+++ PROGerhard Plott In unserer langfristigen Studie über das menschliche Wesen beschäftigen wir uns heute mit den durchschnittlichen Weintrinkern. Wieder einmal wollen wir uns schützend vor diese Personengruppe werfen, die wie keine andere offenen Diffamierungen ausgesetzt ist. Besonders die Liebhaber eines gepflegten roten G'spritzten, dieser traditionsreichen Verbindung von leichtem Rotwein und Kugerlwasser, sind permanent Zielscheibe unerhörter Verhöhnungen, weil sie der Geschmacksverirrung geziehen werden. Wie wir allerdings zuverlässig recherchiert haben, gibt es aber durchaus Rotweine, die selbst in großer Not pur nicht zu trinken sind, manchmal wird das Spritzen zur Pflicht. Außerdem liegt beim roten G'spritzten die Assoziation zum "g'spritzten Roten" nahe, was natürlich politisch gemeint sein kann. Doch hier muss klargestellt werden, dass der wirkungsorientierte Genusstrinker im Grunde ein zutiefst unpolitischer Mensch ist. Und nur weil sich derzeit ein paar Politiker als zweitklassige Tschecherantendarsteller profilieren wollen, darf doch eine Wertegemeinschaft, die unter Einsatz der eigenen Leber önologischen Geheimnissen nachspürt, nicht politisch mit Beschlag belegt werden.

Wir fordern deshalb das Grundrecht der Freiheit der Getränkewahl, unabhängig von der politischen Orientierung, da darf es kein Wanken geben. Es muss in diesem Land, dessen Identität in hohem Maße von Hohlmaßen bis hin zum Doppelliter abhängig ist, künftig möglich sein, erhobenen Hauptes einen roten G'spritzten zu bestellen, ohne belächelt zu werden. Darauf wollen wir trinken.

--- CONTRA Gudrun Harrer Es hat schon ärgere Verirrungen gegeben, kulinarisch und politisch, als rote G'spritzte und g'spritzte Rote, aber mögen muss man sie deswegen noch lange nicht. Letzteren kann man ja relativ leicht ausweichen: Sind sie im Lande, verkehren sie in Lokalen, wo man eh nicht hingeht; eine gewisse Gefahr, dass sie einem über den Weg laufen, besteht bekanntlich in toskanischen Weinlauben, zuletzt auch in Argentinien, wo das Klima gut ist, wenn man genug Geld hat. Ersteren, den roten G'spritzten oder Rot-G'spritzten (während man G'spritzt-Rote keinesfalls sagen kann), entkommt man hingegen nicht: Bestellt sich der / die Durstige einen G'spritzten, begegnet er / sie nicht selten der für den / die echte(n) G'spritztentrinker(in) verletzenden Rückfrage: rot oder weiß? Bitte sagen Sie nicht, dass Ihnen die feministisch korrekte Ausdrucksweise auf die Hammerin geht, sie ist wichtig, bedenken Sie nur, dass es sehr wohl weibliche g'spritzte Rote gibt, während ein roter G'spritzer immer männlich ist, wenn auch so männlich wie eingeschlafene Füße, wonach er dann auch schmeckt. Dieser käsig-faden Geschmacksrichtung mit Säuerl entspricht seine Farbe sehr gut, ich könnte Ihnen da mit pathognostischen Assoziationen kommen, aber lassen wir das lieber, g'sund schaut er jedenfalls nicht aus. Er erfrischt also weder Gaumen und Auge - und die Erfrischung ist ja nun wirklich der einzige vernünftige Grund dafür, Wasser in den Wein zu schütten, oder? Der Standard/rondo/14/06/02