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Nach Auszählung von 23 der insgesamt 43 Wahlkreise lagen die Befürworter des Vertrags von Lissabon deutlich mit 67,8 Prozent in Front. Das Nein-Lager kam entsprechend auf 32,2 Prozent der Stimmen.

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Werbung der Lissabon-Befürworter auf einem Bus. Die massive Ja-Kampagne dürfte erfolgreich gewesen sein.

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Dublin/Brüssel - Im zweiten Anlauf haben die Iren mit deutlicher Mehrheit für den EU-Reformvertrag gestimmt. Nach dem amtlichen Endergebnis votierten rund 67 Prozent für das Vertragswerk, das bei einem ersten Referendum im Juni 2008 durchgefallen war. Die Gegner des Lissabon-Vertrags räumten ihre Niederlage ein, zahlreiche Politiker aus anderen EU-Staaten begrüßten den Ausgang der Volksabstimmung. Alle Blicke richten sich nun auf Tschechien und Polen: Damit das Vertragswerk endgültig in Kraft treten kann, müssen noch die Präsidenten der beiden Länder zustimmen.

Beim zweiten Referendum segneten die Iren den Vertrag mit einer überraschend großen Mehrheit ab: 67,1 Prozent stimmten am Freitag für den Vertrag, das Nein-Lager kam auf nur mehr auf 32,9 Prozent. Bei der ersten Volksabstimmung im Juni vergangenen Jahres kamen die Nein- Sager noch auf 53,4 Prozent. "Die Iren haben mit klarer Stimme gesprochen. Es ist ein guter Tag für Irland und ein guter Tag für Europa", sagte der irische Ministerpräsident Brian Cowen am Samstag in Dublin. Mit dem Votum zeigten die Iren, dass sie "im Herzen Europas bleiben wollen".

Einmischung von Unternehmen

Der Parteichef der Sozialisten, Joe Higgins, der den Reformvertrag ablehnt, räumte bereits nach Bekanntgabe der ersten Ergebnisse die Niederlage der Eurokritiker ein. Er bezeichnete das Referendum als eine der unausgewogensten Kampagnen in der Geschichte Irlands. Higgins beklagte eine Einmischung von großen Unternehmen wie Ryanair und Intel zugunsten des EU-Reformvertrages.

Europa müht sich seit acht Jahren um eine Reform. Der Lissabon-Vertrag, Nachfolger der gescheiterten EU-Verfassung, soll die EU effektiver machen. Doch mit dem Ja der Iren allein kann das komplexe Vertragswerk noch nicht in Kraft treten - dazu ist die Zustimmung aller 27 EU-Länder notwendig. EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso rief deshalb die Staatschefs in Tschechien und Polen zum schnellen Handeln auf. "Jetzt, da alle Mitgliedstaaten dem Vertrag von Lissabon demokratisch zugestimmt haben, muss der Vertrag so schnell wie möglich auch in Polen und Tschechien ratifiziert werden", sagte er in Brüssel.

Klaus wartet ab

Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk sah nun endgültig den Weg zur Annahme des Vertrages geebnet. Er hoffe, dass Präsident Lech Kaczynski seine Ankündigung umsetze und das Dokument sehr schnell unterzeichne, sagte Tusk. Niemand wolle, dass Polen als ein Bremser des Ratifikationsprozesses gelte.

Sorgenkind bleibt noch Tschechien. Zwar plädierte auch die tschechische Regierung für eine schnelle Ratifizierung. Allerdings ist noch eine Klage gegen den Vertrag vor dem Verfassungsgericht in Brünn anhängig. "Es ist schwer zu prognostizieren, wann das abgeschlossen ist", sagte Europaminister Stefan Füle, "die Regierung und ich persönlich glauben, dass wir bis zum Ende des Jahres ratifiziert haben". Jedoch hielt der tschechische Präsident und EU- Kritiker Vaclav Klaus eisern dagegen: Er warte eine Entscheidung des Verfassungsgerichts ab, bevor er über seine Unterschrift nachdenke.

 Dennoch machte sich nach dem irischen Votum Hoffnung breit. Bundespräsident Heinz Fischer sagte, das europäische Projekt habe durch das irische "Ja" eine "wichtige und wertvolle Unterstützung" erhalten. Aus dem Büro von Bundeskanzler Werner Faymann (S) hieß es, das Ja sei "erfreulich für die europäische Integration". Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll (V) sprach von einem "klaren Bekenntnis zu einem gestärkten Europa". Auch Außenminister Michael Spindelegger (V) begrüßte das irische Ja und sieht darin einen "deutlichen Vertrauensbeweis für die EU".

Der amtierende EU-Ratspräsident Fredrik Reinfeldt sprach wie der britische Premierminister Gordon Brown von einem "guten Tag für Europa". Europa habe nach dem ersten Nein "zugehört und ist auf die Besorgnisse der Menschen in Irland eingegangen", sagte der schwedische Regierungschef. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy gratulierte den Iren zu ihrer "Wahl Europas". Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich erfreut über das irische Ergebnis.

Bei der Abstimmung der Iren spielten allerdings wohl weniger die europäische Reform als wirtschaftliche Faktoren die entscheidende Rolle: Da Irland so tief wie kaum ein anderes Land in der EU in der Krise steckt, erhofften sich viele Menschen Hilfe aus Brüssel. Zudem hatte die irische Regierung von der EU Zusagen verlangt, damit die Iren den Vertrag dieses Mal abnickten - so zum Beispiel, dass in dem katholischen Land das Abtreibungsverbot durch den Vertrag nicht abgeschafft wird.

Warnung vor "Superstaat"

Vertrags-Gegner beklagten am Samstag jedoch, dass die Iren zu ihrer Entscheidung durch Angstmacherei genötigt worden seien. Sie warnten auch vor einem europäischem "Superstaat", der die Macht der einzelnen Länder untergrabe. Der Vertrag von Lissabon folgt der EU- Verfassung, die 2005 in Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden gescheitert war. Bisher gilt in der EU immer noch der Vertrag von Nizza aus 2001. Der neue Vertrag soll Entscheidungen in der EU vereinfachen und der Union auch außenpolitisch ein größeres Gewicht geben. So ist zum Beispiel der Posten eines ständigen EU-Präsidenten geplant. Derzeit wird in Großbritannien heftig darüber spekuliert, dass dieses Amt der britische Ex-Premier Tony Blair übernehmen könnte. (APA/AP)