Die Einigung in der Politik ging rasch. Die angeschlagene Bauwirtschaft wird ein zwei Milliarden Euro schweres Hilfspaket bekommen, verkündete die türkis-grüne Koalition Ende Februar. Die Ausarbeitung der Details hat aber gedauert. Erst seit vergangener Woche ist fix, wie und wo der Handwerkerbonus, einer der großen Brocken des Pakets mit einem Volumen von immerhin 300 Millionen Euro, beantragt werden kann. Das Wirtschaftsministerium hat die Verordnung dazu vorgelegt. Aber wird der Bonus der Wirtschaft etwas bringen? Zweifel sind angebracht: Schon 2014 wurde ein Handwerkerbonus fixiert. Eine zwei Jahre später erstellte Studie des Forschungsinstituts IHS stellte ihm ein miserables Zeugnis aus: Er habe nichts gebracht, aber viel gekostet. Wie sieht der ehemalige Leiter des Instituts, der heutige Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP), das Thema?

STANDARD: Erkennen Sie diese Zitate? Bei der Analyse der mit dem Handwerkerbonus geförderten Leistungen deutet "viel auf Mitnahmeeffekte hin". Und: "Gesamt betrachtet wurde keiner der intendierten Effekte des Handwerkerbonus erreicht."

Kocher: Ich nehme an, da geht es um den letzten Handwerkerbonus.

STANDARD: Die Zitate stammen aus einer Studie des Forschungsinstituts IHS vom März 2016, das Sie wenig später als Leiter übernahmen. Die Studie kam zum Ergebnis, dass der Handwerkerbonus kein taugliches Instrument war, um die Bauwirtschaft anzukurbeln. Jetzt haben Sie als Minister dennoch wieder einen auf den Weg gebracht. Warum?

Kocher: Wir hatten 2015 und 2016, als der alte Handwerkerbonus gegriffen hat, ein Wachstum von ein bis zwei Prozent. Jetzt haben wir eine Rezession erlebt. Die Situation jetzt ist doch eine andere. Der Handwerkerbonus ist eine Maßnahme, die Unternehmen unterstützen soll, die besonders stark von der schwachen Auftragslage am Bau betroffen sind. Jetzt ist ein derartiger Bonus immer eine Maßnahme, die recht breit streut. Allerdings ist der Bonus stark begrenzt, was die Höhe betrifft. Wir fördern maximal 2000 Euro pro Haushalt oder 20 Prozent der Rechnungen im heurigen Jahr. So kann das eine sinnvolle Maßnahme sein, um die Konjunktur zu stützen.

Will keinen Zweckoptimismus verbreiten, erwartet aber baldigen Aufschwung: Wirtschaftsminister Martin Kocher.
Heribert Corn

STANDARD: Aber eine Kritik der Experten war eben, dass es starke Mitnahmeeffekte gibt, Menschen sich also Leistungen fördern lassen, die sie ohnehin in Auftrag gegeben hätten.

Kocher: Die Frage ist, wie stark der ausgelöste Zusatzeffekt sein wird. Der wird jetzt stärker sein, in einer Situation, in der die Bauwirtschaft konjunkturell besonders schwächelt. Wir hatten zur Zeit des letzten Handwerkerbonus auch viel niedrigere Zinssätze auf Kredite als aktuell, was auch dafür spricht, dass der Bonus jetzt stärker wirken wird.

STANDARD: Wie sehr macht Ihnen die wirtschaftliche Entwicklung in Österreich Sorgen? Das Forschungsinstitut Wifo hat zuletzt eine Prognose nach der anderen korrigiert. Aktuell erwartet man nur mehr 0,2 Prozent Wachstum für heuer. Kann es sein, dass selbst das nicht halten und Österreich nach 2023 auch 2024 in einer Rezession stecken wird?

