Das Protestcamp auf dem Uni-Campus im Alten AKH vor der Räumung.
Copyright Karl Schöndorfer TOPP

Die Polizei hat am späten Mittwochabend mit der Räumung des Pro-Palästina-Protestcamps auf dem Campus der Universität Wien auf dem Gelände des Alten AKH im Bezirk Alsergrund begonnen. Das bestätigte ein Polizeisprecher der APA. Zuvor hatten Aktivisten per Mail mitgeteilt, "rund 200 Polizisten" hätten das Camp der Studierenden umstellt und den Protestierenden eine 15-minütige Frist zum Verlassen des Gelände gegeben.

Vor dem Campus versammelten sich nach Angaben eines APA-Kameramanns an Ort und Stelle mehr als 100 Menschen, die sich mit den Protestierenden solidarisch zeigten. Sie skandierten Slogans und blockierten Verkehr auf der Alser Straße. Ob sie neu hinzukamen oder ob es sich bei ihnen um pro-palästinensische Demonstranten handelte, die das Camp bereits verlassen hatten, war zunächst unklar.

Am Montag hatten laut Polizeiangaben im Anschluss an eine "Pro-Palästina"-Demonstration 100 Personen am Campus der Universität Wien am Alten AKH ihre Zelte aufgeschlagen. Die Uni Wien distanzierte sich "entschieden" von den Anliegen der Protestierenden. An Universitäten in den USA und auch in Europa waren zuvor ebenfalls Lager errichtet worden und Gebäude besetzt worden. Bei deren Räumung kam es teils zu Gewalt.

Gegendemo am Nachmittag

Am Mittwochnachmittag fand unter massivem Polizeiaufgebot eine Gegendemo gegen das von propalästinensischen Aktivistinnen und Aktivisten eingerichtete Protestcamp statt. Die Polizei errichtete an mehreren Zugängen zum Hof 1 des Uni-Campus Sperren, um die beiden Gruppierungen voneinander zu trennen. Zahlreiche Studierende mussten Umwege auf dem Weg zu ihren Hörsälen einplanen. Dem via Social Media verbreiteten Aufruf zur Gegendemo der Jüdischen österreichischen Hochschüler:innen (JöH) und des Bündnisses gegen Antisemitismus (BGA) Wien waren rund 70 bis 80 Personen gefolgt. Sie waren zu Beginn der Demo gegen 13 Uhr hinter Polizeisperren und Schutzgittern nur rund 15 Meter von den propalästinensischen Aktivistinnen und Aktivisten getrennt. Während vonseiten des Protestcamps lautstark Parolen wie "Free, free Palestine", "Uni Wien shame on you" oder "Israel is a Terror State" skandiert wurden, blieb es im Lager der Gegendemonstranten vorläufig ruhig.

Die Pro-israelische Gegendemonstration am Uni-Campus im Alten AKH in Wien besuchten rund 70 Personen.
Die proisraelische Gegendemonstration auf dem Uni-Campus im Alten AKH in Wien besuchten rund 70 Personen.
APA/MAX SLOVENCIK

Zunächst wurden Israel-Flaggen geschwenkt, auf einem Plakat stand "Rape is not Resistance" (Vergewaltigung ist kein Widerstand), zudem wurde per Hashtag #BringThemHomeNow auf die Freilassung der israelischen Geiseln aus Gaza verwiesen. Erst gegen 13.20 Uhr folgten auch Parolen aus dem Lager der Gegendemonstranten: "Gegen, gegen Antisemitismus", "Shame on you" oder "Free Gaza from Hamas". Im Lager des Protestcamps, wo mittlerweile bereits mehr als zehn Zelte aufgestellt wurden, wurde mit einem Plakat reagiert, auf dem "Jüd*innen gegen Genozid" stand.

