Man kann lange suchen - einen kurioseren und unausgewogeneren Salzburger Sommer wird man schwer finden. Die Festspiele 2009, sie waren ein Aufmerksamkeitsmatch zwischen Premieren und personellen Rochaden. Zum Auftakt ging es los: Man stellte klar, dass Intendant Jürgen Flimm ein Jahr vor Vertragsende gehen dürfe, sein Nachfolger Alexander Pereira aber nicht vor 2012 kommen müsse. So erkor man Konzertchef Markus Hinterhäuser, den man für unwürdig befunden hatte, im Dreiervorschlag für die Flimm-Nachfolge zu landen, gar zum Intendanten des Sommers 2011.

Als dann auch noch ruchbar wurde, dass das Direktorium der Festspiele (verkleinert) nur noch aus Pereira und Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler bestehen würde, war die erste Musiktheaterpremiere, Händels Oratorium Theodora (eine präzise Arbeit von Christoph Loy, jedoch am unpraktischen Ort, dem großen Festspielhaus), kein Thema mehr. Zumal es wie die halb gelungene Così-Version von Claus Guth musikalisch nicht wirklich überzeugen konnte.

Es gelang dann Regisseur Flimm, mit Rossinis Moise et Pharaon die Aufmerksamkeit wieder aufs Künstlerische zu lenken, jedoch mit dem szenischen Tiefpunkt der Festspiele, dem nur Riccardo Muti und die Wiener Philharmoniker musikalische Würde verliehen.

So bleibt Luigi Nonos Musiktheater Al gran sole carici d'amore das einzige rundum überzeugende "Sommerstück", eines natürlich, dass die Erkenntnis erbrachte, dass die Philharmoniker Nono überzeugender spielten als Mozart. Hier zeigt sich: Nicht nur im vokalen Opernbereich sind die Festspiele von wankelmütiger Qualität; auch mit Dirigenten haben sie ein Problem. Da fehlten Glanz und Gestaltungswille, obwohl beides groteskerweise in Salzburg sehr wohl zugegen war. Allerdings im Konzertprogramm von Markus Hinterhäuser (sensationell etwa die Beethoven-Symphonien mit Paavo Järvi).

Nicht auszudenken, wie die Opernbilanz ausgefallen wäre, so diesen (vom Flimm verantworteten) Bereich eine ähnliche Tragödie ereilt hätte wie das Theaterprogramm von Thomas Oberender!

Durch den Tod von Jürgen Gosch inmitten seiner Vorbereitungen der Bakchen brach eine der heuer vielversprechendsten Premieren weg. Der Regisseur hatte aber vorgesorgt: Seine ersatzweise eingeflogene Möwe (Deutsches Schauspielhaus) blieb rückblickend einer der schönsten Abende dieses Sommers. Und dabei standen hinter dem 2009er-Programm von Oberender hochfahrende Konzepte. Vielleicht zu viele. Zumindest Judith und das Beckett-Handke-Projekt waren auf elaborierten Ausgangsideen gebaut, die auf der Bühne nicht einzulösen waren.

Die aus Oper und Theater geknüpfte neue Judith-Figur von Sebastian Nübling blieb ein langatmiger Hybrid im Opern-Retro-Look. Und auch Peter Handkes Beckett-Follow-up Bis dass der Tag euch scheidet schmolz durch Jossi Wielers Regie-Hände.

Gewissermaßen außer Konkurrenz zu betrachten waren ja die Wiederaufnahme von Verbrechen und Strafe (Regie: Andrea Breth) sowie der Publikumshit The Sound of Silence von Alvis Hermanis. Eine wahre Aufbesserung des Schauspielprogramms gewährleisteten hingegen die Arbeiten des Young Directors Project. Der gar nicht mehr wegzudenkende Nachwuchswettbewerb bewies mit Arbeiten, vor allem jener von Jette Steckel (Die Welt ist groß und Rettung lauert überall), dass weniger Konzept manchmal mehr Theater ist. Im Opernbereich war indes nicht einmal ein Konzept zu erkennen. Inszenierte Oratorien am falschen Ort. Behäbige Opernraritäten als Oratorium. Zudem das Festspielmotto (Spiel der Mächtigen): Es passte besser zu den kulturpolitischen Vorgängen als zum Opernprogramm. Grotesker Sommer. (Margarete Affenzeller, Ljubisa Tosic / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.8.2009)