Kampfsportverein, Fleischwarenbedarf, Gärtnereien, Parkplätze, Brachflächen: Die Meischlgasse in Wien-Liesing und ihr Umfeld sind jetzt nicht unbedingt eine Adresse, die den Wienern auf Anhieb geläufig ist. Eine Wohnadresse ist sie schon gar nicht. Jahrzehntelang markierten die wie Kreuzfahrtschiffe im suburbanen Ozean des 23. Gemeindebezirks stehenden Bauten des Wohnparks Alt-Erlaa den südlichsten Außenposten des Wiener Wohnbaus.

Doch Wien hat inzwischen die Zweimillionengrenze erreicht und wächst weiter, daher ist das ausufernde Patchwork in Liesing zum Stadtentwicklungsgebiet geworden. Quartiere wie In der Wiesen Süd markieren bereits die Bausteine der verdichteten Stadt, jetzt kommt ein neuer dazu – und zwar an der Meischlgasse, direkt neben der U6-Haltestelle Erlaaer Straße.

Wohnquartier statt Wohnmaschine: An der Meischlgasse in Wien-Liesing stehen Klimaresilienz und soziale Nachbarschaft bei der Planung an erster Stelle.
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Hier lobte der Wohnfonds Wien 2021 einen zweistufigen Bauträgerwettbewerb für 17 Bauplätze auf 9,6 Hektar Fläche aus. Ein neuartiges Konzept für ein besonders großes Stück Stadt: In der ersten Stufe wurden Konzepte für konkrete Aufgabenstellungen gefragt, die über einen reinen Wettbewerb hinausgingen. Themenschwerpunkte waren Sport und Bewegung, klimaresiliente Quartiersentwicklung, Wohnmodelle für Alleinerziehende und Arbeiten im Homeoffice. Danach wurde für jeden Bauplatz das beste Team ausgewählt und die weiteren Details im Dialog entwickelt.

Neu daran war vor allem, dass der 2019 ins Leben gerufene Qualitätsbeirat von Anfang an ins Spiel kam. Dessen Aufgabe ist es, die Bauträger auf Quartiersebene zu koordinieren und eine Qualitätsbalance zwischen gemeinnützigen und freifinanzierten Bauträgern zu erreichen, da Letztere oft weniger Ambitionen zeigen, mehr als das Pflichtprogramm zu leisten und über die Grenzen des eigenen Bauplatzes hinaus zu denken.

Ganz in der Hand der gemeinnützigen Bauträger WBV-GPA und Neues Leben kam die größte Portion des neuen Quartiers, der Bauplatz 3. Hier entstehen zehn Häuser mit 379 geförderten Mietwohnungen, ein Quartiershaus, ein Stützpunkt und ein Wohnheim der MA 11, Geschäftslokale und eine Werkstatt um fünf grüne Höfe. Der gewünschte Sport-Schwerpunkt wird durch ein Hallenbad mit 25-Meter-Becken mehr als erfüllt. Den Konzept-Wettbewerb gewann man gemeinsam mit dem Planerteam aus drei Architekturbüros Blaich + Delugan Architekten, Clemens Kirsch Architektur und Illiz Architektur sowie PlanSinn Planung und Kommunikation. Der Name für das Großvorhaben: Mona’s Liesing.

Wer ist Mona?

Da stellt sich gleich die Frage: Wer ist diese Mona? "Unser Projekt ist einer jungen Frau namens Mona gewidmet, die im 23. Bezirk zur Schule gegangen ist und auch zukünftig nach eigenen Vorstellungen in Liesing wohnen möchte", sagen Siegfried Igler und Michael Gehbauer, die Geschäftsführer von Neues Leben und WBV-GPA. "Das Wichtigste ist ihr dabei, einen möglichst geringen ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen, und das ist in dieser Wohnhausanlage möglich."

Die namensgebende junge Dame soll Fragen beantworten, die sich heute viele Beteiligte im Wiener Wohnbau stellen: Wie gestalten wir eine leistbare, nachhaltige und klimaresiliente Nachbarschaft für heutige und zukünftige Generationen? Wie können wir in Anbetracht steigender Bau-, Energie- und Lebenserhaltungskosten leistbaren Wohnraum für eine diverse Gesellschaft errichten? Wie kann ein solcher sozial-ökologische Spagat gelingen?

Was die Ökologie betrifft, bringt Mona einiges mit: Gewächshäuser zwischen Stiegenhäusern und Dachterrassen sollen 365 Tage im Jahr Urban Gardening ermöglichen, gekrönt werden die Terrassen von Photovoltaik-Paneelen, in den Betondecken gluckert die thermische Bauteilaktivierung, in den Boden werden Erdwärmesonden versenkt.

Vor allem aber überzeugte die Wettbewerbsjury eine Idee, die dem Grün zwischen den Häusern das Greenwashing austreibt: Damit möglichst viel Boden unversiegelt bleibt und die Bäume tief wurzeln können, werden die heutzutage immer noch nötigen Stellplätze in einer viergeschoßigen Tiefgarage konzentriert. "Diese ist ein Schlüsselaspekt unserer Nachhaltigkeitsstrategie", betont Siegfried Igler. "Sie ermöglicht es uns, den Bauplatz weitgehend unversiegelt zu belassen und Raum für eine lebenswerte naturnahe Grünraumgestaltung für Menschen und Tiere zu schaffen."