Die Aktivistinnen und Aktivisten im antiisraelischen Protestcamp waren zunächst nur rund 15 Meter von den Gegendemonstranten entfernt.
APA/MAX SLOVENCIK

Vereinzelt Anzeigen

Die Polizei wies mittels Lautsprecherdurchsage darauf hin, dass die Demonstrantinnen und Demonstranten einen ausreichenden Sicherheitsabstand einhalten müssten. Laut Versammlungsgesetz sei ein Schutzbereich von 50 Metern zwischen Kundgebungen einzuhalten, teilte die Landespolizeidirektion Wien auch via Nachrichtendienst X mit.

Zu Beginn war dies keineswegs der Fall, später versuchte die Polizei dies aufseiten der Gegendemo durchzusetzen. Diese sei nicht angemeldet gewesen, teilte Polizeisprecher Mattias Schuster auf STANDARD-Anfrage mit. "Nachdem der Aufforderung nicht von allen entsprochen wurde, musste auch mit Identitätsfeststellungen und einzelnen Anzeigen reagiert werden." Eine Einkesselung habe es nicht gegeben. Die Demonstration war gegen 15.15 Uhr allmählich in Auflösung begriffen, bis dahin hat es laut Polizei keine Ausschreitungen gegeben.

Es gab ein massives Polizeiaufgebot, um die beiden Gruppierungen zu trennen. Auch eine Polizeidrohne wurde eingesetzt.
APA/MAX SLOVENCIK

Bei der Demo waren auch Beamtinnen und Beamte vom Landesamt Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE) anwesend. Inhalte der Parolen, die im Protestcamp teils auch in arabischer Sprache ertönten, würden auf allfällig mögliche strafrechtliche Inhalte geprüft, hieß es vonseiten der Polizei. Die Jüdischen österreichischen Hochschüler:innen wiesen im Aufruf zur Gegendemo darauf hin, dass in Redebeiträgen im Protestcamp zu einer "Student Intifada" aufgerufen und von einer "zionistischen Entität" gesprochen werde. Das Protestcamp werde "von den antisemitischen Gruppen Dar-Al-Janub, BDS Austria und Der Funke" angeführt.

Im Protestcamp hielten sich am Mittwochnachmittag rund 100 Personen auf. Laut Polizei gab es zunächst "keine Auflösungsgründe", sagte Sprecher Matthias Schuster. Die Situation würde aber laufend evaluiert. Die Universität Wien distanzierte sich am Mittwochnachmittag via Plattform X erneut "entschieden von den 'Student Intifada Protesten' am Campus". Eine Räumung sei zu diesem Zeitpunkt "nach Einschätzung der Exekutive aktuell nicht möglich" gewesen. Die Uni habe aber in Abstimmung mit der Landespolizeidirektion Wien "weiter alle rechtlichen Möglichkeiten geprüft".

IKG-Präsident Deutsch kritisiert Vorgehen der Polizei

Heftige Kritik am Vorgehen der Polizei übte Oskar Deutsch, der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG). "Wo leben wir? Da wird am Intifada-Camp zu Terror gegen Juden und Jüdinnen aufgerufen, und die Polizei schreitet nicht ein. Am nächsten Tag protestieren Studierende gegen die Gewaltaufrufe, und die Polizei schützt die Terror-Freunde, kesselt die friedlichen Personen, die Schilder mit Aufschriften wie 'Free Gaza From Hamas' hochhalten, ein und zeigt diese an." Die Beamten hätten damit zu "einer größeren Verängstigung unter Juden und Jüdinnen in Österreich" beigetragen, sagte Deutsch in einer Stellungnahme zum STANDARD. Er verwies darauf, dass in anderen Städten im Ausland Protestcamps aufgelöst worden seien. "Daher gilt es jetzt, die Einsatzleitung am Campus der Uni Wien zu hinterfragen, gegebenenfalls auszuwechseln und dieses Intifada-Camp endlich aufzulösen." (David Krutzler, 8.5.2024)