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Christine Marek, ihre Wiener ÖVP und die konstatierte große Leere.

Foto: APA/Jäger

Sag mir, wo sind sie geblieben? Gemeint sind nicht die sogenannten "Döblinger Regimenter" , die der Volkspartei in Wien in der Vergangenheit nicht nur Kopfzerbrechen bereiteten, sondern - wenn sie richtig motiviert waren - auch bürgerliche Stimmen brachten. Diese Döblinger Regimenter haben sich längst verflüchtigt. Gemeint sind damit die Attacken auf die Politik der rot-grünen Wiener Stadtregierung und die Politiker, die gewissermaßen die Speerspitze bilden. Von denen ist weit und breit nichts zu sehen oder zu hören.

Wer in den letzten Wochen und Tagen mit politisch interessierten Freunden zusammentraf, wurde immer wieder mit der Frage konfrontiert: Und wo ist die Wiener Volkspartei? Zur Fragestellung, auf die es meist nur ein Achselzucken gibt, gesellt sich dann in weiterer Folge auch noch der Frust: Nämlich darüber, dass sich so gar nichts tut. Vor allem, dass man die rot-grüne Stadtregierung einfach gewähren lässt, wiewohl sich immer mehr zeigt, dass die Grünen über die Rolle eines Steigbügelhalters nicht hinausgekommen sind.

Scheibchenweise werden ihre Forderungen aus dem Wahlkampf entsorgt beziehungsweise, damit es besser aussieht, auf die lange Bank geschoben. Dafür werden Ideen ventiliert, wie etwa ein Radmarathon auf der am stärksten frequentierten Straße Österreichs, der Wiener Tangente. Ein Event, das nur eines zur Folge haben kann, den totalen, bewusst herbeigeführten Verkehrsinfarkt. Bei aller Wertschätzung für die Radler, das Verkehrsproblem in Wien und dem Wiener Umfeld lässt sich nicht dadurch lösen, dass man bloß den Pedalrittern freie Bahn und neue Wege verschafft. Zu verlangen, dass der Flughafen vom neuen Hauptbahnhof auch direkt mit dem Zug erreichbar ist (ein planerischer Schwachsinn, dass dem so nicht ist), wäre zum Beispiel kein Hirngespinst.

Was man aufseiten der Volkspartei vermisst, sind kraftvolle Aktionen und Reaktionen, ist der Protest, ist das Angebot einer mutigen Alternative. Dass im Sommer in einer Großstadt viele Baustellen den Autofahrern Ärger und Wartezeiten kosten, ist an sich nichts Neues und auch kein Wien-Phänomen. Dass allerdings diese so kommentarlos von der schwarzen Opposition hingenommen werden - und sollte es solche öffentlichen Kommentare gegeben haben, dann sind sie nicht aufgefallen -, lässt den Eindruck noch verstärken, dass hier eine Partei am Werk ist, die sich mit dem Schicksal des Herumgrundelns an der Zehn-Prozent-Marke abgefunden hat. Eine Feststellung, die durch die jüngsten Ereignisse noch untermauert wird.

Da lässt eine Stadtregierung so mitten im Sommer, in der Hoffnung, dass a) viele Bewohner auf Urlaub sind und b) jene, die da sind, den Wahrnehmungsapparat abgeschaltet haben, verlauten, dass die Müll-, Park- und Abwassergebühren um satte neun Prozent, das Trinkwasser sogar um sagenhafte 33 Prozent erhöht wird. Normalerweise sind solche Teuerungsraten für eine wache Opposition der Anlass, ein Trommelfeuer loszulassen. Nicht so bei den Wiener Schwarzen.

Man hat geradezu den Eindruck, auch dort ist man fassungslos. Nur das ist zu wenig - vor allem keine Legitimation für eine politische Bewegung, die etwas bewegen und Stimmen gewinnen will, um selbst in die Rolle zu kommen, die Stadt zu gestalten, weiterzuentwickeln, zukunftsfit zu machen.

Fast jede fünfte Stimme bei einer bundesweiten Wahl in Österreich kommt aus Wien. Unter den derzeitigen Auspizien würden nicht einmal Kantersiege der ÖVP in einigen Bundesländern helfen, jenes Manko auszugleichen, das Wien verursacht. Wenn die ÖVP spätestens 2013 reüssieren will, dann muss in der Bundeshauptstadt eine inhaltliche, personelle und organisatorische Mobilisierungskampagne sondergleichen gestartet werden. Und das nicht erst übermorgen, sondern bereits gestern.

Davon ist nur weit und breit nichts zu bemerken. Mit netten, freundlichen Newslettern, einem Fastenbrechen-Essen zur Ramadan-Zeit (eine sympathische Aktion, die auch eine gewisse Öffnung signalisieren soll) ist es damit aber längst nicht getan.

Der letzte Aufschwung gelang vor etwas mehr als zwei Jahren im Zuge der EU-Wahl, als jedes für die ÖVP in Wien abgegebene Votum eine Vorzugsstimme war und damit die ÖVP zur Nummer eins machte. Von dem Zeitpunkt an, da man den Vorzugsstimmensieger (Othmar Karas) links liegen ließ, ging es nur noch bergab. Das ist Faktum, nur wo ist die fällige Trendwende?

"Entweder wir tun es oder es tun die anderen, aber anders", ist ein Zitat, das gerade auf die Politik zutrifft. Noch gibt es genügend Menschen (nicht nur in Wien), die darauf warten, dass es die Volkspartei ist, die diese Wir-Rolle wahrnimmt. (Herbert Vytiska, DER STANDARD, Printausgabe, 25.8.2011)