Donnerstagfrüh. Seit Mitternacht steht bei der größten Fluglinie des Landes, der AUA, alles still. 400 Flüge wurden abgesagt, weil die Gewerkschaft wegen unerfüllter Gehaltsforderungen streikt. Der Flughafen Wien würde sich wohl gerade mit Menschen füllen, weil über die Osterfeiertage gemeinhin viele Leute verreisen. Aber er ist weitgehend leer. Nur am Terminal 1 – dort, wo andere Airlines wie Wizzair, Ryanair und Turkish Airlines ihre Check-in-Schalter haben – sind einige Gäste unterwegs. "It's like Corona here", sagt eine Air-Canada-Mitarbeiterin zu anderen.

Ein Streit um die Gehälter von rund 2.500 Flugbegleitern und tausend Piloten und Pilotinnen hat den wichtigsten Verkehrsknotenpunkt des Landes weitgehend lahmgelegt. 50.000 Fluggäste müssen sich nach alternativen Reisemöglichkeiten umsehen. Die Arbeitsniederlegung, die am Mittwoch exakt um 23.59.59 Uhr begonnen hat, läuft noch bis Freitag, 29. März, zwölf Uhr.

Alle AUA-Flugzeuge stehen derzeit am Flughafen Wien still.
Alle AUA-Flugzeuge stehen derzeit am Flughafen Wien still.
IMAGO/Wolfgang Simlinger

Ein bis zu 18-prozentiges Gehaltsplus bietet die AUA den Flugbegleitern sowie Piloten, und maximal 28 Prozent sind es bei Co-Piloten. Zu wenig und unter falschen Bedingungen, entgegnet die Gewerkschaft. Nicht nur würde bei den Konzernschwestern in Deutschland und der Schweiz – die AUA gehört zum Lufthansa-Konzern – trotz Lohnerhöhung immer noch besser bezahlt. Auch beziehe sich das Angebot auf zwei Jahre und beinhalte ungewisse Bonuszahlungen, die nur fließen, wenn der Profit der AUA stimmt.

Charterflug nach Teneriffa

Immerhin finden sich am Donnerstagmorgen keine verlorenen AUA-Fluggäste auf dem Flughafen Wien. Normalerweise sind rund 47 Prozent aller Kundinnen und Kunden, die ihn frequentieren, Gäste der AUA (Stand 2022). "Mir sind heute noch keine untergekommen", sagt ein Securitymitarbeiter, der vor einem verwaisten Austrian-Check-in-Schalter steht. Alle Gäste wüssten Bescheid oder seien automatisch umgebucht worden. Das Einzige, was sich am AUA-Schalter am Donnerstagmorgen tut, ist ein kleiner Charterflug nach Teneriffa, der nicht abgesagt wurde. Er werde nicht von Austrian selber betrieben, erklärt der Securitymann.

Ebenso wenig wie Fluggäste finden sich hier übrigens Streikende. Weil das während einer Arbeitsniederlegung rechtlich nicht möglich sei, gebe es am Donnerstag keine Betriebsversammlungen oder ähnliche Arbeitnehmerzusammenkünfte, heißt es von der Gewerkschaft Vida, die die AUA-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter vertritt. "Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind angehalten, entweder zu Hause zu bleiben oder sich am Flughafen in nicht von der AUA verwalteten Bereichen aufzuhalten." Man wisse nicht, wie viele sich derzeit am Flughafen aufhalten, so die Gewerkschaft. Die wenigen Mitglieder des Bodenpersonals, die DER STANDARD zu Gesicht bekommt, winken ab und verweisen an die Pressestelle.

"Keine Zukunft"

Verständlich, denn die allgemeine Stimmung ist aufgeheizt. Vida-Gewerkschaftschef Roman Hebenstreit steht auf dem Standpunkt, die AUA habe die Belegschaft "in die Maßnahme gezwungen". 17 Verhandlungsrunden habe es bereits gegeben, die Positionen seien verhärtet. Das AUA-Management entgegnet scharf: Sie "hätte noch niemand angerufen", kritisierte AUA-Chefin Annette Mann im ZiB 2-Interview die angebliche Gesprächsverweigerung der Gewerkschaft. Dessen Forderungen seien "absolut unrealistisch" – ginge man auf die Forderungen ein, "wird die AUA in ihrer jetzigen Form keine Zukunft haben". 60 Prozent der Strecken wären laut der AUA-Chefin wohl nicht mehr profitabel.

