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Der Trend, der aus der Kälte kam: Mammut-Stoßzähne als Schmuckmaterial

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Aufwändige Scrimshawarbeit aus Mammut-Elfenbein

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Hongkong - Gab es in den 1950er Jahren noch Millionen von Elefanten in Afrika, war ihr Bestand rund vierzig Jahre später auf nur noch rund 600.000 Tiere geschrumpft. Zu ihrem Schutz wurde 1989 der internationale Handel mit Elfenbein fast ausnahmslos verboten. Eine Berufsgruppe schien damit plötzlich vor dem Nichts zu stehen - doch vielgleisig, wie der Mensch im Gegensatz zu den meisten Tierarten nun einmal agieren kann, wurde auch für diese Randerscheinung des lange erarbeiteten Tierschutzerfolgs eine Lösung gefunden: Mammut-Stoßzähne.

Im ewigen Eis Sibiriens sind tausende Tonnen von Mammut-Stoßzähnen konserviert, meistens von den bekannten Wollhaarmammuts stammend, obwohl diese Spezies evolutionär gesehen ein vergleichsweise kurzes Gastspiel auf Erden gab. Rohmaterial liefern sie genug: Mammut-Stoßzähne wurden etwa einen Meter länger als die von Afrikanischen Elefanten - die von Asiatischen Elefanten sind noch einmal wesentlich kürzer.

Von kleinen Figurinen bis zu meterlangen Artefakten

Auf Hongkongs Märkten stammt das kunstvoll verarbeitete Elfenbein mittlerweile größtenteils von Mammut-Stoßzähnen. "Ich habe Holz ausprobiert, Stein, Nilpferdzähne und auch Mammut-Stoßzähne", sagt Meister Chu Chung Shing von der renommierten Elfenbein-Schnitzerei Prestige Crafts. Sechs Jahre nach dem Verbot habe er sich dann endgültig für Mammut-Elfenbein als Ersatz entschieden, erzählt er. Bei den Elfenbein-Kennern habe es allerdings eine Weile gebraucht, bis sie sich für das neue Material aus dem ewigen Eis begeistern konnten, sagt Chu: "Das Elfenbein von Elefanten schätzten alle, Mammut-Elfenbein weniger. Es war eine ganz schöne Herausforderung, meine Kunden von seinem Wert zu überzeugen."

Chus Geschäft brummt wieder. Allein auf dem chinesischen Festland beschäftigt er 160 Schnitzer, in seinem Geschäft auf Hongkongs Antiquitätenmeile gehen bis zu 3,5 Meter lange Schnitzskulpturen für umgerechnet 775.000 Euro über den Ladentisch. Auch ein paar Türen weiter steht bei Cho's Art Crafts ein spektakulärer Mammut-Stoßzahn mit aufäendigen Tierschnitzereien für knapp 300.000 Euro im Schaufenster. Inhaber Amy Wong arbeitet seit zehn Jahren mit Mammut-Elfenbein, er beschäftigt 90 Schnitzer.

In Hongkong fertigten die Zollbehörden im vergangenen Jahr nach offiziellen Angaben 21 Tonnen Mammut-Elfenbein ab, in den zwei Jahren davor waren es 70 Tonnen. Mehr als 90 Prozent kamen nach Angaben von Händlern aus der arktischen Tundra Russlands, der Großteil war zwischen 10.000 und 40.000 Jahre alt.

Schattenseiten

Ohne Frage ist es besser, Körperteile einer ausgestorbenen Spezies zu verwenden als solche von einer, die man dadurch erst an den Rand des Aussterbens bringt. Aber auch der Trend zum Mammut hat seine Schattenseiten: Forscher warnen, mit der Ausbeutung der Vorkommen von fossilem Mammut-Elfenbein gingen wissenschaftliche Daten unwiederbringlich verloren. "Das Mammut-Elfenbein ist eine absolut nicht erneuerbare Ressource, und es wird vom kommerziellen Handel teilweise dezimiert", sagt Dan Fisher von der University of Michigan.

"Ein Stoßzahn speichert Informationen über ein ganzes Leben, so wie ein Baumstamm vom Leben eines Baumes berichten kann", sagt er. Stoßzähne könnten Geschlecht, Alter, Todeszeit und Ernährungszustand der Tiere verraten, aber auch spezielle Umweltbedingungen wie Temperaturen und Niederschläge. "Sie sind ein mächtiges Datenreservoir über die Erdgeschichte und die Geschichte des Ökosystems", sagt Mammut-Experte Fisher. "Diese Informationen können wir auch nutzen, um uns Gedanken zum Klimawandel und der Artenvielfalt zu machen."

Tierschützer wiederum befürchten, dass der Handel mit Mammut-Elfenbein den Schmuggel illegaler Elefanten-Stoßzähne tarnen könnte. Hongkongs Zollbehörden versichern jedoch, bislang habe es keine Betrugsfälle gegeben. "Die beiden Elfenbein-Arten lassen sich relativ leicht voneinander unterscheiden," sagt Richard Thomas von der Vereinigung gegen illegalen Wildtierhandel TRAFFIC. "Es hat mit den Schreger-Linien im Elfenbein zu tun." Diese sorgen für die Maserung des Elfenbeins und lassen sich bei den beiden Elfenbeintypen gut unterscheiden. (APA/red)