Abholzung, Rumänien, Holzindustrie, Ikea
Holz aus rumänischen Schutzgebieten könnte immer wieder auch nach Österreich gelangen, warnen Umweltorganisationen.
AFP/DANIEL MIHAILESCU

Rumänien und Holz – das ist eine widersprüchliche Geschichte. Einerseits stehen in dem osteuropäischen Land mehr Natur- und Urwälder als in jedem anderen EU-Mitgliedstaat außerhalb Skandinaviens: Rund 500.000 Hektar, in etwa die Fläche von Burgenland und Wien, von denen wiederum mehr als 60 Prozent offiziell unter Schutz stehen. Gleichzeitig fallen immer mehr Teile dieser Wälder der legalen und illegalen Abholzung zum Opfer, kritisieren Umweltschutzorganisationen.

Immer wieder kann dieses Holz auch in Österreich landen. Österreichische Holzkonzerne, darunter beispielsweise HS Timber, Egger und Kronospan, die auch Werke in Rumänien betreiben, stehen seit Jahren in der Kritik, Holz aus illegaler Schlägerei zu beziehen. Aber auch große Möbelkonzerne, darunter Ikea, die in der Vergangenheit ebenso Holz von diesen Holzkonzernen einkauften, sehen sich zunehmend mit Vorwürfen konfrontiert.

Stühle und Betten von Ikea

Laut einem aktuellen Bericht der Umweltschutzorganisation Greenpeace beziehen mindestens sieben Möbelhersteller, die auch für Ikea produzieren, Holz aus schützenswerten Wäldern und Urwäldern, unter anderem in Rumänien. Dabei handle es sich um Wälder, die zum Teil über 120 Jahre alt seien, dadurch eine besonders hohe Artenvielfalt aufweisen und große CO2-Senken seien. In den vergangenen 20 Jahren habe Rumänien laut der Organisation bereits mehr als die Hälfte seiner Urwälder durch Abholzung verloren.

Dieses Holz könne laut Greenpeace auch in bekannten Ikea-Produkten stecken, darunter in Stühlen der Kollektion Ingolf oder in Kinderbetten und Bettgestellen der Kollektion Sniglar. Einen hundertprozentigen Nachweis gebe es dafür allerdings nicht.

Ikea, Holzindustrie, Möbel
Der Möbelkonzern Ikea wirbt international damit, nachhaltig und sogar klimapositiv zu produzieren. Der Konzern betreibt fast 500 Geschäfte auf der ganzen Welt. Das Holz für die Produkte kommt aus mehr als 50 Ländern.
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Verzweigte Lieferketten

Denn die Netzwerke und Lieferketten hinter den Produkten sind oftmals ziemlich verzweigt. Laut Greenpeace-Recherchen stamme das Holz für die Ingolf-Stühle etwa von dem rumänischen Möbelhersteller Plimob SA, der fünf Werke in Rumänien betreibt und mehrere Millionen Stühle pro Jahr produziert. Dieser wiederum habe Holz von einem Lieferanten namens Silva Grup erhalten, der hauptsächlich Holz aus Zentralrumänien beziehe und Bewilligungen für die Abholzung in Gebieten besitze, in denen das Baumalter im Durchschnitt bei 140 Jahren liege.

Das Holz für Kinderbetten der Kollektion Sniglar stamme laut Greenpeace wiederum von den beiden rumänischen Herstellern Masifpanel SRL und Iris Service Ciuc SA. Diese kauften Holz von Zulieferern, die Bewilligungen für die Abholzung von mindestens 120 Jahre alten Bäumen besitzen, die sich in Natura-2000-Schutzgebieten befinden. Laut Greenpeace erzielten die sieben der 15 größten rumänischen Hersteller, die Ikea belieferten, 2022 einen Umsatz von rund 480 Millionen Euro.

Ikea müsse sofort sicherstellen, dass kein Holz aus Urwäldern und anderen Wäldern mit hohem Naturschutzwert in ihre Lieferkette gelange, fordert die Umweltschutzorganisation.

Abholzung, Rumänien, Holzindustrie, Ikea
Viele Wälder in Rumänien seien besonders alt und deshalb wichtig für die Biodiversität und das Klima. Dennoch gehe die Abholzung auch in diesen Gebieten weiter, kritisieren Umweltschutzorganisationen.
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"Wir nehmen Hinweise auf die Gefahr von Verstößen gegen interne und externe forstwirtschaftliche Auflagen sehr ernst", heißt es in einer Stellungnahme von Ikea zum STANDARD. Man akzeptiere kein Holz von alten und geschützten Wäldern in den Produkten. Die forstwirtschaftlichen Praktiken der Zulieferer seien allesamt legal, stünden im Einklang mit lokalem und EU-Recht und seien von der Forest Stewardship Council (FSC) zertifiziert.

Primärwälder werden zudem nicht nur über das Alter der Bäume klassifiziert, wie dies in dem Greenpeace-Bericht passiere, sondern unter anderem auch durch die Artenvielfalt des Waldes, der Menge an Totholz und menschlichen Einflüssen.

