Als das milliardenschwere Signa-Konstrukt Ende vergangenen Jahres zu kollabieren begann, war das für manch Eingeweihten keine große Überraschung. Schon in den Jahren zuvor hatten sich die Anzeichen gemehrt, dass es große Probleme gibt. Schwerreiche Investoren wie der frühere Porsche-Chef Wendelin Wiedeking waren vor lauter Misstrauen ausgestiegen; auch in manch einer Signa-Bilanz fanden sich Auffälligkeiten. Dass die abenteuerlich komplizierte Konstruktion aus rund tausend unterschiedlichen Gesellschaften dazu dient, die wahre Lage der Signa zu verschleiern, galt unter vielen Experten und etwa Investigativjournalisten bereits seit Jahren als ausgemachte Sache.

Dennoch – es ging bis zum bitteren Ende weiter. Am Ende standen die größten Pleiten der österreichischen Wirtschaftsgeschichte: Allein die drei größten Signa-Gesellschaften Holding, Prime und Development haben Verbindlichkeiten von insgesamt rund 17 Milliarden Euro. Die immensen Verluste tragen reiche Investoren und Banken, aber auch kleine Lieferanten und Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

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Hochgradig intransparent: Wie ließe sich ein neuer Fall Signa verhindern?
© Christian Fischer

Welche Transparenzlücken man in Österreich schließen müsste, damit Derartiges nicht wieder geschehen kann? Mit dieser Frage befasst sich ein neues Papier des arbeitnehmernahen Momentum-Instituts in Wien, das dem STANDARD exklusiv vorliegt. Die beiden Autoren Leonhard Dobusch und Jakob Sturn liefern auch konkrete Reformvorschläge.

1. Die Sache mit der kleinen GmbH

Es soll ein Schritt gegen zu viel Bürokratie sein. Für die sogenannten kleinen GmbHs gelten laut österreichischem Unternehmensgesetzbuch geringere Transparenzanforderung. So müssen sie beispielsweise keine gesonderte Gewinn-und-Verlust-Rechnung ausweisen, keinen Aufsichtsrat einsetzen und ihren Jahresabschluss nicht von einem Wirtschaftsprüfer testieren, also prüfen lassen.

Aber was ist eine kleine GmbH? Das Gesetz sieht drei Bedingungen vor, von denen eine einzige erfüllt werden muss, um als solche zu gelten. Entweder der Jahresumsatz liegt unter zehn Millionen Euro oder die Anzahl die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist nicht höher als 50 – oder die Bilanzsumme beträgt weniger als fünf Millionen Euro.

Die Signa Holding, die Dachgesellschaft des Konzerns, ging aufgrund dieser gesetzlichen Vorgaben als kleine GmbH durch, denn sie erfüllte die beiden ersten Kriterien. Das dritte jedoch überschritt sie bei weitem; die Bilanzsumme der Signa Holding GmbH lag Ende 2022 bei 4,6 Milliarden statt bei fünf Millionen Euro.

"Bei einer Aktiengesellschaft wäre dieses Umgehungskonstrukt nicht möglich gewesen", heißt es im Momentum-Papier. Der Grund: Dort gelten höhere gesetzliche Transparenzvorschriften. Auch wenn nur bei einem der drei Kriterien eine massive Überschreitung festgestellt wird – konkret um den fünffachen Wert –, muss genauer hingeschaut werden. Die daraus folgende Anregung der Autoren: Bei der Frage, ob GmbHs als groß oder klein klassifiziert werden, möge "eine Angleichung der Regeln an jene für Aktiengesellschaften" vorgenommen werden.

2. Ein Konzern ist ein Konzern ist ein Konzern

Es war ein Projekt, in das das Signa-Management viel Mühe steckte: Es galt zu verhindern, dass das Signa-Konstrukt gesellschaftsrechtlich als Konzern gilt – statt als Konglomerat einzelner Unternehmern. Von einem Konzern spricht man, wenn die Konzernmutter mehr als fünfzig Prozent an ihren Töchtern hält oder wenn die Gesellschaften von einem einheitlichen Management geführt werden. Die wichtigste Folge, die sich ergibt, wenn eine Firmengruppe offiziell als Konzern gilt: Sie muss eine konsolidierte Konzernbilanz über alle Gesellschaften hinweg legen.

