Ein hoher österreichischer Militär, der auf Facebook Artikel mit neonazistischen Narrativen über den Holocaust teilt? Der seinen Oberbefehlshaber, also den österreichischen Bundespräsidenten, einen "Pfosten" nennt? Wo gibt es denn sowas? Die Antwort ist: in Österreich. Rund eine Woche, nachdem DER STANDARD von einem Polizisten berichtete, der immer wieder rechtsextreme und den Holocaust leugnende Inhalte teilte, die der oberste EU-General Robert Brieger wohlwollend kommentierte, macht die Plattform Stoppt die Rechten einen anderen Fall bekannt: Reinhard Stradner, ein frischpensionierter Oberst, der noch im Vorjahr Militärattaché in Kroatien war und Vizevorsitzender der steirischen Landesgruppe der FPÖ-nahen Gewerkschaft AUF ist.

Freunde kann man sich aussuchen: Nicht nur auf Facebook. Account von Reinhard Strandner.
Freunde kann man sich aussuchen: nicht nur auf Facebook. Account von Reinhard Strandner.
Facebook/Stradner

Auch Stradner haben es – wie schon dem Polizisten M. – die Rheinwiesenlager angetan. Dabei handelt es sich um die historisch seit den 1970er-Jahren gut aufgearbeiteten Kriegsgefangenenlager der Alliierten an den Ufern des Rheins. Rund eine Million Menschen waren dort nach dem Zweiten Weltkrieg interniert, viele wurden nach wenigen Wochen wieder entlassen. 8000 bis 40.000 Menschen starben in den insgesamt 23 Lagern – auch aufgrund der allgemein schlechten Lebensmittelversorgung in der Gesamtbevölkerung.

"Völkermord an den Deutschen"

In Neonazikreisen sieht man das alles ganz anders. So wie es etwa auch auf der Seite anonymousnews.org beschrieben wird. Nämlich dass dort "das wohl größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte: Ein von Machtgier, Neid und Rassenhass initiierter Völkermord an den Deutschen" begangen wurde. Und zwar von den "vermeintlichen Befreiern" nach der "vermeintlichen Kapitulation der Wehrmacht". Bis zu zwei Millionen Menschen hätten die Befreier dort "vorsätzlich" verhungern lassen. Das alles steht in dem Artikel, den Stradner auf Facebook 2019 teilte.

Stradner verlinkt auch an anderer Stelle zu einem Artikel des Neonazi-Musikers Frank Rennicke.

Wie schon der Polizist, den General Brieger mittlerweile entfreundet hat, teilte auch Stradner, der zwei Accounts auf Facebook betreibt, genau solche Inhalte.

Vom STANDARD damit konfrontiert, meint Stradner in einer schriftlichen Stellungnahme: "Alle 'Postings' im Facebook oder sonst wo mache ich als Privatperson. Ich kenne diese Seite nicht. Das mit den Rheinwiesenlagern ist eine tragische, geschichtliche Tatsache, dass dort Menschen unnötigerweise gestorben sind. Man muss auch diesen Toten gedenken, denn jeder Tote ist ein Toter zu viel. So wie auch der Holocaust eine Tatsache ist."

Und weiter schreibt Stradner dem STANDARD: "Den Holocaust leugnen, das wäre eine Schweinerei. Aber die heutigen Kriegsverbrechen in Gaza und der in Ukraine sind genauso eine Schweinerei wie alle anderen Kriegsverbrechen, die vorher und anderswo geschehen sind.“

"Anbrunzen"

Zu dem Posting, in dem er den Bundespräsidenten einen Pfosten nennt, meint Stradner: "Dass Herr Van der Bellen durch mich ein 'Pfosten' genannt wurde, ist mir nicht bekannt und ich bin auch nicht dieser Meinung."

Auch andere Inhalte, die Stradner teilte, werfen ein bemerkenswertes Licht auf jemanden, der eine führende Rolle im österreichischen Bundesheer innehatte: EU-feindliche Comics findet man da und die Frage, ob man Klimaaktivisten, die sich auf eine Straße kleben, nicht "anbrunzen" könne.

Ein Posting, das Stradner nicht kennen will. Der oberste Befehlshaber des Bundesheeres Alexander Van der Bellen wird hier als "Pfosten" bezeichnet.
Facebook/Stradner

Generell hält Stradner fest: "Ich kann nicht alles, jede Einzelheit, überprüfen und/oder bestätigen, was auf Facebook geschrieben steht, weil es eben unmöglich ist."

Stradner ist auf Facebook auch mit dem Polizisten M. befreundet und auch mit General Brieger. Zu Letzterem hält er fest: "General Mag. Robert Brieger war einmal mein höchster Kommandant, so wie auch General Mag. Edmund Entacher. Ich schätze sie und will, dass Sie Entacher ebenso erwähnen, weil auch er ein guter, roter General gewesen ist."

"Sicherheitsrisiko"

Zurück zu Brieger. Der hat, wie berichtet, auch schon die EU-Kommission auf den Plan gerufen und die Grünen im Parlament. Die wollen in einer Anfrage an Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) wissen, ob der "Eindruck der Nähe zu neonazistischem Gedankengut und der Holocaustleugnung mit seinem Gelöbnis als österreichischer Offizier, der österreichischen Gesetzeslage und seinem Amt als Vorsitzender des EU-Militärausschusses" zu vereinbaren sei und ob er aufgrund seiner Nähe zur "FPÖ, welche gute Kontakte zu Putins Russland pflegt, darüber hinaus auch ein Sicherheitsrisiko gerade in europäischen Angelegenheiten" sei.

Brieger wurde unter dem damaligen FPÖ-Verteidigungsminister Mario Kunasek befördert und tauchte in Chats zwischen Heinz-Christian Strache und Herbert Kickl als "einer von uns" auf. Einer seiner Söhne ist Mitarbeiter im FPÖ-Parlamentsklub und wurde im Zusammenhang mit dem mutmaßlichen russischen Spion und ehemaligen Staatsschützer Egisto Ott und den ehemaligen FPÖ-Abgeordneten Hans-Jörg Jenewein im Juni des Vorjahres als Zeuge einvernommen (das Protokoll liegt dem STANDARD vor). (Colette M. Schmidt, 2.5.2024)