Eine Falcon 9 von Space X startet von der Cape Canaveral Space Force Station. Sie kann bis zu 143 Satelliten in den Orbit bringen.
IMAGO/USA TODAY Network/Malcolm Denemark

Es wird ganz schön eng dort oben: Schon bald sollen 45.000 Satelliten die Erde in einem nahen Orbit umkreisen. Dafür verantwortlich ist der Wunsch nach möglichst flächendeckender und schneller Satellitenkommunikation. Ein wahres Wettrennen um die Dominanz im wirtschaftlich wachsenden Markt in einer Höhe ab 500 Kilometern ist ausgebrochen, auch wenn in der Branche noch die wenigsten wirklich Geld verdienen. Aber wir stehen vor einem Technologiesprung, der alles verändern könnte, sagen Experten. Was noch immer fehlt, ist die dringend nötig Regulierung, denn im All können Unternehmen wie Space X noch immer machen, was immer sie wollen.

Die erste Generation geht langsam

Low-Earth-Orbit-Satelliten, sogenannte Leos, kreisen in einer Höhe von 500 bis etwa 2000 Kilometern, also sehr nahe zur Erdoberfläche. Das hat einen enormen Vorteil, den etwa geostationäre Satelliten mit ihrer Distanz von rund 36.000 Kilometern nicht haben: Die Nähe macht höhere Bandbreiten und vergleichsweise geringere Latenzzeiten möglich. Das ist auch der Grund dafür, warum kommerzielle Unternehmen wie Space X / Starlink oder Eutelsat-Oneweb auf Leos setzen. Allein Space X soll mittlerweile 5852 Satelliten im Orbit haben, wie aus den Statistiken des Astrophysikers Jonathan McDowell hervorgeht.

Obwohl Starlink bis zu 220 Megabit pro Sekunde Bandbreite verspricht, liegen die tatsächlichen Verbindungsgeschwindigkeiten eher zwischen 25 und 150 Mbps. Das reicht zwar für die meisten Anwendungsfälle in einem Haushalt aus, mit einer Latenz von 25 bis 65 Millisekunden bleiben aktuelle Leos der ersten Generation deutlich hinter den Möglichkeiten vor allem kabelgebundener terrestrischer Lösungen zurück. Das ist aber auch nicht der entscheidende Faktor, wie Telekommunikationsexperte Rüdiger Schicht im Gespräch mit dem STANDARD erklärt. "Der Satellit ist immer teurer als terrestrischer Funk und war bislang eher Lückenbüßer in dünn besiedelten Gebieten. Aber was sicher in den nächsten Jahren kommen wird, ist ein Technologiesprung wie beim beim Mobilfunk."

Aktuell kommt Satelliteninternet der ersten Generation dort zum Einsatz, wo es nicht immer eine ausreichende Abdeckung mit terrestrischen Signalen gibt. So etwa in der automatisierten Landwirtschaft, in der Schifffahrt oder eben in der Direct-to-Cell-Kommunikation von Mobiltelefonen. Die Notruffunktion aktueller iPhones nutzt beispielsweise das Leos-Netzwerk.

Die Anbieter gehen nun aber dazu über, ihre Satelliten der ersten Generation auszutauschen und sie durch Leos der zweite Generation zu ersetzen. Ganz freiwillig tun sie das nicht, schließlich wurde mit der ersten Generation schon kaum Geld verdient, aber die Lebensdauer der Leos ist auf etwa fünf bis sieben Jahre begrenzt. So musste Space X im Februar 100 Satelliten aus dem Orbit holen, sprich in der Atmosphäre verglühen lassen, weil sie eine nicht näher benannte technische Fehlfunktion aufwiesen.

Big Tech wittert große Chancen

Aber: Die neue Generation hat nicht nur dank leistungsfähigerer Antennen eine größere Funkleistung, sondern macht dank verbesserter Datentransfermöglichkeiten zwischen den Satelliten (Inter Satellite Links) die Datenübertragung rund fünfmal schneller, wie aus einer Studie der Boston Consulting Group hervorgeht. Gleichzeitig wird die Latenz halbiert, und die Zahl der Bodenstationen lässt sich ebenfalls reduzieren. Mit der verbesserten Technologie drängen auch neue Player auf den Markt, und Big Tech wittert eine Chance auf neue Anwendungsbereiche. Amazon hat etwa das Kuiper-Programm gestartet und möchte selbst über 3000 Satelliten ins All schießen. Google hat sich mit dem Mobilfunker AT&T zusammengetan und investiert 155 Millionen Dollar in AST Space Mobile aus Texas. Auch dessen Ziel ist es, ein Telekommunikationsnetzwerk aus Satelliten aufzubauen.

