Seit geraumer Zeit wird in Österreich von IT-Fachkräftemangel gesprochen. Vereinzelte Initiativen werden gestartet, MitarbeiterInnen dennoch entlassen und gespart an allen Ecken und Ende. Wie schaut es nun wirklich aus? Der WebStandard hat nachgefragt - und fest steht - es gibt einen standortgefährdenden Fachkräftemangel, allerdings erst 2020.

Sorgenkind: Automotivbranche

Ein Blick auf die IT-Branche in Österreich zeigt, dass gut 50 Prozent der Umsätze im Bereich der Finanzdienstleistung erzielt werden. Und genau dieser Bereich gilt, dank neuen Regulativen und immer neuen Anforderungen als krisenfest. Anders sieht es ind er Industrie aus: Die Automotivbranche kam unter die Räder und mit ihr auch die IT. In anderen Bereichen kann allerdings nicht mehr viel eingespart werden, denn ohne IT geht nichts, also muss sie arbeiten können.

Immanente Bedeutung

"Gerade für den Wirtschaftsstandort Österreich stellt die IT eine immanente Bedeutung dar", so  Wilfried Seyruck, Stv. Obmann des Fachverbandes UBIT (WKÖ) und Vorsitzender des IT Ausschusses im Fachverband UBIT. "Im Moment hat sich die Situation entspannt. Der Fachkräftemangel in Österreich ist aber ein langfristiges Thema. Es gibt immer weniger AbsolventInnen. Das ist ein großes Problem von dem die gesamte heimische Wirtschaft betroffen sein wird."

Fachkräftemangel in spe

"Die Begeisterung einen IT-Beruf zu erlernen ist derzeit nicht sehr groß. Ein Hauptproblem ist auch, dass es nicht gelingt in der Ausbildung Frauen anzusprechen. Der Frauenanteil ist in Österreich extrem gering. In anderen Ländern herrscht hier ein Gleichgewicht, etwa in Indien, Brasilien, aber auch im ehemaligen Osten. Dieses Dilemma haben wir auch an den HTLs, die derzeit aufgrund mangelnder Nachfrage ihre Klassen nicht voll bekommen. Hier liegt der Frauenanteil nur zwischen 6 bis 8 Prozent", so Seyruck.

Größte Hürde: Mathematik

Als eine große Hürde in der Ausbildung erweise sich die Mathematik. In der Schule schon für viele InteressentInnen ein Stolperstein und Quell andauernder Nachhilfestunden, sorgt das Fach auch während des Informatikstudiums für wenig Freude. 

2020 - das Jahr in dem wir die IT verloren

Was ist nun mit dem Fachkräftemangel? Ist er da, kommt er erst oder alles nur heiße Luft. Gute Leute werden auch jetzt intensiv gesucht, allerdings - Krise und Personalabbau als Auslöser - es sind auch immer wieder sehr gute Leute zu finden, die bis vor Kurzem nicht am Markt waren. Die größten Probleme werden in Österreich jedoch ab dem Jahr 2020 auftreten sind sich die ExpertInnen einig.

Es gibt viele Jobs

In einigen Bereichen werden IT-Fachkräfte auch und gerade in Zeiten wie diesen gesucht: Neben den erwähnten Finanzdienstleistern, auch in vielen größeren Unternehmen, aber auch im Bereich der Mobilfunker. Menschen scheinen in Krisenzeiten zwar weniger zu verreisen, aber definitiv nicht weniger zu telefonieren.

Softwareentwicklung und Betriebssystembetreuung

"Der Mangel an IT Fachkräften ist trotz Krise in einigen Bereichen weiter vorhanden. Vor allem im Bereich Softwareentwicklung und Betriebssystembetreuung gibt es nach wie vor Engpässe. Es ist nicht jede IT Position mit jedem beliebigen „ITler“ zu besetzen. Die Anforderungen sind oft sehr tief fachspezifisch und daher nicht so leicht in kurzer Zeit anzulernen. Deshalb kommt es zu dieser ungleichgewichtigen Entwicklung. Der IT Fachkräftemangel ist aber ein langfristiges Problem, durch die Krise wird er teilweise nur auf 6-12 Monate unterbrochen. Man bräuchte mehr IT Ausgebildete in Österreich, da immer weitere Bereiche des Haushalts, Freizeit und Produktion mit IT zu tun haben", so Robert Fitzthum von Robert Fitzthum Management Consulting

Siemens und Co.

Keine guten Beispiele für den Trend seien große internationale Konzerne. "Wenn man sich Siemens ansieht, dann ist klar zu erkennen, dass es sich hier um eine internationale Strategie handelt, die das Ende des Standorts Österreich im Visier hat und nicht um einen Abbau von IT-Personal aus anderen Gründen. Wenn hier nun 200 bis 300 MitarbeiterInnen entlassen werden, so ist der Umkehrschluss, dass diese wieder in die IT-Branche drängen nicht zulässig. Nach 20 bis 30 Jahren in der IT wollen viele in anderen Bereichen tätig sein, oder aber sind SpezialistInnen in Bereichen, die derzeit nicht gefragt sind", so Seyruck.

Karriere mit Lehre

Die IT-Branche ist keine klassische Lehrbranche, daher sei es schwer hier Tendenzen abzulesen oder aber Initiativen zu setzen. "Wenn wir unsere Mitglieder anschauen, so sind hier viele Ein-Personen-Unternehmen zu finden, die sicherlich keine Lehrlinge ausbilden. Aber große Unternehmen mit vielen PC-Arbeitsplätzen bilden Lehrlinge in den Bereichen Netzwerk-Administration oder auch Serverwartung und Rechnerwartung aus. Hier wird mehr an den Geräten gearbeitet und es kommt den Unternehmen wesentlich billiger hier Lehrlinge anzulernen als teure ExpertInnen, die das Unternehmen bald wieder verlassen, einzustellen", meint Seyruck.