Das jedoch wollte man bei der Signa gar nicht. Denn es hätte bedeutet, dass Außenstehende einen besseren Überblick über den Zustand des Firmengeflechts gehabt hätten. Außerdem wäre das Finanzierungsmodell der Signa bei einer einheitlichen Konzernbilanz erschwert worden: konkret die Praxis, dass sich einzelne Investoren an Teilen von Signa-Gesellschaften mit einer sogenannten Put-Option beteiligten; das bedeutet, dass sie nach Ablauf einer Frist durch Ziehen der Option aus ihrem Investment aussteigen können. Im Rahmen einer konsolidierten Konzernbilanz hätten derartige Optionen offengelegt werden müssen.

Aber wie gelingt es einem Konzern, nicht als Konzern zu gelten? Die sogenannte Konsolidierungspflicht umging die Signa, indem die Signa Holding formell weniger als 50 Prozent an ihren Töchtern hielt. Außerdem erweckte sie den Eindruck, über keine einheitliche Leitung zu verfügen. Der Trick dahinter: René Benko hatte formell keine Funktion in der Signa inne, sondern war lediglich Vorsitzender des Beirats der Signa Holding, der kein offizielles gesellschaftsrechtliches Gremium war.

Es gelte, dieser "Umgehung gesetzlich vorgesehener Konsolidierungspflichten" entgegenzutreten, so das Momentum-Papier. Dies könnte unter anderem bewerkstelligt werden, indem man eine Vorgabe aus der Welt börsennotierter Firmen auf alle anderen überträgt. Börsennotierte Unternehmen gelten unter gewissen Bedingungen als "Firmen von hohem öffentlichen Interessen" ("Public Interest Entity"). Infolgedessen gibt es verschärfte Transparenzverpflichtungen. Auch abseits der Börse sollte die Regel auf große Unternehmensgeflechte ausgeweitet werden, fordern die Autoren.

3. Mehr Strenge beim Firmenbuch

Nicht nur legte die Signa keine Konzernbilanz vor, auch bei den Bilanzen der unterschiedlichen Teilgesellschaften war man äußerst schleißig – mit Kalkül. Weil das rechtzeitige Vorlegen der Bilanzen einen Einblick in die Lage des Unternehmens ermöglicht hätte, wurde vorsätzlich und proaktiv verzögert, mitunter gleich um mehrere Jahre.

Diese Praxis ist zwar strafbar – aber die Signa ging so weit, dass sich betroffene Geschäftsführer, die Geldbußen wegen verspäteter Bilanzen aufgebrummt bekommen hatten, selbige vom Unternehmen zurückholen konnten. Das sparte dem Signa-Konstrukt letztlich sogar Gewinnsteuern, weil die höheren Ausgaben gewinnmindernd wirkten.

Rechtlich verpflichtend ist, dass neun Monate nach Ablauf eines Geschäftsjahres der Jahresabschluss beim Firmenbuchgericht eingereicht werden muss. Falls nicht, gibt es alle zwei Monate, die die Einreichung länger auf sich warten lässt, eine Strafe für den Geschäftsführer der betroffenen Gesellschaft. Sie reicht von 700 bis 3600 Euro. Die Geldbuße ist derart gering, dass sie die Signa in Kauf nahm und oft mit extremer Verspätung ihre Jahresabschlüsse vorlegte.

Was tun? In diesem Bereich hat die Regierung bereits reagiert. Im Jänner schlug Justizministerin Alma Zadić (Grüne) vor, dass die Strafen deutlich erhöht werden. Bei größeren Unternehmen sollen sie laut Zadić bis zu 20.000 Euro betragen; nach wiederholter Verwarnung sollen gar fünf Prozent des weltweiten Umsatzes als Strafe fällig werden. "Es wird notwendig sein, die Strafen so zu erhöhen, dass sie auch Großkonzerne nicht mehr ignorieren können", sagte Zadić im Jänner. Nun hängt die Realisierung ihres Vorschlags vom Koalitionspartner ÖVP ab.

Geht es nach dem Momentum-Papier, sollen die Sanktionen noch schärfer ausfallen. Nach dem Vorbild einiger anderer Länder wie beispielsweise Großbritannien fordern die Autoren "wirksamere gesellschaftsrechtliche Konsequenzen". Sie könnten "bis zur Streichung aus dem Firmenbuch" reichen, so die Autoren. (Joseph Gepp, 2.5.2024)