Die Biodiversität im Wohnumfeld verfolgt man bei der WBV-GPA schon seit Jahren: Im Zuge des laufenden Projekts Nationalparkgärten in Kooperation mit Global 2000 werden nach einem genauen Kriterienkatalog naturnahe Pioniergärten angelegt, die ohne Einsatz von Dünger oder Pestiziden auskommen und mit hitzetoleranten Pflanzen und wenig Wasserverbrauch im Sommer eine resiliente natürliche Lebensumgebung schaffen. Die Bewohner sind dabei explizit zum Gärtnern – und Ernten – eingeladen.

Motor für die Nachbarschaft

Von Anfang an beim Gärtnern dabei ist die Baugruppe WaLeWi, die die Ökologie schon im Namen trägt, der kurz für "wachsen, leben, wirken" steht. Die als Verein organisierte Gruppe umfasst momentan 37 Erwachsene und acht Kinder, die sich auf zwei Bauplätze verteilen: Neben der Meischlgasse ist man auch an der Kurbadstraße in Oberlaa beteiligt. Den sozio-ökologischen Spagat will man nicht nur innerhalb der Gruppe, sondern auch im Quartier tanzen, sagt WaLeWi-Mitglied Tobias Huber: "Wir versuchen, innerhalb der Grenzen des geförderten Wohnbaus eine Verbesserung der Umwelt zu verwirklichen: Fassadenbegrünung mit Balkonzisterne, ein lebendes Balkongeländer, und dazu kommt natürlich die Klimaresilienz von Mona’s Liesing im Gesamten.

Außerdem achten wir darauf, die Wohneinheiten entsprechend einem angemessenen Flächenbedarf zu vergeben, damit der ökologische Fußabdruck fu¨r das Wohnen je Person gering bleibt. Neben Sharing von Alltagsgegenständen und Mobilität ist eine nachhaltige Lebensmittelversorgung durch unsere Food-Coop ein weiterer wichtiger Umweltaspekt."

Platz für Grün: Die Tiefgaragen werden an einer Ecke des Bauplatzes konzentriert, dafür bleibt der Boden in den Höfen für das Gedeihen großer Bäume erhalten.
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Soziologisch will die Gruppe für das neue Grätzel wirken. Das will man mit ehrenamtlicher Arbeit (neun Stunden pro erwachsenes Mitglied im Monat) zum Leben erwecken, etwa mit einem nicht-kommerziellen Raum für Initiativen und einer Bespielung des Quartiershauses, von Konzerten über Reparaturcafés bis zum Yoga.

Vorbilder dafür seien Baugruppen wie das Gleis21 im Sonnwendviertel, an einem Programm wird mit Partnern wie der Caritas gearbeitet. Yoga und Reparaturcafé mag für manche nach Baugruppen-Klischee klingen, aber auch hier will WaLeWi einen sozialen Mehrwert erzeugen. "Wir versuchen, keine Personengruppe zu überrepräsentieren. Unsere Diversitätskriterien orientieren sich dabei an der statistischen Verteilung innerhalb der österreichischen Gesellschaft. Das betrifft Alter, Ausbildung, Beruf, kultureller Hintergrund, Migrationshintergrund und gesundheitliche Verfassung. Natürlich ist es eine Herausforderung, Menschen zu erreichen, die normalerweise nicht in ein Wohnprojekt gehen würden, denn wir wollen ja auch nicht missionieren."

Clusterwohnungen

Beim Wohnungsmix kombiniert die Gruppe eigenständige Einheiten mit Clusterwohnungen, für die man sich gemeinsam mit den in beiden Städten tätigen Planerinnen von Illiz Architekten Anregungen von gemeinschaftlichen Wohnprojekten aus Zürich geholt hat. Diese Clusterwohnungen verfügen über eigene Küche und kleines Bad, sind aber mit 30 bis 60 Quadratmetern kompakter und teilen sich dafür Gemeinschaftsräume mit anderen.

Ein Variantenreichtum, den Mona aus Liesing auch bei ihren anderen Bauteilen anstrebt. Hier wird es flexible Grundrisse mit abtrennbaren Bereichen für Homeoffice geben, und der Standard aus 20 Meter breiten Wohnbauten und langen dunklen Mittelgängen, der sich aus Kostengründen heutzutage im Wiener Wohnbau buchstäblich breit gemacht hat, wird mit durchgesteckten Wohnungen konterkariert. Dabei soll die Verteilung der Häuser auf drei Architektenteams helfen, dass keine Monotonie aufkommt. Kein Mega-Bau wie Alt-Erlaa, sondern ein bunter Mix von Gebäudehöhen, Fassadenfarben, Balkongeländern und Begrünungen, durchzogen von Gassen und Wegen, mit dem Quartiershaus (Entwurf: Clemens Kirsch Architekten) als Sonderelement im Zentrum.

Soziale Vielfalt und gute Nachbarschaft – laut Gehbauer, eine Kernkompetenz der Gemeinnützigen. "Denn diese trachten bei der Entwicklung ihrer Wohnbauprojekte danach, die Balance zwischen dem, was wirtschaftlich machbar, und dem, was ökologisch und sozial wünschenswert ist, zu finden." Das heißt: Mona aus Liesing hat nur einen kleinen Rotstift in der Hand, dafür einen großen grünen Daumen. Der Baubeginn ist für 2025 geplant. (Maik Novotny, 23.3.2024)