Die Ausstellung "Besetzt" ist durchgängig in Neonfarben gehalten, um einer verbleichenden Historisierung vorzubeugen.

Foto: MvU/DerStandard.at

Von der Arena bis zum "Epizentrum" schlängelt sich der grelle Marker durch das Wien Museum. Historische Hausbesetzungs-Fotos von Robert Newald sind hier zu finden.

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Sie wünschten sich "ein Haus für alle (außer Nazis)", "gelebte Alternativen" und Schwimmen "gegen den patriarchalen Normalzustand". Jetzt wird den Hausbesetzern Wiens eine Ausstellung im Wien Museum am Karlsplatz gewidmet. Die Schau mit dem Titel "Besetzt" eröffnet am Donnerstag.

Ein neongelber Markierungsstreifen zieht sich durch den ersten Stock des Museums. Vor dem leuchtenden Hintergrund reihen sich Plakate, Flyer und Fotografien der Hausbesetzerbewegung seit 1976 auf. Immer wieder kringelt sich der Streifen und bietet in seinen Buchten Platz zum Vertiefen in Video- oder Hörmaterial. Die meterbreite Neonbordüre sieht aus wie eine Zeile aus einem Geschichtsbuch, die jemand mit einem Textmarker herausgestrichen hat.

Gegen Neutralität, für Diskurs

Die Kuratoren Werner Michael Schwarz und Martina Nußbaumer wollen mit der grellen Farbe einer möglichen grauen Historisierung entgegenwirken. Denn die Frage, "wem Wien eigentlich gehört", sei noch immer aktuell und solle eben nicht verbleichen, sagte Schwarz vorab bei der Presse-Eröffnung.

Zudem soll die Ausstellung politisieren und den Diskurs aufrechterhalten, etwa was Basisdemokratie und Raumnutzung betrifft. Deshalb, so Schwarz, habe man bewusst neutrales Material vermieden und einzig die beiden Fronten zu Wort kommen lassen: "Es gibt immer nur Zeugnisse aus der Bewegung selbst oder von der Stadt Wien."

Mit dem "Epizentrum" ging die Geschichte weiter

Forderungen an die Stadt, etwa nach "einem Haus für alle", gibt es noch immer: Erst im Herbst 2011 wurden ähnliche Parolen auf die Banner der neu besetzten und inzwischen wieder geräumten Gebäude in der Lindengasse in Wien-Neubau gemalt. Das sogenannte "Epizentrum" hat inzwischen den jüngsten und somit letzten Platz in der Chronologie der Besetzungen Wiens.

An erster Stelle steht die Arena-Besetzung im Jahr 1976. Der ehemalige Schlachthof wurde damals drei Monate lang besetzt und ist noch heute ein wichtiger Veranstaltungsort für die alternative Szene. Auch andere Bewegungen in den 1970er- und 1980er-Jahren haben zu noch heute bestehenden Institutionen geführt – als Beispiele dienen etwa das Amerlinghaus und das WUK.

Durchhalten nicht mehr nötig

Seit der Jahrtausendwende hat sich eine neue Szene formiert, die mit Initiativen wie "Uni brennt", "Epizentrum" und "Occupy" immer wieder auf sich aufmerksam macht. Laut den Ausstellungsorganisatoren werden heutzutage in drei Jahren mehr Hausbesetzungen durchgeführt als in den 1970er- und 1980er-Jahren zusammen. Allerdings seien die Besetzungszeiten viel kürzer als früher. Das "Epizentrum" stellt mit einem Monat ohne Räumung den Höhepunkt dar. Die einzige Bewegung seit dem Jahr 2000, die sich ein Gebäude erkämpfen konnte, ist die "Pankahyttn" im 15. Bezirk.

Dass frühere Generationen mehr Durchhaltevermögen bewiesen, erklärt Schwarz folgendermaßen: "Die Menschen der Arena wollten wirklich unbedingt diesen Schlachthof – es ging noch um den Raum." Heute würden sich die Besetzer mit globaleren Fragen beschäftigen, die notfalls sogar im Internet diskutiert werden könnten, und dazu sei eben der Ort nicht mehr so wichtig. Für die Geschichte der Hausbesetzungen ist bis zum August aber wenigstens einmal Platz im Wien Museum geschaffen worden. (Maria von Usslar, derStandard.at, 11.4.2012)