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Der Vollrausch sei "passiert" , sagen knapp 60 Prozent der befragten Jugendlichen am Tag nach dem Totalabsturz

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Es war das Unwort des Jahres 2007: "Komasaufen" . Eine österreichweit einmalige Untersuchung belegt aber jetzt, dass Befürchtungen, die Jugend drohe im Alkopop-Meer zu ertrinken, offensichtlich unbegründet sind - Von Markus Rohrhofer

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Linz - Österreichs Jugend lebt seit gut zwei Jahren mit dem Ruf, dass sie gerne pipperlt, bis die Lichter ausgehen. Anfang 2007 schlugen Mediziner erstmals Alarm, dass sich die Notfallambulanzen zunehmend mit schwer alkoholisierten Jugendlichen füllen würden. Von einer Steigerung von bis zu 140 Prozent war die Rede und der Aufschrei in Politik, Ärzteschaft und Medien war groß.

Zwei Jahre später wurde jetzt die österreichweit erste Studie zu Alkoholvergiftungen bei Kindern und Jugendlichen durchgeführt. Mit einem angesichts der großen Aufregung durchaus erstaunlichem Ergebnis. Nüchtern betrachtet hat nämlich der heimische Nachwuchs kein gröberes Alkoholproblem. Vom Institut Suchtprävention der pro mente Oberösterreich wurden gemeinsam mit Wiener Ludwig-Boltzmann-Institut für Suchtforschung im Zeitraum von Juli und Dezember des Vorjahres 103 Personen, unter anderem aus den Bereichen Exekutive, Gastronomie und Rettungsdienst, befragt. Zudem wurden die Diagnosedaten der öffentlichen Krankenhäuser in Oberösterreich analysiert. Aussagekräftiges Herzstück der Studie sind aber Interviews mit 50 Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren, die alle eines gemeinsam haben: Sie ließen sich die Alkopops der feuchtfröhlichen Partynacht noch einmal über der Nierenschüssel in der Notaufnahme durch den Kopf gehen.

Einmaliges Ereignis

Die Befragung der betroffenen Jugendlichen hat ergeben, dass die Vergiftung für die Mehrheit (knapp 60 Prozent) ein "Trinkunfall" war. "Es lag keine Absicht vor, sich stark zu betrinken, und es war ein einmaliges Ereignis. Zwei Drittel der Mädchen und etwa die Hälfte der Burschen waren vor ihrer Einlieferung noch nie stark betrunken" , erläutert Christoph Lagemann, Leiter des Instituts Suchtprävention.

Und vom Kollektiv-Koma war man offensichtlich weit entfernt. Lagemann: "Lediglich eine Person war in komatösem Zustand, sieben reagierten nur auf starke Schmerzreize, acht waren ansprechbar mit verzögerten, schläfrigen Reaktionen. 34 Personen waren geringer beeinträchtigt."

Wichtiger Bestandteil des sozialen Lebens

Rund ein Drittel der Befragten wies mehrere Risikofaktoren auf. "Da ist der Missbrauch von Alkohol Problemlöser. Bei diesen Jugendlichen besteht sicherlich Handlungsbedarf" , so Lagemann. Und nur für eine kleine Minderheit (acht Prozent) ist, laut Studie, exzessiver Alkoholkonsum wichtiger Bestandteil ihres sozialen Lebens.

Fazit des Experten: "Der Begriff Komatrinken ist stark irreführend. Die Situation ist nicht so dramatisch. Probleme im Zusammenhang mit Alkoholmissbrauch müssen aber ernst genommen werden" . Und es müsse mehr im Bereich der Prävention getan werden. Lagemann: "Der Finanzminister lukriert durch minderjährige Raucher jährlich 60 Millionen Euro. Für Prävention werden pro Jahr zehn Millionen Euro ausgeben." (Markus Rohrhofer, DER STANDARD Printausgabe 26.11.2009)