Schule Kinder Inklusion Klasse
Bildung ist ein Grundrecht: Inklusive Einrichtungen sind aber Mangelware.
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Wir haben vor dem Gymnasium kapituliert. Vom Kindergarten über die Volksschule bis zur Mittelschule konnte unser Kind trotz der Widrigkeiten eine "normale" Schule besuchen. Doch vor dem Übertritt in die Oberstufe wurde uns bewusst, dass die einfachsten Voraussetzungen für Inklusion nicht vorhanden sind. Es fehlt an Know-how und Personal, meist auch an Offenheit. In dieser Situation werden wir Eltern zu Bittstellern degradiert, obwohl Bildung ein Grundrecht für alle ist. Seit ein paar Monaten besucht unser Kind deshalb eine Online-Schule, die Kinder mit besonderen Bedürfnissen nicht als Belastung wahrnimmt. Das Lernen macht ihm Freude, doch die sozialen Kontakte gehen ihm ab. Uns ist bewusst, dass wir im Vergleich zu anderen Familien privilegiert sind.

Das gesamte Schulsystem in Österreich grenzt Kinder mit Behinderungen weiter systematisch aus. Allein in Wien warten mehr als tausend Familien auf einen inklusiven Kindergartenplatz; dabei wäre Frühförderung so wichtig! Mittlerweile fordern manche verzweifelten Eltern die Beibehaltung der Sonderschulen. Ich kann sie verstehen. Aus der Not heraus haben viele lieber einen sicheren Betreuungsplatz in der Sonderschule bis zum 18. Lebensjahr als unzureichende Inklusion in der Regelschule und Anspruch auf ein elftes und zwölftes Schuljahr. Selbst jenen wenigen Schulen, die sich darum bemühen, fehlt es an den nötigen Ressourcen.

Schule der Herzenswärme

Die fehlende Inklusion im Schulsystem betrifft viele Kinder und Jugendliche. Denken Sie an permanent unterforderte Hochbegabte oder auf der anderen Seite an jene, die sich aufgrund von Teilleistungsschwächen wie zum Beispiel Dyslexie oder Legasthenie jahrelang mit einem Fach abmühen. Beide Gruppen haben kaum die Möglichkeit, sich voll auf ihre Talente zu konzentrieren. Kinder, die ausgegrenzt und gemobbt werden, aus welchen Gründen auch immer, erleben ihre Schulzeit als Tortur. Sie alle gehen mit einem geringen Selbstwertgefühl und wenig Bewusstsein über die eigenen Stärken ins Erwachsenenleben. Und verarmen nicht alle Schülerinnen und Schüler – auch jene, die "gut" durch das System kommen – unter dem vorherrschenden Konkurrenzdenken sozial? Lernen sie das Miteinander, das Aufeinander-Rücksicht-Nehmen und das Für-andere-da-Sein? Ich glaube nicht.

Wir und viele andere in diesem Land träumen von einer Schule der Herzenswärme, in der jedes Kind nach seinen individuellen Potenzialen und Stärken gefördert wird. Eine Schule, die Lebenschancen eröffnet und nicht verbaut, Ungleichheit verringert und nicht verstärkt: eine Schule für alle!

Doch die Bewahrer des Schulsystems wollen uns seit Jahren einreden, dass diese inklusive Schule für alle das Leistungsprinzip untergraben würde. Als würden im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz mehr Druck und Auswendiglernen die Grundlage für ein erfülltes Leben bieten. Nur Empathie, Kreativität und leidenschaftliche Neugierde werden uns dabei helfen, intelligente Maschinen sinnstiftend zu nutzen und unseren Planeten dabei nicht gegen die Wand zu fahren. Die Normschule ist ein Relikt aus einer vergangenen Zeit, nur eine Schule für alle hat Zukunft! (Philippe Narval, 6.5.2024)