Demographie und deren Interpretation

Laut einer Studie des METIS-Instituts in Klagenfurt sind zwei Drittel der IT-Fachkräfte älter als 40 Jahre, 3,1 Prozent sind älter als 60, während nur 2,7 Prozent unter 30 Jahren alt sind. In etwa 10 Jahren werden rund 10 Prozent der IT-Fachkräfte in Pension gehen, fürchtet die Branche demografische Probleme. 2020 wird die Situation am Höhepunkt sein, denn dann gehen die MitarbeiterInnen der geburtenstarken Jahrgänge der 60er und 70er Jahre in Pension.

Informatik - mäßig interessant

Dabei handelt es sich um genau jene Personen, die Anfang der 80er Jahre einen regelrechten Informatikboom ausgelöst hatten. Hunderte AbsolventInnen an den Universitäten konnten sich ihre Jobs aussuchen und das Geld lag auf der Strasse.

Keine Frage des Geldes

Doch die Dotcom-Blase ist geplatzt und die Gehälter haben sich eingependelt. War in der Vergangenheit der Weg in die IT-Branche oft mit dem Fokus auf viel Geld verdienen beschritten worden, so hat sich auch hier das Bild geändert. "ITler schauen schon aufs Geld, aber es ist nicht das entscheidende Kriterium. Die Gehälter sind im Vergleich zu anderen Branchen noch immer sehr hoch. Man darf hier nicht die Mindestgehälter im KV schauen. Es wird hier immer noch sehr stark überzahlt", so Seyruck.

Schleppende KV-Verhandlungen

Wie sich die Zeiten jedoch geändert haben, zeigen die gerade erst zu Ende gegangenen IT-Kollektivvertrags-Verhandlungen. Hier wurde Monatelang um eine Einigung gerungen. Die Gewerkschaft GPA-djp rief zu Protesten und Kundgebungen auf und dann konnte man sich auf Folgendes einigen: Die kollektivvertraglichen Mindestgehälter steigen ab 1.9. 2009 je nach Tätigkeitsfamilie zwischen 3,2 und 4,5 Prozent. Lehrlingsentschädigungen, Schichtzulage sowie die Rufbereitschaftspauschale werden um 3,5 Prozent erhöht. Ab 1.1.2010 steigen die Mindestgehälter um 1,5 Prozent. Das Urlaubs- und das Weihnachtsgeld (13. und 14. Monatsgehalt) wird für alle Beschäftigten im Jahr 2010 einmalig um 10 Prozent erhöht werden.

Mit anderen Branchen vergleichbar

Anders als die Wirtschaftskammer sieht die Gewetrkschaft die Lage ind er IT-Branche: "Verglichen mit anderen Branchen ist das Einkommensniveau im IT-Sektor nicht systemtisch höher. Die durchschnittlichen Bruttogehälter liegen im Bereich von 37.000 bis 55.000 Euro Jahresgehalt, abhängig vom Qualifikationsprofil. Projektmanager erhalten die höchsten Gehälter, während sonstige Professionals am schlechtesten bezahlt werden. Die Einkommensdimensionen sind mit jenen vergleichbarer Positionen in anderen Branchen vergleichbar. Wenn sich IT-Fachkräfte selbständig machen und ihre bisherigen Unternehmen beziehungsweise die Position als unselbständig Erwerbstätige verlassen, können etwas höhere Einkünfte erzielt werden. Dieses Einkommensdifferenzial kann jedoch vollständig mit der höheren Volatilität und dem Risiko von Einnahmenausfällen erklärt werden."

Marktversagen

"Es kann also keinen systematischen Zusammenhang dieses Gehaltsdifferenzials mit einem Mangel an (unselbständigen) IT-Fachkräften durch Substitutionsprozesse geben. Eher schon können die Problematik der asymmetrischen Information und die Insider-Outsider-Hypothese als Erklärung für Marktversagen auf dem Arbeitsmarkt für IT-Fachkräfte herangezogen werden. Bedenkt man den hohen Level an erforderlicher Qualifikation, Ausbildung und Weiterbildung, sind die Gehälter im IT-Bereich deutlich zu niedrig, um ausreichendes Arbeitskräfteangebot herbeizuführen, da die Gehaltshöhe positiv mit dem Qualifikationsniveau korreliert sein sollte", heißt es von Seiten der GPA-djp.

Weiterbildung

Als einen weiteren wesentlichen Faktor für die IT-Branche in Österreich, sieht die Gewerkschaft das Thema Weiterbildung: "Die Halbwertszeit von IT-Fachwissen wird von unterschiedlichen Quellen und nach unterschiedlichen Methoden sehr differenziert angegeben. Die Schätzungen schwanken zwischen 6 Monaten und 3 Jahren, wobei 1 bis 2 Jahre als realistisch anzusehen sind. Wissen um die reinen IT-Konzepte nimmt langsamer ab (etwa 10 Jahre). Daraus folgt ein permanenter Bedarf an innerbetrieblichen und externen Weiterbildungsaktivitäten für die IT-Fachkräfte, um den Bestand an (aktuellem) IT-Fachwissen konstant zu halten oder gar auszubauen. Die kurzen Zyklen des IT-Fachwissens unterscheiden sich stark von anderen Branchen und machen regelmäßiges Update des Wissens durch Fortbildungen erforderlich. Auf der anderen Seite sind IT-Fachkräfte damit flexibler und können schneller auf Veränderungen des Wissensstandes reagieren."(Gregor Kucera, derStandard.at vom 12.8.2009)