Stefan Slupetzky: "Mir war's wichtig, dass der Schmäh rennt."

Foto: derStandard.at/Putschögl

Der Autor der "Lemming"-Krimis hat im Film auch einen kurzen "Cameo-Auftritt".

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derStandard.at: Ihr erster Lemming-Roman, "Der Fall des Lemming", kommt am 2. Oktober in die Kinos (Regie: Nikolaus Leytner). Sie selbst sind ja unter anderem auch Dramatiker. Wie war die Arbeit am Drehbuch?

Stefan Slupetzky: Ja, ich mache auch Dramatisierungen fürs Theater und dachte deshalb, dass ich das locker aus dem Handgelenk schütteln kann. Ich bin dann allerdings draufgekommen, dass Drehbuch eine ganz eigene Spielklasse ist. Die Hauptarbeit hat Agnes Pluch gemacht. Sie hat strukturell das meiste gearbeitet, natürlich auch vieles verändert oder weggelassen. Ich habe mich dann eher darauf beschränkt, die Dialoge zu bearbeiten. Mir war's wichtig, dass der Schmäh rennt.

derStandard.at: Haben Sie auch das Set besucht?

Slupetzky: Ich war genau dreimal am Set und habe auch meinen kleinen Cameo-Auftritt absolviert. Ich habe mir gedacht: Was der Hitchcock und der Haas (Wolf Haas, Anm.) können, das muss ich jetzt auch abliefern (lacht).

derStandard.at: Welche Szene war das?

Slupetzky: Sie spielt im Wartezimmer der Tierärztin Klara.

derStandard.at: Durften Sie bei der Besetzung mitreden?

Slupetzky: Es gab einen Pool an Darstellern; beim Krotznig war er etwas größer, beim Lemming etwas kleiner. Mitreden, meine Anmerkungen einbringen habe ich dürfen, mitentscheiden natürlich nicht.

derStandard.at: Wie sind Sie zufrieden mit dem Casting?

Slupetzky: Fritz Karl eignet sich meiner Meinung nach wunderbar für den Lemming. Beim Bezirksinspektor Krotznig (Roland Düringer, Anm.) hätte ich persönlich allerdings einen voluminöseren Typen gesehen. Mein Favorit wäre Wolfgang Böck gewesen. Aber Düringer hat das wunderbar gespielt, ich habe den Film schon gesehen und war wirklich sehr angetan. Krotznig ist im Film zwar schon eine andere Figur als im Buch, aber nicht minder widerlich.

derStandard.at: Die Figur des Krotznig gibt es im kürzlich erschienenen vierten Band, "Der Zorn des Lemming", nicht mehr, er stirbt schon im zweiten Band. Haben Sie das beim Schreiben je bedauert? 

Slupetzky: Literarisch habe ich das überhaupt nicht bedauert, weil Krotznig für mich eine sehr eindimensionale Figur war. Er hatte wenig Facetten, war einfach nur grauslich. Und dementsprechend hat die Figur literarisch wenig hergegeben. Im Zuge der Drehbuch-Arbeiten habe ich das natürlich schon bedauert, weil doch die Hoffnung besteht, dass vielleicht auch der zweite "Lemming"-Roman verfilmt wird und eventuell auch der dritte. Und dann haben wir ein Problem, weil der Krotznig im Film natürlich sehr prominent ist.

derStandard.at: Sie haben bereits anklingen lassen, dass zunächst einmal Schluss sein wird mit den "Lemming"-Krimis. Was haben Sie als Nächstes vor?

Slupetzky: Ich plane vorerst einmal nur, wieder einen Roman zu schreiben. Ob das Wort "Kriminal-" davor stehen wird oder nicht, das überlasse ich der Entwicklung der Geschichte, die ich ja noch nicht so genau kenne.

derStandard.at: Können Sie schon verraten, worum's in Ihrem nächsten Buch gehen wird?

Slupetzky: Ich habe einen ganz groben Plot, oder vielmehr eine Grundidee, im Kopf. Da gibt's zwar Tote, und es geht auch um Investigation, aber es steht kein Verbrechen im Vordergrund. Mich interessiert etwas völlig anderes; nämlich ein Phänomen, das ich zunächst bei mir und dann in weiterer Folge bei einer ganzen Reihe meiner Freunde festgestellt habe, deren Väter verstorben sind: Dass es immer wieder Momente gibt, in denen die Fantasie einem vorgaukelt, der Vater hätte sein Ableben vielleicht nur vorgetäuscht. Einfach deshalb, weil man es nicht ertragen kann, dass dieser Mensch nicht mehr existiert. Und dann schlägt einem die Fantasie wirklich unglaubliche Kapriolen: Wie hätte er das bewerkstelligen können? Lebt er jetzt vielleicht in Chile als Schuster? Dieses Thema interessiert mich. Diese Unerträglichkeit, einen wichtigen, vielleicht den wichtigsten Menschen verloren zu haben, für immer. Und das hinzunehmen scheint den meisten Leuten nicht möglich zu sein.

derStandard.at: Fürchten Sie eigentlich, dass Sie viele Leser wieder verprellen könnten, wenn Sie jetzt keinen Lemming mehr schreiben?

Slupetzky: Nein, das fürchte ich nicht. Ohne jetzt überheblich sein zu wollen: Aber ich glaube, dass viele Leute, die die Lemming-Romane schätzen, das nicht nur deshalb tun, weil hier Leichen, Morde und Aufklärungen stattfinden, sondern auch aufgrund des Stils, der Denkweise etc. Und den Stil und die Denkweise würde ich ja nicht ablegen.  (Martin Putschögl, derStandard.at, 23.9.2009)