Bild nicht mehr verfügbar.

Überblick für ein Systempuzzle: Als Hohe Vertreterin der Außen- und Sicherheitspolitik der EU tritt Catherine Ashton ein anspruchsvolles Amt an.

Foto: AP Photo/Yves Logghe

Vielleicht ist eine der besten Darstellungen der europäischen Außenpolitik das Bild des Puzzles: viele kleine Teile, von denen jedes einzelne zumindest dem Selbstverständnis nach mindestens genau so wichtig ist wie jedes andere auch. Und vielleicht ist es ja tatsächlich möglich, die vielen Einzelteile zu einem großen Ganzen zusammenzufügen, zu etwas mitunter auch Eindrucksvollem. Genau das steckt hinter dem Versuch, eine gemeinsame europäische Außenpolitik zu schaffen, Europa mit einer Stimme reden zu lassen, ganz Europa unter einer Telefonnummer erreichbar zu machen, wie Markus Oliver Gruber in seiner Diplomarbeit untersucht hat.

Gestern, Heute, Morgen

Dazu hebt er vor, dass schon 1952 die ersten Versuche gestartet wurden mittels eines europäischen Militärs und der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft eine gemeinsame Außenpolitik zu schaffen. Die vielen kühnen Visionen und Pläne im Laufe der Jahrzehnte wurden immer wieder abgelehnt, eine konstante und eher sanfte Angleichung der Außenpolitik der Nationalstaaten Europas konnte sich dennoch durchsetzen und damit auch ganz vorsichtig eine mehr oder weniger gemeinsame europäische Außenpolitik. 1970 etwa wurde ein regelmäßiges Treffen der AußenministerInnen arrangiert; auch wenn diese Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) nur ein kleiner Schritt war, so war sie doch ein wesentlicher Grundbaustein für die spätere Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) ab den 1990er Jahren.

Europa wurde sich zunehmend seiner Verantwortung aber auch der Rolle, die es spielen könnte, bewusst und vertiefte die außenpolitische Zusammenarbeit. So bekam die europäische Außenpolitik in Form des Hohen Vertreters der GASP ein Gesicht - bislang Javier Solana - und wurden die unterschiedlichen Institutionen von EU und Mitgliedsstaaten weiter und tiefer miteinander verknüpft. Mit dem noch Vertrag von Lissabon soll der GASP künftig eines eigenen EU-Außenministeriums gegeben werden, dessen Kompetenzen nicht nur institutionell sondern auch inhaltlich gestärkt werden sollen.

0800-Call-a-Fischer?

Dieses EU-Außenministerium würde das Stimmenwirrwarr der vielen AkteurInnen der europäischen Außenpolitik wie dem Europäischen Rat, der EU-Kommission, dem EU-Parlament und der vielen außenpolitischen Akteure auf Ebene der mittlerweile 27 Mitgliedsstaaten koordinieren und vor allem bündeln, um Europa mit einer Stimme sprechen zu lassen.

Ein solches Außenministerium wäre aber auch Europas höchste diplomatische Instanz, betraut mit einer wichtigen Mission. Es müsste die historischen und kulturellen Ansprüche und Erwartungen sowohl der EU-Mitgliedsstaaten als auch der diplomatischen PartnerInnen erfüllen. Es würde damit in Europa selbst repräsentieren müssen - doch wie repräsentiert man ein derart heterogenes Völkergemisch am besten?

Eine Frau und ihr Ministerium

Es scheint logisch, dass eine solche Institution über gute Ressourcen verfügen muss, um seine Funktionen erfüllen zu können. Seit Anbeginn der Diplomatie haben sich auch Organisation und Struktur von außenpolitischen Informationen und Handlungen entwickelt, der EU aber fehlt bislang eine solche Institution. Wie ein europäischer diplomatischer Dienst in Zukunft konkret aussehen könnte, darüber wird noch gestritten. Die EU-Kommission schlägt ein umfassendes Zentrum vor, das aus bisherigen administrativen Einheiten zusammengestellt und auf allen Ebenen eingebunden würde, um so der Koordinierungsaufgabe schnell und gut gerecht werden zu können. Ganz entgegengesetzt ist hingegen der Vorschlag des EU-Rates, der lediglich eine Zusammenführung der außenpolitischen Abteilung des EU-Rates mit einigen Schnittstellen bei der EU-Kommission vorsieht, was nur einen leichten Ausbau bereits bestehender Sekretariate und weiterhin einen Mangel an Koordination des außenpolitischen Stimmenwirrwarrs bedeuten würde.

Die Gegensätzlichkeit beider Vorschläge wird vermutlich zu einer Kompromisslösung führen. Das in solcher Übersichtlichkeit erstmals von Oliver Gruber dargestellte Szenario könnte nach dem erfolgten In-Kraft-Treten des Lissabon-Vertrags schon bald Wirklichkeit werden. Europäische Außenpolitik würde damit zu einem Systempuzzle - so lange die Strukturen stimmen, klappt's auch mit dem Inhalt.

Die Diplomarbeit "'Giving Europe a telephone number' - Ein kybernetischer Zugang zum Kohärenzmanagement Europäischer Außenpolitik" von Markus Oliver Gruber ist auf textfeld.ac.at im Volltext nachlesbar.