 600 Bewerber um 35 Jobs bei der Fastfood-Kette McDonald's, darunter zahlreiche Akademiker. Monatslohn: karge 500 Euro. (Gerhard Mumelter aus Rom /DER STANDARD, 23.2.2013)