Kocher: Alle Daten zeigen uns, dass 2024 besser sein wird als 2023. Aber es stimmt, die Konjunktur ist weiterhin schwächer, als das die Wirtschaftsforscher noch bis vor kurzem erwartet haben. Das liegt zum einen daran, dass die Weltwirtschaft schwächelt. Zum anderen sind auch Deutschlands Wachstumsprognosen nach unten korrigiert worden, was in der Folge Österreich trifft. Es liegt auch daran, dass der Konsum nicht so angesprungen ist, wie das erwartet wurde. Die Sparquote in Österreich ist immer noch hoch, höher als vor der Pandemie. Und Unternehmen halten Investitionen zurück. Wenn das Vertrauen zurückkommt, dann kann es auch relativ schnell wieder stärker bergauf gehen.

STANDARD: Wifo-Chef Gabriel Felbarmayr sagt, es bräuchte Maßnahmen, um mehr Zuversicht bei Konsumentinnen und Konsumenten zu schaffen. Reicht das soeben beschlossene Baupaket dafür aus?

Kocher: Ausschließlich mit einer politischen Maßnahme Zuversicht zu schaffen und die Stimmung umzudrehen ist nicht möglich. Wir werden jetzt eine gewisse Zuversicht in den Bereichen erzeugen, wo unser Paket wirkt, zum Beispiel im Bereich des Baus. Insgesamt wird es darum gehen müssen, dass wir wieder realistischer auf die Zahlen schauen. Damit will ich jetzt keinen Zweckoptimismus verbreiten. Aber im Moment wird die Lage der österreichischen Wirtschaft etwas schlechter beurteilt, als sie tatsächlich ist.

STANDARD: Die Haushalte tun das?

Kocher: Auch die Unternehmen. Alle Statistiken zeigen uns, dass bei den Haushalten in der schwierigen Phase der hohen Inflation die Kaufkraft erhalten wurde. Im Bereich der Unternehmen wird der Standort manchmal negativer dargestellt, als er tatsächlich ist. Im März erst wurde eine Studie des deutschen Ifo-Instituts präsentiert, wonach Österreichs Standortattraktivität unter den Top fünf der EU liegt. Das wird allerdings derzeit nicht so wahrgenommen. In einer konjunkturell schwierigen Zeit ist es üblich, dass die Stimmung schlechter ist als die Lage, das ist nicht immer ganz rational. Aber das kann sich sehr rasch drehen, wenn positive äußere Impulse kommen, etwa aus der Weltwirtschaft.

STANDARD: Aber woher soll der Impuls kommen? Die Zinsen sind hoch, der Ölpreis ist gestiegen, und geopolitisch sieht es nicht besonders gut aus.

Kocher: Es gibt ein paar Länder, die nun in eine Wachstumsphase kommen oder stärker wachsen als erwartet, etwa die USA. Außerdem ist möglich, dass die Europäische Zentralbank bald den Leitzins senkt.

STANDARD: Ein breites Paket zur Ankurbelung der Konjunktur braucht es nicht?

Kocher: Ich glaube nicht, dass das im Moment eine richtige Antwort wäre. So ein Paket bräuchte längere Zeit, bis es voll wirkt. Das wäre erst im kommenden Jahr der Fall. Wenn die Prognosen stimmen, werden wir im kommenden Jahr 1,5 Prozent Wachstum haben. Ein größeres Paket würde genau dann die Nachfrage zusätzlich ankurbeln, was die Gefahr mit sich brächte, dass Preise wieder stärker nach oben gehen. Das sollte keinesfalls geschehen.

STANDARD: Müssten Sie nicht gerade als Arbeitsminister mehr Maßnahmen fordern? Österreich zählt laut Industriestaatenorganisation OECD zu den Ländern mit dem stärksten Anstieg der Arbeitslosigkeit bei Menschen unter 25. Fast 60.000 von ihnen haben aktuell keinen Job. Ist das nicht ein Alarmzeichen?

