René Benko und der damalige Kanzler Sebastian Kurz von der ÖVP begrüßen einander per Händeschütteln
Signa-Gründer René Benko enervierten die Aktivitäten der EZB, die die Signa-Engagements der Banken prüfen ließ.
APA/Hans Klaus Techt

Alle Hände voll zu tun gibt es derzeit in der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) – und nicht alle To-Dos sind erfreulich. Auf der einen Seite läuft gerade das Bewerbungsverfahren um die OeNB-Spitzenposten, ausgeschrieben sind die Jobs des Gouverneurs und der drei weiteren Direktoriumsmitglieder. Derzeit führt ja Robert Holzmann (FPÖ) die Notenbank, im Direktorium haben Vizegouverneur Gottfried Haber (ÖVP), Thomas Steiner (ÖVP) und Eduard Schock (FPÖ) Sitz und Stimme.

Die schwarz-grüne Koalitionsregierung hat beschlossen, die Posten frühzeitig auszuschreiben, und wird daher noch selbst über die Personalien entscheiden. So wie die Sache aussieht und aufgezogen wurde, dürfte Wirtschaftsminister Martin Kocher (von der ÖVP nominiert) Gouverneur werden, was nicht einer gewissen pikanten Note entbehrt – aber dazu später.

EZB-Aktivitäten störten Benko

Zum anderen aber wurden zuletzt Unannehmlichkeiten bekannt, die Direktorium und Juristen im Haus am Wiener Otto-Wagner-Platz reichlich beschäftigen. Die Angelegenheit hat mit René Benko und Signa zu tun und reicht zurück in den vorigen Sommer. Damals hat ja die Bankenaufsicht in der EZB die Signa-Engagements der von ihr beaufsichtigten großen Institute unter die Lupe genommen – sehr zum Missfallen der Signa-Verantwortlichen, die darin ein Foul sahen und sinngemäß argumentierten, diese Prüfungen führten dazu, dass das (damals schon arg in Schieflage befindliche) Unternehmen nicht mehr an neue Geldmittel komme.

Auch in diversen Berichten der Insolvenzverwalter von Signa-Gesellschaften ist die EZB-Prüfung als einer der Gründe für die Pleite angeführt. In den "systemrelevanten" Instituten, die direkt von der EZB beaufsichtigt werden (für die anderen ist die FMA zuständig, Anm.), prüften damals auch zwei Mitarbeiter aus der Notenbank, quasi im Auftrag der EZB.

Was sollte Kurz tun?

Am Mittwochabend wurde nun per Kronen Zeitung und News bekannt, wie Benko darauf reagierte. Er ließ die Namen der zwei involvierten OeNB-Prüfer recherchieren und – laut Krone und News – von einem großen Beratungsunternehmen ihre Lebensläufe (CVs) gleich dazu. Am 23. Juli bekam er die CVs von seinem Assistenten übermittelt – und leitete sie zwei Minuten später an Sebastian Kurz weiter. Der Ex-Kanzler und nunmehrige Berater war bekanntermaßen ein Geschäftspartner Benkos und hatte ihm zu Geld aus arabischen Ländern verholfen. Kurz' Antwort: "Danke!" Zwei Tage später schickte Benko auch noch ein internes Organigramm der europäischen Bankenaufsicht (Single Supervisory Mechanism, SSM) nach.

Aber warum bloß? Sollte Kurz intervenieren? Diese Frage lässt sich nicht beantworten, denn: Benkos Anwalt Norbert Wess nimmt nicht Stellung, und der Sprecher von Kurz offenbart nur, dass dieser "keine Aktivitäten in dieser Sache unternommen hat". Aus der Signa ist zu hören, Benko habe damals alle angesprochen, von denen er annahm, dass sie ihm bei seinem Problem wegen der Prüfungen weiterhelfen könnten.

OeNB sucht "volle Aufklärung"

In der OeNB sorgen diese Nachrichten seit Mittwochabend für große Betriebsamkeit. Die Fragen, denen man dort nun nachgeht: Wer hat die Informationen zu den beiden Prüfern an die Signa weitergegeben? War es eine Bank selbst? War es ein Wirtschaftsprüfer einer Bank, was für den wegen seiner Geheimhaltungspflichten strafrechtliche Folgen hätte? Gab es womöglich ein Leak in der OeNB? Sollten die Prüfer unter Druck gesetzt oder diskreditiert werden? Wurden sie unter Druck gesetzt? Letzteres war angeblich nicht der Fall.

All dem geht man nun nach in der OeNB, geprüft werden auch datenschutzrechtliche Themen für die Betroffenen, und auch die EZB wurde informiert, wie zu hören ist. Der für die Bankenaufsicht zuständige OeNB-Vizegouverneur Haber sagte auf Anfrage des STANDARD Folgendes dazu: "Es ist inakzeptabel, wenn Prüferinnen und Prüfer der Bankenaufsicht zu einem Ziel der Beaufsichtigten oder deren Wirtschaftsprüfer oder Kunden werden. Wir prüfen in diesem Zusammenhang bereits den Sachverhalt und alle rechtlichen Möglichkeiten. Es muss hier volle Aufklärung geben."

Hearings für OeNB-Chefposten starten

Während dieses Thema die Notenbanker noch länger beschäftigen wird, geht es bei der Bestellung der Direktoren ruck, zuck. Die Hearings sollen Ende nächster Woche losgehen, und wenn dasselbe Setting gewählt wird wie beim letzten Mal, wären der Präsident des Generalrats, Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer (ÖVP), und OeNB-Vizepräsidentin Ingrid Reischl (Bundesgeschäftsführerin des ÖGB, SPÖ) bei den Hearings dabei. Zur Erinnerung: Der Generalrat beschließt die Liste mit den Personen, die via Direktorium an die Regierung geht, diese ist aber nicht an diese Vorschläge gebunden.

Zuletzt hatten die Hearings in der Wirtschaftskammer stattgefunden – was diesmal recht originell wäre. Denn als Wirtschaftsminister ist Kocher für die Aufsicht der Wirtschaftskammer zuständig, was speziell "die Sorge für die gesetzmäßige Führung der Geschäfte" beinhaltet. Als Jobbewerber würde er also zum OeNB-Präsidenten pilgern, den er als Minister in dessen Funktion als Kammerchef kontrolliert. Kocher sitzt zudem im Ministerrat, der letztlich über die OeNB-Chefs entscheidet. Für die SPÖ geht übrigens nicht ÖGB-Chefvolkswirtin Helene Schuberth ins Rennen: Sie hat sich nicht beworben. Beworben fürs Direktorium hat sich eine andere rote Managerin. (Renate Graber, 2.5.2024)