Top: Máthé, Hose: Pouran Parvizi, Haarschmuck: Alexander Moser
Top: Máthé, Hose: Pouran Parvizi, Haarschmuck: Alexander Moser
Anna Breit

Zum Gespräch mit Anja Plaschg geht es ­hinab in den Keller von Ulrich Seidls ­Produktionsfirma. Zwischen Filmbändern und Plakaten absolviert die Steirerin ihre Interviews. Plaschg trägt Schwarz, ein Shirt des Berliner Labels 032c, dazu spitze Stiefel. Die Musikerin, bekannt geworden als Soap&Skin, ist Hauptdarstellerin in dem österreichischen Film Des Teufels Bad. Sie spielt Agnes, eine frisch verheiratete Bäuerin in knöchellangen Röcken – tief religiös, hochsensibel, so ganz anders als die anderen. Die Geschichte spielt irgendwann um 1750, irgendwo im ländlichen Oberösterreich.

Kleid und Hose: Christina Seewald, Schuhe: Rani Bageria
Kleid und Hose: Christina Seewald, Schuhe: Rani Bageria
Anna Breit

Die Produktion des Regieduos Veronika Franz und Severin Fiala verhandelt ein verdrängtes Kapitel katholischer Religionsgeschichte. Etwa 400 Frauen haben im deutschsprachigen Raum Kinder getötet, um enthauptet zu werden, statt sich mit einem Suizid zu versündigen. Die Produktion scheint ganz auf die 33-Jährige zugeschnitten. Auf den Filmplakaten ist Anja Plaschgs halb verdunkeltes Gesicht zu sehen, aus ihrem Mund flattert ein Schmetterling. Im vernebelten Hintergrund Bäuerinnen und Bauern bei der Feldarbeit.

Tuch: Susanne Bisovsky, Hose: Pouran Parvizi, Kopfschmuck: Alissa Herbig
Tuch: Susanne Bisovsky, Hose: Pouran Parvizi, Kopfschmuck: Alissa Herbig
Anna Breit

Der Film sei das intensivste und umfassendste Projekt ihres Lebens gewesen, sagt die Steirerin. Plaschg hatte zuerst den Auftrag bekommen, den Soundtrack zu komponieren. Später kam die Hauptrolle ins Spiel. Nach einem sechsmonatigen Casting-Prozess übernahm sie die Rolle der Agnes. Die körperliche und mentale Vorbereitung auf die 40 Drehtage im Waldviertel waren eine Herausforderung, erzählt Plaschg. Sie verbrachte viel Zeit in der Steiermark mit Familie und Verwandten in ihrem Heimatort Katzendorf , arbeitete auf Bauernhöfen mit, schlachtete Hühner, nahm Eisbäder, erlernte den Dialekt ihrer Heimat neu. "Ich bin keine gelernte Schauspielerin und konnte mich somit auf keine Technik berufen."

Die Vorbereitung

Ob sie sich heute als schauspielernde Musikerin oder Musik machende Schauspielerin bezeichnen würde? Was für eine Frage, scheint Plaschg auf die Stirn geschrieben. Es falle ihr schwer, sich als Schauspielerin zu bezeichnen, räumt die 33-Jährige, die als Alleinerziehende mit ihrer zehnjährigen Tochter Frieda in Wien lebt, ein. Und: "Ich habe keine Ambition, den Job zu wechseln." Sie sei aber dankbar, dass sich diese Tür geöffnet hat.

Mantel: Amaaena, Tasche: Steiff, Upcycling by Anja Plaschg, Ring: Nathalie Flückinger, Haarschmuck: Alexander Moser
Mantel: Amaaena, Tasche: Steiff, Upcycling by Anja Plaschg, Ring: Nathalie Flückinger, Haarschmuck: Alexander Moser
Anna Breit

Die Ernsthaftigkeit und Akribie, mit denen Plaschg sich auf ihre Rolle vorbereitet hat, schwingen in jedem Satz mit. Schnell sei ihr bewusst gewesen, dass sie mit ihrer eigenen Geschichte offen sein müsse und diese sie durch die Aufgabe tragen werde. "Es war befreiend zu wissen, dass es nicht um mich geht." Obwohl viel Anja Plaschg in dem Film zu stecken scheint. Die Steirerin spricht leise, wohlüberlegt, konzentriert. Ihr Umgang mit der Öffentlichkeit werde immer schwierig bleiben. Daran gebe es nichts zu romantisieren. "Aber ich höre nicht auf zu lernen, damit umzugehen."