Manns implizite Drohung sorgt für noch mehr Empörung bei Gewerkschaften und Kritikern, als ohnehin bereits herrscht – unter anderem weil die Republik Österreich die AUA während der Corona-Krise mit 150 Millionen Euro Steuergeld geholfen hat. Im Gegensatz zu Deutschland gab es hierzulande im Gegenzug für Hilfen keine Staatsbeteiligung an der nationalen Airline. Allerdings gestand die AUA im Pandemiejahr 2020 immerhin zu, dass der Standort Wien für zehn Jahre gesichert sei – und ebendieses damalige Versprechen steht nun infrage.

Die Standortgarantie war offenbar "so weich und schwammig formuliert, dass sie in der Realität wirkungslos ist", kritisiert etwa SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer. Bereits im August 2020 äußerte sich die Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger in einem Ö1-Journal, dass ebenjene Standortgarantie unter Wirtschaftsvorbehalt stehe, die AUA dementierte damals.

Donnerstagvormittag trat AUA-Chefin Mann mit den Worten "Heute ist kein schöner Tag für die Austrian Airlines" vor die Presse. Sie wiederholte, die Forderungen der Gewerkschaft seien unrealistisch und die AUA sei nicht bereit, einen der höchsten Kollektivlohnabschlüsse von ganz Österreich zu machen. Stattdessen brauche es einen tragfähigen Kompromiss, um wachstumsfähig zu bleiben. Neben der Gewerkschaft wandte sie sich mit einer "aufrichtigen Entschuldigung" an die betroffenen Passagierinnen und Passagiere, auch aufgrund der längeren Wartezeiten: Das Anrufvolumen sei seit Beginn der Flugstreichungen um das Zwanzigfache gestiegen, das sei nicht leicht zu bewältigen. Auch die Steuerzahlenden adressierte Mann: Die österreichischen Gelder hätten die AUA gerettet: Der Wiederaufbau sei in den vergangenen Jahren sehr gut gelungen, und man könne endlich wieder nachhaltig wirtschaften und wachsen. Dieser Kurs solle im Interesse der Steuerzahlenden fortgesetzt werden.

Kein weiterer Streik geplant

Im Gespräch mit dem STANDARD sagt Hebenstreit, dass der Streik pünktlich nach 36 Stunden beendet werden soll und derzeit kein weiterer geplant ist. Für nächsten Donnerstag, 4. April, wurde vom Betriebsrat eine Betriebsversammlung einberufen. Ziel ist es, die Belegschaft zu informieren, da hier "viel Irritation bezüglich der subtilen Drohungen" der AUA-Spitze herrscht. Bezogen ist das auf die angedrohte Standortschwächung von Wien. Die Gewerkschaft habe mehrere Varianten vorgelegt, die alle von Arbeitgeberseite abgelehnt wurden. Er betont, dass "die AUA nicht Schlusslicht der Kollektivlöhne bei den Airlines werden darf. Die Lohndifferenzen gibt es nämlich nicht nur gegenüber der Lufthansa, sondern auch gegenüber der Billigfluglinie des Konzerns, Eurowings." Wann die Lohnverhandlungen fortgesetzt werden, liegt laut Hebenstreit daran, wann das AUA-Management an den Verhandlungstisch zurückkehrt.

Der Vida-Chef will auch an der österreichischen Konsenskultur festhalten. Er habe nämlich das Gefühl, diese verwandle sich derzeit in eine Streitkultur nach deutschem Vorbild, mitunter auch wegen Direktiven aus Frankfurt, wo die Konzernmutter Lufthansa sitzt. "Man nimmt Dividenden gern, aber wenn es um die Löhne geht, hält man sich dann zurück." (Sarah Kirchgatterer, Joseph Gepp, 28.3.2024)