Maximilian Krah, AfD-Spitzenkandidat für die EU-Wahl, wurde von der AfD-Spitze am Dienstag in Berlin zum Gespräch erwartet.
Maximilian Krah, AfD-Spitzenkandidat für die EU-Wahl, wurde von der AfD-Spitze am Dienstag in Berlin zum Gespräch erwartet.
AFP/RONNY HARTMANN

Als Maximilian Krah, der AfD-Spitzenkandidat für die EU-Wahl am 9. Juni, am Dienstagmorgen in Straßburg landete, war seine Welt noch in Ordnung. So zumindest schilderte er seinen Tag zunächst der Bild-Zeitung. Nichts Beunruhigendes habe er da geahnt.

Später legte Krah auf X, vormals Twitter, nach und erklärte: "Von der Festnahme meines Mitarbeiters Jian G. habe ich heute Vormittag aus der Presse erfahren. Weitere Informationen liegen mir nicht vor. Die Spionagetätigkeit für einen fremden Staat ist eine schwerwiegende Anschuldigung. Sollten sich die Vorwürfe als wahr erweisen, würde dies die sofortige Beendigung des Dienstverhältnisses nach sich ziehen."

Zu diesem Zeitpunkt war Krahs Mitarbeiter schon einige Stunden in Haft. Denn die Bundesanwaltschaft, die für die Sicherheit Deutschlands zuständig ist, hat den deutschen Staatsangehörigen am Montag von Beamten des Landeskriminalamts Sachsen in Dresden vorläufig festnehmen lassen.

Ihm wird Agententätigkeit für einen ausländischen Geheimdienst in einem besonders schweren Fall zur Last gelegt und folgender Sachverhalt vorgeworfen: "Jian G. ist Mitarbeiter eines chinesischen Geheimdienstes. Seit dem Jahr 2019 arbeitet er für ein deutsches Mitglied des Europäischen Parlaments. Im Jänner 2024 gab der Beschuldigte wiederholt Informationen über Verhandlungen und Entscheidungen im Europäischen Parlament an seinen nachrichtendienstlichen Auftraggeber weiter. Zudem spähte er für den Nachrichtendienst chinesische Oppositionelle in Deutschland aus."

Chinesische Wurzeln

Die Erkenntnisse stammen vom deutschen Bundesamt für Verfassungsschutz. Bild schreibt, im Handelsregister fände sich unter den Namen der Familie auch eine Beratungsfirma: für die "interkulturelle Kommunikation zwischen Deutschland und China" und für den "Handel mit Haushaltswaren und elektrischen Erzeugnissen sowie Übersetzungsservice".

Laut der Tagesschau G. ist seit einigen Jahren deutscher Staatsangehöriger, hat jedoch chinesische Wurzeln. Er soll 2002 als Student nach Dresden gekommen, auch als Geschäftsmann tätig gewesen und zeitweilig Mitglied der SPD gewesen sein. Im Zusammenhang mit einer Unternehmensgründung habe er Krah kennengelernt. Dieser ist Jurist und war in Dresden als Rechtsanwalt tätig.

Als Krah 2019 ins EU-Parlament einzog, stellte dieser G. an. Nach Informationen der Tagesschau ist G. für die deutschen Sicherheitsbehörden seit mehr als zehn Jahren kein Unbekannter: Den Recherchen nach soll er sich ihnen vor mindestens zehn Jahren als Informant angeboten haben. Zu einer Zusammenarbeit sei es jedoch nicht gekommen, da der Mann als unzuverlässig eingestuft wurde und man ihn für einen möglichen Doppelagenten Chinas gehalten habe.

Suspendierung im EU-Parlament

Das EU-Parlament hat am Dienstag bereits Konsequenzen aus den Informationen gezogen: "In Anbetracht der Schwere der Enthüllungen hat das Parlament die betreffende Person mit sofortiger Wirkung suspendiert", sagte eine Sprecherin.