Overall: Hisu Park, Schuhe: Haider Ackermann
Overall: Hisu Park, Schuhe: Haider Ackermann
Anna Breit

Die 33-Jährige hat schon sehr früh sehr viel über sich gelesen. "Österreichs Next Wunderkind" hieß es vor über 15 Jahren in der Taz, "dunkle Prinzessin" schrieb der Spiegel. Ihre mal "sphärisch zarte", dann "brüllend verzweifelte" Musik (Taz) faszinierte, ihre ungewöhnliche Geschichte, die sich wie ein Märchen liest, erst recht. Geboren 1990 in Katzendorf in der Steiermark, beginnt Plaschg mit sieben Klavier zu spielen, mit 14 verlässt sie den 200-Seelen-Ort, lässt den Schweinemastbetrieb der Eltern, die Feuerwehrfeste, die Langeweile der Provinz hinter sich. Erst geht es nach Graz, mit 16 wird Plaschg an der ­Wiener Kunstakademie in der Klasse von Daniel Richter aufgenommen. Statt zu malen, macht sie Musik. Es ist die Zeit von Myspace, auf der Social-Media-Plattform veröffentlicht die Steirerin ihre Songs. Wenn man so will, hat Plaschg ihre An­fänge dem Internet zu verdanken. 2009 erscheint das erste Album, 2012 Nummer zwei, 2018 die Balladensammlung From Gas To Solid / You are my friend.

Die Vergangenheit

Das alles ist schon oft erzählt worden, im Kellerraum des neunten Wiener Gemeinde­bezirks wirken die medialen Hymnen und Projektionen auf die damals junge Musikerin wie aus einer anderen Zeit. Zurück zum Film also. Wieso die Produktion für Anja Plaschg eine solche Bedeutung hat? "Weil eine Lücke gefüllt wird. Mir war es ein Anliegen, ein Stück weibliche Geschichte, die missachtet und nicht verarbeitet wurde, zu erzählen." Und dann wäre da noch das Thema Depression. Es wäre einfach, das innere Leiden der Bäuerin Agnes mit den Erfahrungen der Musikerin gleichzusetzen. Doch ja, sagt die Steirerin, sie könne zu diesem Thema aus einem gewissen Erfahrungsschatz schöpfen.

Pullover und Ohrringe: privat, Kopfschmuck: Alexander Moser
Pullover und Ohrringe: privat, Kopfschmuck: Alexander Moser
Anna Breit

Ist Anja Plaschg eigentlich auch gläubig? Die Steirerin macht eine Denkpause, schon wieder so eine persönliche Frage. Mit den strenggläubigen Großeltern lebte Anja Plaschg bis zu deren Tod zusammen, die Oma glaubte ans Fegefeuer, betete den Rosenkranz, sonntags ging es in die Kirche, natürlich. "Ich bin geprägt vom Katholizismus, Religion fasziniert mich bis heute. Auch wenn sie hier Ende des 18. Jahrhunderts das Ausmaß einer Sekte hatte."

Top, Rock und Mantel: Hisu Park, Schuhe: Rani Bageria, Ohrringe: Nathalie Flückinger
Top, Rock und Mantel: Hisu Park, Schuhe: Rani Bageria, Ohrringe: Nathalie Flückinger
Anna Breit

Einen Tag später am Rand des Nordwestbahnviertels. Anja Plaschg sitzt für die Shootingvorbereitungen des RONDO in der Garderobe der Spielstätte Brut. Hinter ihr eine Kleiderstange und zwei Taschen, prall befüllt mit Kleidung aus dem privaten Kleiderkasten. Es herrscht konzentrierte Stille. Das Setting ist für Plaschg in gewisser Weise ein Safe Space. Mit der Stylistin ist sie seit Jahren befreundet, der Haarstylist hat schon für einige Bühnenauftritte ihre Frisuren gestaltet. Er zeigt dem Team die Haarteile, die er in stundenlanger Handarbeit für Plaschg gefertigt hat. Das Make-up für das Shooting übernimmt die Protagonistin selbst. Sie macht das wie ein Profi.

Anzug: Pouran Parvizi, Schuhe: Camper
Anzug: Pouran Parvizi, Schuhe: Camper
Anna Breit

Gibt es sonst noch etwas, was kaum jemand über sie weiß? Anja Plaschg grinst. Auch wenn sie das nicht so gern erzähle, sie könne gut kochen und backe Torten. "Wenn ich aus der Realität ausbrechen will, arbeite ich drei Tage lang an einer Torte", ­erzählt sie. "Ich mache dann nur das." Man nimmt es ihr sofort ab. (RONDO, Anne Feldkamp, 28.3.2024)

Hemd: Amaaena, Perlenkleid: Pouran Parvizi, Ohrringe und Ringe: Nathalie Flückinger
Hemd: Amaaena, Perlenkleid: Pouran Parvizi, Ohrringe und Ringe: Nathalie Flückinger
Anna Breit
Outfit: Pouran Parvizi
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Anna Breit