Graz - Die europäische Industrie ist, um auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu sein, auf Forschung, Entwicklung und Mut für das Neue angewiesen. "Wer unbekanntes Gelände betreten will, muss auch eine gewisses Bereitschaft zum Risiko mitbringen, das gilt auch für die Forschung", ist der deutsche Physik-Nobelpreisträger Johannes Georg Bednorz überzeugt. Der Keynote-Speaker auf der am Mittwoch eröffneten Europäischen Rohstoffkonferenz EUMICON vermisst diese Risikobereitschaft zunehmend sowohl in der europäischen Forschung als auch in der Industrie, wie er im Pressegespräch am Dienstagabend schilderte.

Sie folgten kühn ihrer Intuition, ließen sich auf ein Unterfangen mit ungewissem Ausgang ein und verfolgten hartnäckig ihre Idee: Das brachte die beiden Forscher Karl Alexander Müller und Johannes Georg Bednorz 1986 auf die Spur eines neuartigen Hochtemperatursupraleiters in Keramiken aus Kupferoxiden, der widerstandslosen Stromfluss bei weitaus höheren Temperaturen als bisher ermöglicht. Das Nobelkomitee würdigte Müller und Bednorz schon ein Jahr nach ihrer Entdeckung. Ihren damaligen Erfolg führt Bednorz nicht zuletzt auf die Bereitschaft zurück, Neuland zu betreten und Versagensängste über Bord zu werfen. "Was heute in der europäischen Forschung fehlt, ist auch die Zeit, etwas Außerordentliches zu probieren, auf Entdeckungsreise zu gehen", konstatierte der Nobelpreisträger. Im Vergleich zu den 1980er-Jahren gebe es für die risikoreichere und langfristig angelegte Grundlagenforschung auch von der Industrie zunehmend weniger Freiraum.

In der Schule muss es beginnen

Eine große Herausforderung für die globale Konkurrenzfähigkeit des Forschungs- und Wissenschaftsstandortes Europa sei es heute auch, bei jungen Leuten das Interesse an Naturwissenschaft und Technik überhaupt zu wecken: "Die jungen Talente müssen stärker gefördert werden. Das fängt in der Schule an - bei den Schülern und auch bei den Lehrern: Es muss Lehrer geben, die die Schüler für das Fach begeistern", so Bednorz. Grundlegend sei es, die Kreativität der Schüler zu fördern und die Risikobereitschaft in richtige Bahnen zu lenken.

Dass die Naturwissenschaften und Ingenieurstudien in der Beliebtheitsskala der Schüler im unteren Bereich rangieren, bereitet auch Andreas Gerstenmayer, CEO des Leiterplattenspezialisten AT & S mit Headquarter in Leoben-Hinterberg, Sorgen: "Wir haben zu wenig Nachwuchs im Bereich Naturwissenschaft und Technik", schilderte er im Vorfeld der Rohstoffkonferenz EUMICON. Von der österreichischen Politik wünscht er sich Infrastruktur, "in der die jungen Leute gerne forschen", Basisforschung müsse finanziell stärker gefördert und der Transfer von der Grundlagenforschung in die industrielle Umsetzung verbessert werden. (APA, derStandard.at, 19. 9. 2012)