Kocher: Wir haben derzeit immer noch die drittniedrigste Arbeitslosenquote der letzten 15 Jahre. Es stimmt, dass gerade bei jungen Menschen die Arbeitslosigkeit gestiegen ist. Wir haben aber gerade für diesen Bereich extrem viel Mittel aus der aktiven Arbeitsmarktpolitik gewidmet: Heuer und im kommenden Jahr wird es je 75 Millionen Euro zusätzlich für die Arbeitsmarktintegration junger Menschen mit Migrationshintergrund, die einen großen Teil des Anstiegs ausmachen, geben. Das halte ich für richtig und sinnvoller als breit gestreute Konjunkturmaßnahmen, mit denen sich gerade bei dieser Gruppe spezifisch wenig erreichen ließe.

STANDARD: 75 Millionen wirken angesichts des Problems bescheiden. Die Bildungskarenz kostet 350 Millionen Euro im Jahr.

Kocher: Für aktive Arbeitsmarktpolitik geben wir insgesamt 1,4 Milliarden Euro aus, ein Teil davon ist natürlich für junge Menschen. Die 75 Millionen pro Jahr gibt es zusätzlich. Wir verfolgen dabei einen neuen Ansatz, indem gerade in den Bundesländern Jugendcolleges und ähnliche Einrichtungen gefördert werden. Dort soll die Arbeitsmarktvorbereitung junger Migrantinnen und Migranten parallel mit Sprachkursen stattfinden, während fehlende Fähigkeiten aus der Pflichtschulzeit nachgeholt werden können.

STANDARD: Ein anderes Thema zum Schluss. Ihre Kollegin, Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne), hat ein Gesetz zur Gasdiversifizierung vorgelegt. Sie will ab 2027 gar kein russisches Gas mehr bei österreichischen Versorgern sehen. Aktuell stammen rund 90 Prozent aus Russland. Schon im Gasjahr 2024/2025 soll der Anteil von alternativem Gas verpflichtend bei 40 Prozent liegen. Das klingt doch schlau. Die ÖVP gibt sich skeptisch.

Kocher: Klar ist, dass Österreich sich verpflichtet hat, bis 2027 aus russischem Gas auszusteigen. Ich habe den Gesetzesvorschlag noch nicht gesehen, ich kenne die Zielsetzung und ein paar wenige Eckpunkte. Die Frage ist aber, wie kommen wir zum Ziel, welche Kosten sind damit verbunden, und wie sicher ist der Ausstieg für die Produktion in Österreich? Ein möglicherweise zu schneller Ausstieg darf keinen Flurschaden für die Wirtschaft erzeugen.

APA

STANDARD: Machen Sie sich da Sorgen?

Kocher: Die Frage ist: Welche Voraussetzungen müssen erfüllt werden von Unternehmen, von Haushalten, wie wird das genau umgesetzt? Man kann alles diskutieren, und wir werden uns das Gesetz ansehen, sobald es vorliegt. Bislang kennen wir nur die Berichte aus den Medien darüber.

STANDARD: Aber der Krieg in der Ukraine tobt seit 2022. Warum bekennen Sie und die ÖVP sich jetzt nicht klar und rasch zu diesem Ausstieg?

Kocher: Wir teilen die Zielsetzung, aus russischem Gas auszusteigen. Wir müssen aber auch darauf achten, das in der Praxis so darzustellen, dass es zu keiner Mangellage beim Gas kommt.

STANDARD: Haben Sie da Befürchtungen? Es gibt doch genug Gas: Alle Länder, die kein russisches Pipelinegas beziehen, konnten sich ja gut über andere Kanäle versorgen.

Kocher: Das liegt auch daran, dass wir in Österreich aus verschiedenen Gründen immer noch russisches Gas über die Pipelines beziehen. Nicht alle Anbieter haben gesagt, dass sie ganz leicht aus russischem Gas aussteigen können. Wie gesagt: Das Ziel, auszusteigen, ist unumstritten, die Frage ist, wie man da möglichst gut hinkommt. (András Szigetvari, 23.4.2024)