Alice Weidel und Tino Chrupalla nehmen die Vorwürfe "sehr ernst", sagen sie.
AFP/ODD ANDERSEN

Hingegen musste sich die AfD erst sortieren. Ein Parteisprecher bezeichnete die Festnahme zunächst am Vormittag als "sehr beunruhigend" und erklärte: "Da uns derzeit noch keine weiteren Informationen zu dem Fall vorliegen, müssen wir die weiteren Ermittlungen des Generalbundesanwalts abwarten."

Am Nachmittag betonte dann Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel, dass man die Angelegenheit "sehr ernst" nehme. Krah wurde noch am Dienstag zum Gespräch mit der AfD-Spitze in Berlin erwartet.

In der Bild wurde ein nicht namentlich genanntes Mitglied des AfD-Bundesvorstands mit den Worten zitiert: "Herr Krah wird inzwischen zum Problem für die AfD." Diese Wortmeldung griff eine AfD-Kollegin von Krah, die EU-Abgeordnete Sylvia Limmer, X auf und erklärte dort ergänzend: Ein Problem war er bereits die letzten 5 Jahre für die Delegation mit seiner abseitigen Haltung zu China, #Russland, den #USA, #Israel, #Frauen und vielem mehr."

Geld aus Russland

Erst vor wenigen Tagen war bekannt geworden, dass Krah vom FBI wegen seiner Kontakte und möglicher Zahlungen des prorussischen Aktivisten Oleg Woloschyn befragt worden war. Den Kontakt bestätigte Krah, er bestritt aber, Geld bekommen zu haben.

Wie auch Krah steht der zweitgereihte Kandidat auf der AfD-Liste für die EU-Wahl, Petr Bystron, im Verdacht, von Russland finanziert worden zu sein. Darüber hatten tschechische Medien unter Berufung auf den tschechischen Geheimdienst berichtet. Daraufhin hatte Krah erklärt: "Petr Bystron sollte bis zur Klärung der im Raum stehenden Vorwürfe keine Wahlkampfauftritte absolvieren."

Die AfD-Spitze hält derzeit an beiden – Krah und Bystron – fest. Parteichef Tino Chrupalla erklärte am Sonntag in der ARD-Talksendung von Caren Miosga: "Korruption gibt es in jeder Partei."

Alarmiert über die Verhaftung des Mitarbeiters von Krah zeigen sich Spitzenpolitiker anderer deutscher Parteien. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) fordert Aufklärung und nimmt die AfD in die Pflicht: "Wenn sich bestätigt, dass aus dem Europäischen Parlament heraus für chinesische Nachrichtendienste spioniert wurde, dann ist das ein Angriff von innen auf die europäische Demokratie. Wer einen solchen Mitarbeiter beschäftigt, trägt dafür Verantwortung."

Harte Konsequenzen

Von Justizminister Marco Buschmann (FDP) kommt die Forderung: "Harte Konsequenzen müssen folgen, wenn sich der Verdacht bestätigt." Denn sollte sich dieser bestätigen, "trifft er das Herz unserer Demokratie".

Der grüne Fraktionsvize im Bundestag, Konstantin von Notz, sagt: "Die AfD ist offensichtlich immer dabei, wenn es darum geht, deutsche Interessen zu verraten und unserer Demokratie zu schaden." Sie seien den "autokratischen Regimen dieser Welt – sei es Russland, China oder Nordkorea – weitaus näher als den Demokratien in Deutschland und Europa". Ihre "Illoyalität" zu Deutschland mache "aus der AfD ein relevantes Sicherheitsproblem für unser Land".

Am Montag waren in Deutschland zwei Männer und eine Frau – alle drei deutsche Staatsbürger – festgenommen worden. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen vor, seit Sommer 2022 für den chinesischen Geheimdienst tätig gewesen zu sein und Informationen über militärisch nutzbare Technologien geliefert zu haben.

China weist die Berichte über eigene Spione in Deutschland als Verleumdung zurück. "Die Absicht hinter diesem Hype ist ganz offensichtlich, nämlich China zu verleumden, zu unterdrücken und die Atmosphäre der Zusammenarbeit zwischen China und Europa zu untergraben", sagte ein Sprecher des Pekinger Außenministeriums. (Birgit Baumann aus Berlin, 23.4.2024)