Eines ist unbestritten: Die aktuelle Hype-Phase rund um das Thema Künstliche Intelligenz hat der Branche jede Menge frisches Kapital beschert. Alle wollen in "irgendwas mit KI" investieren, die Zahl der im vergangenen Jahr entstanden Start-ups ist entsprechend groß. Darunter auch so manche, die sich an neuer Hardware versuchen wollen, gerne auch großspurig als Nachfolger des Smartphones angepriesen. Denn wer braucht schon noch das Smartphone, wenn doch ohnehin die KI auf Zuruf alles erledigt, was man so tun will? So zumindest die Überlegung.

R1 Pocket
Das knapp 200 Dollar teure Gerät passt in jede Hosentasche.
Rabbit

Nun sind seit kurzem die ersten dieser Gadgets erhältlich, und die Reaktionen darauf bewegen sich irgendwo zwischen ernüchternd bis ratlos. Der Humane AI Pin wurden in ersten Tests regelrecht zerrissen, dem Rabbit R1 ging es – vom Lob für das Design einmal abgesehen – nur in Spuren besser. Dabei taucht immer wieder eine Frage auf: Warum ist all das nicht einfach eine Smartphone-App? Wie sich nun herausstellt, trifft diese Frage den Kern der Sache genauer, als manchen Testerinnen und Testern wohl zunächst klar war.

Spurensuche

Die Software des Rabbit R1 ist nicht viel mehr als eine simple Android-App, wie Android-Experte Mishaal Rahman herausgefunden hat. Die gesamte Oberfläche, alle Kommunikation mit dem eigentlichen KI-Dienst wird über eine einzelne Android-App abgewickelt, die sich mit etwas Bastelei auch auf älteren Smartphones zum Laufen bringen lässt. Rahman selbst ist das auf einem Pixel 6 Pro gelungen, wie er in einem Video demonstriert.

Rabbit R1 on phone
Android Authority

Eine Entdeckung, die den Hersteller des Geräts nicht sonderlich zu erfreuen scheint: In einer Stellungnahme gegenüber Android Authority widerspricht man dieser Charakterisierung. Es handle sich beim genutzten Betriebssystem um eine für das konkrete Nutzungsszenario speziell angepasste Variante des Open-Source-Quellcodes von Android (AOSP). Zudem laufen die eigentlichen Anfragen ohnehin über einen eigenen Clouddienst, auf den nur Originalgeräte zugreifen dürfen. In einem Folgestatement geht man dann noch einen Schritt weiter und droht mit Klagen, falls jemand die Rabbit-Dienste auf einem anderen Weg nutzt.

Das Rad nicht neu erfinden

Jenseits der Frage der Legalität widerspricht der Hersteller damit also der eigentlichen Aussage nicht. Dass man auf diese Entdeckung dermaßen harsch reagiert, überrascht aber auch aus einem anderen Grund: Denn natürlich ist es durchaus logisch für so ein Gerät, eine Open-Source-Basis mit Android zu verwenden. Es ergibt schlicht wenig Sinn, all die Grundlagen eines Betriebssystems neu zu erfinden. Gerade bei dem Zeitrahmen, mit dem Rabbit R1 entwickelt wurde, wäre das auch komplett unrealistisch. So verwendet übrigens auch der Humane AI Pin eine Android-Basis.

Gleichzeitig will der Hersteller aber natürlich die mit dieser Entdeckung einhergehenden Sinnfragen vermeiden. Denn wenn so ein Gadget hardwareseitig wie ein sehr schwaches Smartphones ausgestattet ist, darauf ein Smartphone-OS läuft, es aber erheblich weniger kann als ein Smartphone, stellt sich natürlich die Frage, ob das eben nicht wirklich besser bei einer App aufgehoben wäre. Zumal so ein Gadget ja auch ein zusätzliches Ding ist, das man mit sich herumtragen muss – zumindest solange es nicht wirklich das Smartphone ersetzen kann. (apo, 2.5.2024)