Audimax-Besetzerin Weissengruber und WU-ÖH-Chef Kilga (2. v. links) sowie die Uni-Professoren Vitouch, Liessmann und Angermann-Mozetic debattierten mit Moderator Sperl (re.), woran es den Hochschulen fehlt.

Foto: Andy Urban

Gerald Angermann-Mozetic: "Ich stelle fest, dass viele Studierende gar keine Einsichten in wissenschaftliche Verfahren haben."

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Stefan Kilga: "Sämtliche Studierende sind sich in dem Punkt einig, dass die finanziellen Mittel nicht ausreichen."

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Konrad Paul Liessmann: "Die Hochschulen sollten vom Prinzip der Wissenschaftlichkeit wie der Ausbildung durchdrungen sein."

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Oliver Vitouch: "Die aktuelle Lage an den Unis ist eine Chronifizierung der Notfallsituation der letzten 20 Jahre."

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Petra Weissengruber: "34 Millionen für die Universitäten sind ein Anfang, aber das Geld reicht hinten und vorne nicht."

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Wir sprechen heute sicher nicht über Audimaxisten, sondern über Kritiker eines Zustandes!" Montagabend im Haus der Musik in der Wiener Innenstadt: Standard-Kolumnist und Moderator Gerfried Sperl heißt seine Gästerunde zur Uni-Misere willkommen - allen voran Petra Weissengruber, Studentin der Pädagogik sowie der Psychologie und soeben aus dem größten Hörsaal der Universität Wien eingetrudelt, der seit neunzehn Tagen von protestierenden Studiosi besetzt ist.

"Milliarden werden in die Banken gepumpt", erklärt die Besetzerin selbstbewusst. "Wir fordern eine Milliarde für die Universitäten!" Die von Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) zugesagten 34 Millionen seien "ein Anfang", aber das Geld reiche "hinten und vorne nicht", um die Studienbedingungen für die Inskribierten zu verbessern. "Die Uni brennt! Es ist an der Zeit, endlich etwas zu tun."

Weissengrubers Kollege von der Wirtschafts-Uni bremst da gleich ab: Stefan Kilga, der es dort zum ÖH-Vorsitzenden gebracht hat, meint zwar, dass sich "sämtliche Studierenden einig sind, dass die finanziellen Mittel nicht ausreichen", aber: Was er an den Okkupanten des Audimax kritisiere, sei "die Art und Weise, wie sie Forderungen stellen - die ändern sich nämlich alle paar Tage".

Zwanzig Jahre Notfall

Oliver Vitouch, Professor für Psychologie an der Uni Klagenfurt, trägt demonstrativ einen Sticker mit der Aufschrift "Ich war Student!" am Revers - auch wenn er nicht mit allen Begehren der Demonstrierenden einverstanden ist. Die aktuelle Lage an den Hochschulen hält Vitouch für "eine Chronifizierung der Notfallsituation, die seit 15 bis 20 Jahren bekannt ist".

Dazu hat der Professor ein paar eindrucksvolle Zahlen aus seiner Studienrichtung parat: 1620 Studienanfänger habe die Psychologie in Österreich alleine heuer, Deutschland 3500 - und das bei der zehnfachen Einwohnerzahl. Beim nördlichen Nachbarn betrage das Verhältnis zwischen wissenschaftlichen Betreuern und Studierenden 1:10, hierzulande dagegen 1:100.

Vitouch plädiert daher für eine deutlich bessere Ausstattung der Unis, Regelungsmaßnahmen für Massenstudien sowie "Affirmative Action". Soll heißen: dass gleichzeitig eine bessere soziale Durchmischung an den Hochschulen zu gewährleisten ist, indem für den Nachwuchs bildungsferner Schichten die Aufnahme doch etwas begünstigt wird.

Zu wenig Geld für "Wissenschaftlichkeit"

Konrad Paul Liessmann, Professor für Philosophie an der Uni Wien, hält die neu eingeführte Zentralmatura für eine Chance, um die Studentenströme an bestimmten Standorten ein wenig einzudämmen: "Das wäre eine klare, saubere Lösung: Nur muss die Zentralmatura ordentlich durchgeführt und so aussagekräftig sein, dass sich dadurch eine Zugangsberechtigung ergeben könnte."

Außerdem erinnert der Philosoph daran, dass die Hochschulen "sowohl vom Prinzip der Wissenschaftlichkeit als auch vom Prinzip der Ausbildung durchdrungen sein sollten", um der Idee der Bildung gerecht werden zu können.

Eine Mahnung, der sich Gerald Angermann-Mozetic, Professor für Soziologie an der Uni Graz, anschließt. Wissenschaft und Forschung, moniert er, seien der Politik nicht wichtig. Der Forschungsförderungsfonds etwa habe keine Sitzungen mehr anberaumt, weil kein Geld mehr zu verteilen sei. Das sage alles. Fazit: "Ich stelle fest, dass viele Studierende gar keine elementaren Einsichten in wissenschaftliche Verfahren haben - weil Studien praktiziert werden, wo der wissenschaftliche Charakter gar nicht mehr erkennbar ist."

Fünf Minuten Redezeit

Was die fünf Teilnehmer auf dem Podium beim Wissenschaftsminister anlässlich des am 25. November einberufenen dreistündigen Dialogs zur Uni-Misere vorbringen würden, will Diskussionsleiter Sperl noch wissen. Weissengruber gibt zu Bedenken, dass Hahn bei 50 zugelassenen Leuten ohnehin jedem bloß fünf Minuten Redezeit eingeräumt habe. Und Liessmann trocken zum knappen Zeitbudget: "Also, wenn ich da eingeladen werd, dann brauch ich länger - und sicher keine fünf Minuten!" (Nina Weißensteiner/DER STANDARD-Printausgabe, 11.11.2009)