Der evangelische Pfarrer Michael Wolf wohnt bei der Christuskirche auf dem Evangelischen Friedhof Matzleinsdorf. Hier hat er viele Bäume gepflanzt. In drei Jahren müssen er und seine Frau ausziehen.

"Das wirklich Besondere an unserer Wohnsituation: Wir wohnen mitten auf dem Friedhof und gleichzeitig an einer der Hauptverkehrsachsen von Österreich, der Triester Straße, auf der täglich so an die 40.000 Autos vorbeifahren. Und derzeit wird hier auch noch an der U-Bahn gebaut. Es ist also einiges los.

Michael und Heike Wolf in ihrem Obstgarten, den sie in den letzten 20 Jahren angelegt haben.
Michael und Heike Wolf in ihrem Obstgarten, den sie in den letzten 20 Jahren angelegt haben.
Lisi Specht

Wir sind vor 31 Jahren in diese Dienstwohnung gezogen. Das Haus wurde, wie auch die weithin sichtbare Kirche und das Gebäude der Friedhofsverwaltung beim Eingang zum Friedhof, Mitte des 19. Jahrhunderts vom Architekten Theophil von Hansen als Einheit geplant. Sogar die Bäume wurden bei der Planung mitbedacht, um den byzantinischen Baustil zu unterstreichen.

Allerdings halten diese Bäume der Hitze, der Trockenheit im Winter und den Stürmen im Herbst nicht mehr stand. Wir haben mittlerweile keine Pappeln mehr, die Kastanien werden wohl die Nächsten sein. Dafür haben wir Seidenbäume gepflanzt und in unserem kleinen Obstgarten neben dem Pfarrhaus, den wir in den vergangenen 20 Jahren angelegt haben, gibt es mittlerweile Kakis und Oliven. Da ändert sich gerade einiges.

Seit mehr als 30 Jahren lebt Familie Wolf in der Dienstwohnung am Friedhof. Hier hat sich einiges angesammelt.
Seit mehr als 30 Jahren lebt Familie Wolf in der Dienstwohnung am Friedhof. Hier hat sich einiges angesammelt.
Lisi Specht

Wir sind vor mehr als drei Jahrzehnten nach unserer Ausbildung im Südschwarzwald hier gelandet, weil es in Österreich einen Mangel an evangelischen Pfarrer:innen gab. Die Kirche war ein Sanierungsfall und eingerüstet, unser Haus schaute nicht viel besser aus. Die ersten 15, 20 Jahre haben wir also nur saniert und aufgebaut.

Unsere 120 Quadratmeter große Wohnung im Obergeschoß ist ein wenig seltsam aufgeteilt. Sie war ursprünglich sehr klein und für den Küster vorgesehen, der Totengräber hat unten im Erdgeschoß gewohnt. Seither wurde das Pfarrhaus immer wieder erweitert, allerdings leider mit einem Flachdach, weshalb es bei uns im Sommer sehr heiß wird. So unerträglich wie heuer war es noch nie. Für einige Nächte sind wir deshalb ausgewandert und haben im Gemeindesaal geschlafen.

Gut 8000 Bücher stehen in den Regalen von Michael Wolf.
Gut 8000 Bücher stehen in den Regalen von Michael Wolf.
Lisi Specht

Das Pfarrbüro befindet sich neben unserer Wohnung. Homeoffice war für uns also schon lange vor Corona das Normalste der Welt. Eine strikte Trennung von Wohnen und Arbeiten klappt so natürlich nicht. Aber das weiß man schon bei der Berufswahl, und es funktioniert meistens gut.

Wir haben unsere Wohnung immer wieder an unsere aktuelle Wohnsituation angepasst, weil unsere beiden Töchter erst ihre eigenen Kinderzimmer gebraucht haben und mittlerweile ausgezogen sind. Wir haben einige alte Möbelstücke, uns aber hauptsächlich funktional eingerichtet. Unser Esstisch aus Massiveiche kommt aus einem katholischen Pfarrhaus aus dem Jahr 1780. Wir haben ihn in Studentenzeiten um wenig Geld gekauft. Dann haben wir noch ein paar Biedermeiermöbel. Und ansonsten klassisches Ikea-Ambiente aus den 1970er- und 1980er-Jahren.

Am wichtigsten ist uns, dass möglichst viele Bücher reinpassen. Wir haben gut 8000 Stück, von theologischer Fachliteratur über Literaturklassiker und Kochbücher bis hin zu Reiseführern.

Die Bäume, die am Friedhof ursprünglich gepflanzt waren, haben mit den heißer werdenden Sommern, dem Wind und den trockenen Wintern Probleme.
Die Bäume, die am Friedhof ursprünglich gepflanzt waren, haben mit den heißer werdenden Sommern, dem Wind und den trockenen Wintern Probleme. "Da ändert sich gerade einiges", sagt Pfarrer Wolf.
Lisi Specht

Ich höre es nicht gern, aber wir werden uns wohl reduzieren müssen. Denn in drei Jahren gehe ich in Pension, dann müssen wir aus dieser Dienstwohnung raus. Und wenn das Umzugsunternehmen diese Menge an Büchern sieht, fallen die um.

Wir sind jetzt schon auf der Suche nach einem kleinen Haus mit Garten im Wiener Umland. Die große Frage ist, wie unsere Pension aussehen wird. Mit Pensionsantritt wird man als Pfarrer:in zwar entpflichtet, ein Großteil ist aber auch in der Pension noch tätig, wo man gebraucht wird. Das können wir uns auch vorstellen.

Insgesamt ist der Verkehrslärm dank schallisolierter Fenster hier an der Triester Straße nicht so schlimm. Und das Wohnen auf dem Friedhof war für uns nie ein Problem. Er ist ein guter Ort für die Lebenden und die Toten." (9.9.2023)