Ständige Baustellen mit Lärm und Dreck im Haus, Rattenplagen und Vermüllung sind für manche Wiener Mieter ein Dauerzustand. Ihre Vermieter wollen hochpreisige Eigentumswohnungen errichten – und Altmieterinnen und Altmieter, die mitunter seit Jahrzehnten günstig und vor allem unbefristet in dem Haus leben, sind ihnen da im Weg.

Wenn nichts mehr repariert wird am und im Haus, ist das ein Alarmzeichen.
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Zinswende als "Brandbeschleuniger"

Einige wenige stadtbekannte Vermieter haben sich regelrecht darauf spezialisiert, die Bewohner aus den Häusern zu ekeln. Diese Machenschaften haben laut Wolfgang Kirnbauer vom Mieterschutzverband zugenommen. "Schon vor dem Zinsanstieg sind einige Vermieter ins Trudeln gekommen", sagt der Jurist. "Aber die Anhebung war ein Brandbeschleuniger."

Auch die Juristin Romana Aron von der Mieter-Interessens-Gemeinschaft Österreichs bemerkt gestiegene Mieterschikanen: "Viele Eigentümer haben wohl geglaubt, dass es einfacher ist, Häuser leerzubekommen. Und wenn es gerichtlich nicht klappt, versuchen sie es anders."

Denn manche Entwickler haben in den letzten Jahren Häuser zu Rekordpreisen gekauft und auf eine weitere Wertsteigerung spekuliert. Die Rechnung ist nicht aufgegangen. Manchen steht das Wasser jetzt bis zum Hals, sie versuchen, die Häuser bestandsfrei zu bekommen, um sie möglichst teuer an den nächsten Entwickler weiterverkaufen zu können.

Diese Spekulation mit dem Betongold gibt es natürlich auch in anderen Städten des Landes – dort dürften solche Schikanen aber kein so großes Thema sein, wie Mieterschützer berichten.

Lärm und Dreck

In Wien ist das Muster fast immer gleich: Nach dem Besitzerwechsel wird im Haus plötzlich nichts mehr repariert. Glühbirnen werden nicht gewechselt, kaputte Fliesen nicht ausgetauscht. Häufig folgt dann eine Baustelle, die vor allem laut und dreckig ist und das Wohnen im Haus noch einmal ungemütlicher macht.

Der Mieter eines Hauses im vierten Bezirk berichtet etwa davon, dass nach einem Eigentümerwechsel im Jänner plötzlich der Boden auf dem Gang bis zum Beton aufgestemmt und schließlich sogar die Türschwellen an den Wohnungstüren weggestemmt wurden – ohne ersichtlichen Grund: Das Haus wurde erst vor wenigen Jahren saniert. Bewohnerinnen und Bewohner mussten dann teilweise wochenlang zwischen den Heizleitungen am Boden des Gangs herumstaksen, wenn sie zum Lift wollten. Das Stiegenhaus war wegen der Bauarbeiten abgesperrt worden – all das, ist der Mieter überzeugt, dient dazu, um sie zum Auszug zu bewegen und den Weg frei zu machen für teure Eigentumswohnungen in bester Lage.

Noch eine beliebte Methode: Es wird mit der Kündigung des Mietvertrags gedroht – etwa weil Bewohner vor Jahrzehnten in Eigenregie ein Bad in ihrer damaligen Substandardwohnung eingebaut und dazu nur das mündliche Okay des damaligen Vermieters eingeholt hatten. Das sei in Wien lange so üblich gewesen, sagt Mieterschützer Kirnbauer. Allerdings kann das eben auch 30 Jahre später noch zum Problem werden, wenn der neue Eigentümer den offiziell nie genehmigten Umbau als Kündigungsgrund nutzt. In der Regel würden die Eigentümer vor Gericht zwar damit abblitzen. Manche Alteingesessene in den Häusern werden so aber zermürbt.

"Fühle mich im Stich gelassen"

Auch das Gründerzeithaus im zweiten Bezirk, in dem Felix J. lebt, hat vor einigen Jahren den Besitzer gewechselt. 5000 Euro wurden dem jungen Mann, der in Wahrheit anders heißt, vom neuen Besitzer dafür geboten, seinen unbefristeten Mietvertrag aufzugeben und auszuziehen. Viel zu wenig, um sich eine neue und teurere Mietwohnung zu suchen, befand er – und lehnte ab. Seit drei Jahren läuft in seinem Wohnhaus nun der Ausbau des Dachgeschoßes in eine Luxuswohnung, seit mehreren Monaten werde aber nicht mehr weitergebaut, ist man sich im Haus einig. Auch die übrigen Wohnungen im Haus werden wohl, wenn die Mieter irgendwann ausziehen, in hochpreisigen Wohnraum verwandelt. Die dafür nötigen Balkone gibt es bereits. Die Mieter dürfen sie aber nur anschauen. Balkontüren gibt es nicht.

Und dann wurde mit dem Bau eines Liftschachts auch noch der Zugang in den kleinen Innenhof verbaut, der, nun unkontrolliert, von Tauben verdreckt wird. Zuletzt gab es auch eine Rattenplage. Reinigungsarbeiten, die Felix J. organisierte, waren nur möglich, indem die Arbeiter durch seine Wohnung in den Innenhof stiegen.

Zahlreiche Stellen der Stadt hat er um Hilfe gebeten. Passiert ist bisher nicht viel. "Ich fühle mich im Stich gelassen", sagt er. Er selbst könne sich wehren, aber die geflüchteten Menschen, die einquartiert werden, sobald eine Wohnung frei wird, seien davon überfordert.

"Horrorhäuser" beschäftigen die Stadt

Genau diese "Horrorhäuser", in denen geflüchtete Menschen unter widrigen Bedingungen leben und mit hohen Mieten für Schlafplätze abgezockt werden, waren zuletzt auch medial ein großes Thema. Das Büro für Sofortmaßnahmen und die Mieterhilfe der Stadt Wien haben alle Hände voll damit zu tun.

Christian Bartok, Chef der Mieterhilfe, sieht hier aber auch den Bundesgesetzgeber am Zug und fordert ein Mietrecht mit stärkeren Strafbestimmungen, wenn sich Vermieter nicht an die Spielregeln halten. Möglichkeiten gäbe es aber auch jetzt schon genug, sagen Beobachter. So könnte die Stadt etwa in Form von Ersatzvornahmen selbst dringende Arbeiten in Auftrag geben – und dem Eigentümer in Rechnung stellen. Genutzt wird das laut Mieterschützern aber viel zu selten. (Franziska Zoidl, Martin Putschögl, 5.5.2024)