Wenn der Familienpatriarch ruft, kommen sie freilich alle. Opa Symcha Zweifler will das erfolgreiche Delikatessenunternehmen verkaufen, Oma ist beleidigt, er hat sie zuvor nicht eingeweiht. Die Tochter findet den Verkauf sowieso grundfalsch, die Enkerln sind zwiegespalten. In der sechsteiligen ARD-Serie Die Zweiflers – am Freitag ab 22.20 Uhr in der ARD und für Zuschauerinnen und Zuschauer in Deutschland auch in der ARD-Mediathek – geht es um die Geschichte der jüdischen Familie Zweiflers. Und um so viel mehr: um Traditionen, um Erinnerungskultur, um das Spannungsfeld zwischen familiärer Erwartungshaltung und individuellem Glück. All das wird so ehrlich, so gescheit, so skurril und so vielschichtig abgehandelt, dass es eine echte Serienfreude ist.

Mimi Zweifler (Sunnyi Melles), Jackie Zweifler (Mark Ivanir), Symcha Zweifler (Mike Burstyn), Lilka Zweilfer (Eleanor Reissa), Saba (Saffron Marni Coomber) und Samuel Zweifler (Aaron Altaras)
Mimi Zweifler (Sunnyi Melles), Jackie Zweifler (Mark Ivanir), Symcha Zweifler (Mike Burstyn), Lilka Zweilfer (Eleanor Reissa), Saba (Saffron Marni Coomber) und Samuel Zweifler (Aaron Altaras).
Foto: ARD Degeto/HR/Turbokultur/Elliott Kreyenberg

Showrunner David Hadda und den Regisseurinnen Anja Marquardt und Clara Zoe My-Linh von Arnim gelingt gemeinsam mit dem herausragenden Schauspielensemble das Kunststück, jüdische Geschichte, die Wurzeln der Familie, ihren Alltag und die Suche nach dem eigenen Weg ernsthaft und gleichzeitig charmant flockig-locker dazustellen. Neben der Besetzung liegt das auch an dem wunderbaren Sprachenmischmasch, ganz selbstverständlich wird hier zwischen Jiddisch, Deutsch und Englisch gewechselt.

Beste Serie beim Cannes International Series Festival

"Mein Anliegen mit Die Zweiflers ist es, eine Familiengeschichte zu erzählen, die einen authentischen Einblick in diesen Mikrokosmos gibt und die Ambivalenz des jüdischen Selbstverständnisses in Deutschland auf tragisch-humoristische Weise verhandelt. Und sich trotzdem nicht herausnimmt, exemplarisch zu sein und irgendjemanden oder irgendwas zu repräsentieren. Der fromme Wunsch ist, nicht auf ein kulturelles Stereotyp reduziert zu werden", sagt Hadda. Das ist ihm bravourös gelungen, völlig zu Recht wurde Die Zweiflers beim Cannes International Series Festival als beste Serie ausgezeichnet.

Versammelt am Telefon: Lilka (Eleanor Reissa), Mimi (Sunnyi Melles), Symcha (Mike Burstyn) und Jackie (Mark Ivanir)
Versammelt am Telefon: Lilka (Eleanor Reissa), Mimi (Sunnyi Melles), Symcha (Mike Burstyn) und Jackie (Mark Ivanir).
Foto: ARD Degeto/HR/Turbokultur/Phillip Kaminiak

Dass Symcha (Mike Burstyn) sein Geschäft verkaufen will, hängt auch mit seiner Vergangenheit und der Nachkriegszeit zusammen, die jetzt durch den zwielichtigen Siggi (Martin Wuttke) wieder hochkocht. Seine Tochter Mimi – dargestellt von der schön hysterischen Sunnyi Melles – wehrt sich dagegen, kämpft um Traditionen, will festhalten an dem, was ist, und bastelt sich ihre eigene Realität.

Sie will die Familie zusammenhalten, ist die Übermama, die es gut meint und doch oft das Falsche macht. Auch in ihrer Ehe mit dem Sexualtherapeuten Jackie Horovitz (Mark Ivanir), der sich wiederum mit einer Affäre Auszeiten von dieser schwierigen Familienkonstellation nimmt. Auf der Suche nach dem eigenen Glück ist ihr Sohn Samuel (Aaron Altaras). Der ziemlich coole Musikmanager bekommt mit Szeneköchin Saba (Saffron Coomber) – einer Britin mit jamaikanischen Wurzeln – ein Kind. Dass sich seine Familie eine Beschneidung des Kleinen wünscht, wird noch für viel Chaos und Missverständnisse – auch zwischen dem jungen Paar – sorgen. Es ist kompliziert, und das bleibt es auch.

Zukunftsängste: Samuel (Aaron Altaras, li.) und seine Freundin Saba (Saffron Marni Coomber) liegen zusammen wach.
Zukunftsängste: Samuel (Aaron Altaras, links) und seine Freundin Saba (Saffron Marni Coomber) liegen zusammen wach.
Foto: ARD Degeto/HR/Turbokultur/Phillip Kaminiak

Zweiflers-Würste als Nabelschnur

Für Mimis zweiten Sohn Leon (Leo Altaras) ist es die Kunst, mit er seine Familiengeschichte aufarbeiten und sich so Freiräume verschaffen will (herrlich sein "Schock"-Bild mit koscheren Zweiflers-Würsten als Nabelschnur). Und dann ist da noch Mimis Tochter Dana (gespielt von der diesjährigen Buhlschaft im Salzburger Jedermann, Deileila Piasko). Sie kehrt nach einer gescheiterten Beziehung mit ihren Kindern aus Israel nach Frankfurt in den Schoß der Familie zurück. Selbstbewusst, patent und hemdsärmelig stünde sie bereit, die Firma zu übernehmen.

Mit viel Ironie und Witz arbeiten sich die Autoren David und Sarah Hadda und Juri Sternburg an den Zweiflers und ihrer Geschichte ab. Man hofft auf eine Fortsetzung. Denn nach den sechs Folgen sind einem Samuel, Saba, Leon, Dana und sogar die schwierige Mimi so richtig ans Herz gewachsen. Zu wissen, was das Leben für sie noch bereithält, wäre schön. (Astrid Ebenführer, 10.5.2024)