Starlink-Satelliten auf einer Falcon‑9-Oberstufe.
Starlink

Irdische Provider dürften jedenfalls ein reges Interesse an satellitengestützter Kommunikation haben. Diese werde zwar nie den billigeren und effizienteren terrestrischen Funk ersetzen, aber Resilienz lautet das Stichwort, so Schicht. Satelliteninternet könnte also der Back-up-Plan sein, wenn Funkverbindungen ausfallen. Dafür müssen die Hersteller aber ihre Smartphones anpassen. Aktuell braucht man für Starlink-Verbindungen noch einen Empfangsschüssel, für Direct-to-Cell-Kommunikation muss man das Smartphone auf einen Satelliten ausrichten. Damit derartige Verrenkungen nicht mehr nötig sind, sind stärkere Antennen nötig, die brauchen aber Strom, also werden künftige Smartphones auch größere Batterien brauchen.

Damit wird dann nicht nur satellitengestütztes Breitbandinternet möglich, sondern etwa auch verbundener Straßenverkehr und AR/VR-Anwendungen über Satellit. In der Studie wird vor allem Katastrophenhilfe genannt: Satelliteninternet kann in betroffenen Gebieten die Kommunikation sicherstellen und so im Notfall Leben retten.

Spielregeln dringend gesucht

Damit das irgendwann gelingt, braucht man eine ganze Menge Satelliten: Laut der aktuellen Studie werden in den kommenden Jahren 45.000 Leos um die Erde kreisen. Das Marktvolumen soll sich bis 2030 auf 40 Milliarden US-Dollar verdoppeln. Das bringt natürlich einen gewaltigen Schwung neuer Probleme mit sich. Ähnlich wie beim Thema Künstliche Intelligenz gibt es aktuell aber noch keine einheitlichen Spielregeln – vor allem, was das sogenannte Deorbiting betrifft. Also wie man nicht mehr gebrauchte Satelliten wieder aus dem All bekommt. Bis 2040 könnten mehr als 100.000 veraltete Leo-Satelliten die Erde umkreisen. Aktuell gibt es aber keine länderübergreifenden Spielregeln, wie man den Weltraumschrott auch wieder aus dem Orbit bekommt. Die US-Telekommunikationsbehörde Federal Communications Commission verlangt nun, dass Betreiber ihre Satelliten binnen fünf Jahren aus der Umlaufbahn schaffen müssen, nachdem diese ihren Zweck erfüllt haben.

Die Anbieter müssen sich auf der anderen Seite noch mit einem komplexen Geflecht aus nationalen Schrebergärten herumschlagen: In jedem Land sind Regulierungen anders, Start- und Landevorgaben sind unterschiedlich, Lizenzen für Bodenstationen sind nicht einheitlich geregelt. Starlink und Eutelsat-Oneweb scheinen hier einen Vorsprung zu haben: Beide Unternehmen sind mittlerweile globale Player. Starlink ist aktuell in 40 Ländern verfügbar, 50 weitere sollen noch in diesem Jahr dazukommen, darunter große Teile von Afrika. In Ländern wir der Türkei und Indien steht die Freigabe durch die Behörden noch aus. Eutelsat-Oneweb ist aktuell in 20 Ländern (Nordamerika und Europa) verfügbar, Mittel- und Südamerika, Zentralasien und Ozeanien sollen heuer dazukommen.

Damit ein Markt auch funktioniert, braucht es globale Spielregeln und Rahmenbedingungen, wie etwa Frequenzen vergeben werden. In der Praxis hat sich nämlich gezeigt, dass manche Anbieter gerne Frequenzen für sich reservieren, obwohl sie gar nicht die Absicht haben, sie überhaupt zu benutzen. Zweck der Übung ist, die Konkurrenz auszusperren. Zwar gibt es aktuell schon Regeln der International Telecommunications Union (ITU) gegen dieses sogenannte Spectrum-Warehousing, aber nationale und internationale Regulatoren müssen sich zusammensetzen und Regeln erstellen, so die Studienergebnisse. Der Fachmann umschreibt es so: "Die Komplexität wird nicht weniger." Am Ende werde es darauf ankommen, was die großen Blöcke wie die USA, Europa oder China machen, an denen werden sich andere Länder orientieren, so Schicht.

Noch nicht rentabel – noch

Finanziell scheint Satelliteninternet noch eine Wette auf die Zukunft zu sein. Schicht formuliert es noch drastischer: "Für eine Satellitenkonstellation sind sehr hohe Anfangsinvestitionen nötig, in der Hoffnung, dann die für ein rentables Geschäft notwendigen Umsätze auch generieren zu können." Deshalb versuchen manche Satellitenbetreiber Vorverpflichtungen für die Abnahme von Kapazitäten zu bekommen, bevor sie überhaupt anfangen, Satelliten ins All zu schießen. Aber: Das Thema werde relevant werden. Den Vorteil hat der, der jetzt die Milliarden für die Infrastruktur aufbringen kann.

"Irgendwann einmal wird ein Peak überschritten, und dann wird unter all den neuen Firmen wieder das große Sterben beginnen. Vor allem bei jenen, die den Preis von Space X nicht halten können", sagte Willibald Stumptner, Obmann des Österreichischen Weltraum-Forum (ÖWF), bereits im Vorjahr zum STANDARD. Stumptner kritisierte schon damals die Wild-West-Mentalität im Orbit. Seitdem hat sich nicht viel geändert. (Peter Zellinger, 22.4.2024)