Der Großteil des Holzes für die Produkte stamme aus Schweden, Polen, Russland, Litauen und Deutschland, gibt der Konzern auf seiner Website an. Lediglich vier Prozent des Frischholzes in der Lieferkette komme aus Rumänien.

Fehlende Klassifizierung

Das Problem laut Greenpeace hinter der Abholzung: Viele Wälder in Europa seien derzeit nicht als Urwälder klassifiziert und deshalb auch nicht geschützt. Laut einem Bericht des EU Joint Research Centre treffe dies auf circa 4,4 Millionen Hektar in Europa zu – eine Fläche, die größer als das Staatsgebiet der Niederlande ist. Gleichzeitig werde auch in Natura-2000-Schutzgebieten oftmals abgeholzt, obwohl es sich die EU zum Ziel gesetzt habe, Gebiete mit großer biologischer Vielfalt bis 2030 besser zu schützen.

Dass geschützte Wälder in Rumänien immer wieder der Abholzung zum Opfer fallen, ist auch der EU seit längerem bekannt. Die EU-Kommission hat deshalb bereits vor einigen Jahren ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Rumänien eingeleitet. In einigen Gebieten, die zum Teil sehr abgelegen liegen, habe die Abholzung seit Einleitung des Verfahrens jedoch noch zugenommen, berichten Umweltorganisationen.

Lebensraum nicht beeinträchtigen

Grundsätzlich gilt in Natura-2000-Schutzgebieten ein Verschlechterungsverbot – das bedeutet, dass der Lebensraum der dort gefährdeten Arten nicht beeinträchtigt werden darf. Damit hängt es von der geschützten Art ab, welche Eingriffe in einem solchen Gebiet erlaubt sind. "Es gibt einen gewissen Ermessensspielraum", sagt Daniel Ennöckl, Umweltrechtsprofessor der Wiener Universität für Bodenkultur, zum STANDARD.

Allerdings müsse sich jeder geplante Eingriff einer Naturverträglichkeitsprüfung unterziehen. Dass das beim industriellen Fällen von Bäumen gewährleistet wird, schätzt Ennöckl als schwierig ein. "Es ist überraschend, dass das die rumänischen Behörden genehmigen." Laut Umweltorganisationen fehle es häufig an Umwelt- und Naturverträglichkeitsprüfungen, oder es seien diese Prüfungen mangelhaft.

Von den rumänischen Behörden hieß es, dass die betroffenen Gebiete in den vergangenen Jahren mehrfach von der Forstbehörde kontrolliert worden seien. Tatsächlich führten die Behörden und die rumänische Polizei vor einigen Jahren mehrere Razzien bei größeren Holzkonzernen und deren Zulieferern durch. Das Ergebnis: Für mehr als 93.000 Kubikmeter Holz aus Rumänien fehlten legale Dokumente, 20.000 Kubikmeter wurden illegal abgeholzt, gegen mehr als 2.000 Personen wurde ermittelt, 18 Laptops, 62 Mobiltelefone, illegal besessene Waffen und Munition sowie 87.000 Euro wurden beschlagnahmt.

Fragwürdige Zertifizierungen

Es ist nicht das erste Mal, dass Ikea für die Holzbeschaffung in der Kritik steht. Schon 2014 verlor Swedwood, eine Tochterfirma von Ikea, das FSC-Umweltsiegel für die bewirtschafteten Wälder, nachdem in besonders schützenswerten Gebieten in Russland illegale Abholzungen vorgenommen worden seien. Ein Bericht der Umweltorganisation Agent Green aus dem Jahr 2021 stellte ebenfalls größere Mängel im Umgang mit Wäldern in Rumänien fest. Ikea besitze rund 50.000 Hektar Wald in Rumänien, immer wieder werde Holz aus besonders alten und geschützten Wäldern verwendet, hieß es in dem Bericht.

Zertifizierungen helfen laut Studien nur bedingt, nachhaltige von nichtnachhaltigen Holzprodukten zu unterscheiden. Eine investigative Recherche kam im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass seit 1998 weltweit 340 Holzunternehmen Umweltverbrechen vorgeworfen wurden. Dennoch hätten 48 Umweltprüfungsunternehmen wie der deutsche TÜV und das Schweizer SGS die Forstunternehmen als nachhaltig klassifiziert.

Ein wenig Abhilfe schaffen soll künftig auch das geplante Lieferkettengesetz, auf das sich die EU-Mitgliedsstaaten kürzlich einigten. Dadurch sollen größere Unternehmen verpflichtet werden, ihre Zulieferer auf Verstöße gegen Umwelt- und Menschenrechte zu kontrollieren und bei Bedarf Maßnahmen zu setzen. Bis vor allem große Konzerne diese Vorgaben auch einhalten müssen, könnte es aber noch bis zum Anfang des nächsten Jahrzehnts dauern. (Jakob Pallinger, Marie Kermer, 10.4.2024)