Hier entlamm gehts zu Fidler! Damit die Wuscheltiere von Sambuco wissen, wo man auf sie wartet, sind die Wanderwege hier präzise beschildert

Osteria della Pace
Menü mit sechs Gängen (Dolce oder Käse hätts auch noch gegeben), Wein, Wasser, Kaffe, Übernachtung: 86 Euro

Oder doch schnell weg?

Kaninchen, gerollt.

Forelle sott'Olio.

Kürblisflan, noch leicht gegen das Maronitörtchen mit ordentlich Speckwürfeln im Hintergrund.

Die zart vom Wirten gedrückten Nudeln, genannt Cruset, mit Erdäpfeln und Lauch.

Das überraschend überschaubare, aber schon recht gute Sambuccanische Lamm. Womöglich eines, das dem Wegweiser gefolgt ist.

Alle Fotos: Harald Fidler

Man soll sich nicht wichtig machen, auch nicht im Scherz. Der wundernette Seniorwirt und Chef Bartolo Bruna sah mich mit der Flasche Nebbiolo 2008 von Frau Abbona ins Prachtzimmer abziehen, die mir Brunas Tochter empfohlen hatte, und die ich noch nicht kennengelernt habe, die Winzerin nämlich. Nach dieser kleinen, schwierigen Erfahrung mit einem ihrer kleinen, mir nicht ganz so gefallenden Weine vielleicht gar zurecht.

Ein Glas vielleicht, fragte also der freundliche Wirt, besorgt um meinen artgerechten Umgang mit dem Wein. Danke, sage ich, ich hab welche, ich bin schließlich universeller Dilettant, aber professioneller Trinker. Aus Pappe?, fragt der Wirt besorgt, und meint die Zahnputzbecher-Attrappen. Riedel, sage ich lässig, Tumbler, und würde gerne: Optimal auf Reisen! hinzufügen,wenn mir das gerade auf Italienisch einfiele.

Dilettantisch trinken

Zwei Minuten später rufe ich schon von der Treppe etwas, das ich für „Nicht professionell genug" auf Italienisch halte und bin wieder an der Schank: Ich hatte, obwohl sehr zärtlich, den durchaus hübschen Wiederverwendstoppel abgerissen, mit dem mir gestern Rosso Rubino die halbe Flasche von Herrn Alessandria für den Heimweg versorgt hatte. Nebbiolo grundsätzlich, aber ich sage jetzt nicht, welches DOCG und Jahrzehnt, geschweige denn Jahr, wenn ich mich gerade über meine Großkotzigkeit lustig mache.

Da lacht der Wirt, und lenkt uns ab, wie so oft und so sympathisch. Einen Stoppelzieher hat er natürlich auch bei der Hand. Und trotzdem war die Osteria della Pace im wunderhübschen Ort Sambuco im noch viel wunderhübscheren Valle Stura nicht die allerbeste Erfahrung dieser kleinen Italienischen Rundspeise 2011.

Aber schon eine sehr tolle, gesamthaft betrachtet: Das Zimmer in der Pension sehr nett, und weit reiner als andere. Die Wandertipps des Juniorwirts für eine schnee- und schwindelfreie Bergtour sehr spät im Jahr eine reine Pracht - das Panorama vom Monte Bodoira macht noch Wochen danach glücklich. Nur beim Essen war ich anderswo noch ein bisschen glücklicher. Vielleicht war ich ja nur von sieben, acht Stunden Bergtour ein bisschen erschöpft. Und ich soll in meinem Leben auch nie unglücklicher sein als in dieser Stube mit diesem Menü.

Roll das Kaninchen

Wanderer brauchen Kraft, entsprechend portioniert sind hier die vier Vorspeisen in zwei Gängen: Das ordentliche Stück vom Forellenfilet sott'Olio macht alleine schon recht satt, dazu rollt Herr Bruna ein Kaninchen mit Öl und Zitrone, beides schon sehr gut. Kürbisflan, auch nicht falsch. 

Weg mit dem Speck

Und, nein, leider kommt im Menü jetzt nicht die Leberpaté von jenen Lämmern, derer Sambucco sich rühmt. Die Kastanien, die auch die Leber begleiten würden, bekomme ich mit Schalotten zum Tortino gefertigt. Und damit das ohnehin schon recht sättigende Tortenstückerl garantiert nicht zum Lightgericht verkommt: ordentlich glasige Speckwürfel on top. Auch nach gut 1500 Höhenmetern rauf und wieder 1500 runter: schon ein bisserl schwer.

Als ersten richtigen Gang hätt ich natürlich wieder einmal zu Ula greifen können. Schon aus wissenschaftlichen Motiven, um zu klären, ob sie auch nach hier nach acht Stunden erhitzen noch Öl braucht, um richtig zu gleiten, obwohl sie eigentlich ja zu den Suppen zählt. Aber Ula hätt ich vorbestellen müssen.

Drück die Nudel

Gnocchi mit Käse aus der Region erschien mir ein bisschen heftig nach der Kraft der vier Entrees. Für Kuttelsuppe, Fleischravioli, Tajarin oder glutenfreie Pasta brauch' ich nicht so tief ins Valle Stura fahren, fand ich. Also: Cruset -  ausgeschildert als "Specialità tipica Occitana". Dass man in dieser Höhenlage, mithin in kalter Jahreszeit, gerichtlich nicht auf die Leichtigkeit des Seins setzt, hätte ich ahnen können.

Im Wesentlichen Mehl und Wasser, erklärt mir der Wirt hernach, machen die Cruset aus. Und die aufopfernde Geduld des Kochs, jeden Teigfleck zart mit dem Daumen in die richtige Form zu drücken. Und nicht wenige dieser Flecken ergeben hier eine Portion, die an dicke Blätter oder flache Gnocci erinnern. Damits nicht zu diätetisch wird, kommen noch Erdäpfel ins Spiel, dazu Lauch und Basilikum, Öl natürlich. Schon gut, wenn auch nicht aufregend, aber umso gewichtiger. Ich erwäge, zwischen Essen und Schlafen die heutige Bergtour zu wiederholen.

Lamm, bam, thank you Ma'am

Aber erst will noch das Sambucanische Lamm verkostet werden, al forno mit Thymian. Und: eine überraschend übersichtliche Portion. Das Tier heller, als es schmeckt, das nämlich erfreulich intensiv nach den Wuscheltieren, zart und doch bissfest, vielleicht eine Spur trockener als ich gehofft hatte, aber noch klar im Rahmen des Guten. Süße Karotten, ein paar durchschnittliche Ofenerdäpfel - passt.

Passt gut. Nur Dessert oder Käse passen definitiv nicht mehr, was die Frau Wirtin wirklich zu wundern scheint. Wieviele Höhenmeter überwinden ihre übrigen Gäste denn so?

Ich verzieh mich lieber nach oben, schon damit ich dieselbe grauenhafte Fahrstuhlklassik wie am Vorabend im deutlich eleganter positionierten Rosso Rubino nicht weiter hören muss. Rauf in meine Stube, mit Frau Abbona in der Hand, schon aus Gründen der Höflichkeit gegenüber der Wirtin, die sie vorgeschlagen hatte, und mit Herrn Alessandria im Sinn, mit dessen Stoppel mir ihr Herr Papa noch helfen wird. Soll auch der Wirt was zum Schmunzeln haben.

Beim nächsten Mal schau' ich ein bisschen früher im Jahr vorbei, damit ich noch ein bisschen höher hinaus komme. Damit sich neben der Kastanientorte mit ordentlich Speck auch noch die Lammleberpaté ausgeht.