Teamspieler jubeln
Christoph Baumgartner, Michael Gregoritsch, Alexander Schlager und weitere Teamspieler jubeln im Happel-Stadion mit den Fans.
APA/GEORG HOCHMUTH

Das Versteckspiel ist endgültig vorbei. "Wie müssen uns vor niemandem verstecken", sagte Christoph Baumgartner nach dem gloriosen 6:1 der österreichischen Fußballnationalmannschaft am Dienstagabend im Happel-Stadion gegen jene aus der Türkei. Der 24-jährige Weltrekordler (traf gegen die Slowakei in der siebenten Sekunde) wählte nach der großartigen Tat die richtigen Worte. Natürlich funkelten seine Augen, natürlich konnte man in seinem Blick eine gewisse, positive Fassungslosigkeit erkennen. Aber die Stimme war unaufgeregt. "Das Allerwichtigste ist, dass wir als Mannschaft, Staff, Medien und Fans am Boden bleiben, dass wir wissen, wo wir herkommen. Er war heute nicht alles perfekt. Wir denken leider in Österreich oft in Schwarz und Weiß. Wir müssen die Spiele wie bisher angehen. Dann ist vieles möglich, dann werden wir viel Spaß haben." Die "Teamchemie" sei einmalig.

Fast blütenweiße Leistung

Die Leistung gegen die Türkei war, von 15 Minuten in der ersten Halbzeit abgesehen, blütenweiß. Xaver Schlager, einer der besten Sechser in ganz Europa (keine Übertreibung), trat pflichtbewusst auf die Euphoriebremse. "Sachlich zu bleiben ist in Österreich schwer. Aber ich versuche das reinzubringen." Das Understatement gehört zur Strategie, es resultiert aus dem Wissen, nicht nur gut, sondern sehr gut zu sein. Michael Gregoritsch, der dreifache Torschütze, sagte zwar "sensationell" und "Wahnsinn", um zwei Atemzüge später klarzustellen: "Wir halten uns sehr bedeckt, was die EM in Deutschland betrifft. Und wir wissen schon, dass wir gegen die Türkei das nötige Spielglück hatten."

Sehr viele Musketiere

Würde man das österreichische Team mit den drei Musketieren vergleichen – was man nicht tun muss, aber tun kann –, wäre eine Erweiterung vonnöten. Es sind nicht drei Musketiere, sondern elf, vielleicht sogar 15 oder 20. Der Leitsatz "Einer für alle, alle für einen" passt aber. Da hat sich eine Gruppe zusammengefunden, die persönliche Eitelkeiten hintanstellt, die einerseits Spaß hat und andererseits der Professionalität, dem Erfolg alles unterordnet. Ja, es grenzt an Kitsch, aber die Welt und der Fußball sehnen sich danach. Teamchef Ralf Rangnick ist der Architekt. "Es war eine bärenstarke Mannschafts- und Willensleistung, jeder hat Verantwortung übernommen", sagte er. "Es geht aber immer darum, was in der Zukunft passiert."

Teamchef Rangnick hat die angenehme Qual der Wahl.
IMAGO/Ulrich Hufnagel

Der 65-jährige Deutsche hat ein Luxusproblem. Zur EM dürfen nur 23 Spieler (davon drei Torhüter), bei der EM 2021 waren es aufgrund von Corona noch 26. Das war vermutlich das einzig Positive an der Pandemie. Am 29. Mai startet in Windischgarsten die unmittelbare Vorbereitung, am 4. Juni wird in Wien gegen Serbien geprobt, am 8 Juni in St. Gallen gegen die Schweiz. Am Tag davor muss der Kader nominiert werden. "Wovor es mir wirklich ein bisschen graust, ist, ganz ehrlich, wenn dann dort alle fit sind und wir womöglich 23 eingeladen haben, dann am 7. Juni zu sagen, ich habe keine Rose für euch. Das ist nicht unbedingt vergnügungssteuerpflichtig. Es haben einige Spieler schon sehr auf sich aufmerksam gemacht. Das wird keine einfache Aufgabe. Aber so ist es mir lieber, als wenn wir nicht so viel nachdenken müssten."

Gewinner Schmid

Aufgedrängt hat sich etwa Romano Schmid. Sowohl bei seinem Kurzeinsatz beim 2:0 in Bratislava als auch 81 Minuten lang gegen die Türkei. Der 24-jährige Bremen-Legionär wurde binnen zweier Partien zu einer Fixgröße. Generell dürfte das Schaulaufen aber vorbei sein. Maximal drei Plätze sind noch frei, Leute wie Florian Grillitsch und Stefan Lainer müssen zittern. Ob es für Maximilian Entrup reicht, ist fraglich. Er hat gegen die Türkei als Joker zumindest Hartberger Geschichte geschrieben, er machte das sechste Tor. Er war der erste Hartberger im Kader und ist jetzt der erste Hartberger Torschütze.

Gegen die Türkei musste der grippekranke Marcel Sabitzer passen. Man hat keinen Unterschied gemerkt, obwohl Sabitzer ein Unterschiedsspieler ist. Für David Alaba wird sich wegen des Kreuzbandrisses die EM kaum ausgehen. Marko Arnautovic erhält nicht zuletzt wegen seiner Präsenz wohl einen Platz, Gesundheit vorausgesetzt. Das Spiel gegen den Ball, das enorme Pressing macht Österreich bei den Gegnern unbeliebt. Seit Dienstag steht der dritte Gruppengegner fest, es ist Polen, Wales wurde in Cardiff im Elferschießen bezwungen. Rangnick: "Mir wären beide recht gewesen."

Drei entscheidende Tage 

In den nächsten Wochen wird sich der Teamchef Vereinsspiele anschauen, in Österreich, in Deutschland. Er wird nicht permanent mit seinen Schützlingen telefonieren. "Es ist jetzt bei uns nicht so, dass es zugeht wie in der Waldorfschule, dass wir ständig einen Schulkreis nach dem anderen veranstalten." Wichtig seien der 17., der 21., der 25. Juni. Die Gruppenpartien gegen Frankreich, Polen und die Niederlande. "Da müssen wir zeigen, wozu wir imstande sind." (Christian Hackl, 27.3.2024)